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Röchling: Nüchterne Bilanz

Ende gut, alles gut? Der symbolische Kampf im Fall Röchling ist beigelegt. Die Gewerkschaften schlucken, die Firmenleitung sagt: Die Welt hat sich verändert.
Langkofelscharte, Forcella Sassolungo
Foto: Salto.bz

Mit 1. Juli werden bei der Leiferer Röchling 20 prekäre Arbeitsverhältnisse in Fixanstellungen umgewandelt, innerhalb eines Jahres werden voraussichtlich weitere zehn neue Jobs geschaffen. Die Möglichkeit dazu bietet ein Auftrag des Autoherstellers VW mit einem Jahresvolumen von 12 Millionen Euro. Der Preis, der dafür zu zahlen ist? Für alle Neuanstellungen wird auf das 14. Gehalt verzichtet, auf das die restlichen 700 Beschäftigten der Röchling Anrecht haben. Darüber hinaus erhalten sie für 18 Monate keine Betriebsprämie. Während sie die nun neu Angestellten ab dem 19. Monat voll beziehen, wird es für künftige Verträge eine zusätzliche Staffelung geben.

Für die Gewerkschaften ist der Kompromiss, auf den sie sich gestern Abend nach wochenlangen Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit der Firmenleitung geeinigt haben, alles andere als ein Triumph. „Wir fühlen uns schon als Verlierer“, sagt Stefan Schwarze von der Fachgewerkschaft des CGIL/AGB. Doch angesichts der klaren Positionierung der Angestellten, die sich laut Firmenleitung mit 550 Unterschriften für ein neues Betriebsabkommen aussprachen, blieb nicht mehr viel Raum weiterzukämpfen. Was bleibt ist ein Gefühl der Ohnmacht in dieser symbolischen Auseinandersetzung um Jobs gegen Rechte.

Für Firmenchef Renzo Magnabosco ist diese Art zu denken, dagegen überholt. „Zumindest ein Teil der Gewerkschaften hat nicht verstanden, dass wir nicht nur eine Krise erleben, sondern die Welt auch nach dieser Krise nicht mehr die selbe sein wird wie vor 2007“, sagt er. Die Aussicht, den VW-Auftrag in Rumänien abzuwickeln, sofern die Kosten in Leifers nicht gesenkt werden könne,  ist für ihn deshalb auch keine Erpressung. „Während normalerweise der Kunde bestimmt, wo produziert wird, hatten wir in diesem Fall die Chance selbst zwischen Rumänien und Leifers zu entscheiden“, sagt er.  Allerdings bei einem fix vorgegeben - knappen - Kostenrahmen. Die nun getroffene Vereinbarung sei also nichts anderes als ein Kompromiss – denn der Verdienst für das Unternehmen sei auch mit den Streichungen der Zulagen geringer als in Rumänien, wo die Kosten weit unter Bozen liegen würden.

Warum produziert ein Unternehmen dann angesichts solcher Kostenunterschiede überhaupt noch in Südtirol? Ist es die bessere Qualität? „Die Qualität ist in Rumänien teilweise schon besser als hier“, sagt Magnabosco. „Doch ich bin selbst Bozner und uns ist es wichtig, auch in unserem Land Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.“ Also übernimmt Röchling im Gegensatz zu all den Vorwürfen der vergangenen Wochen doch  ethische Verantwortung? Ohne Zweifel, meint der Geschäftsführer der Leiferer Niederlassung. Dies zeige sich nicht nur in verschiedenen sozialen Begünstigungen für die Angestellten wie einem Betriebskindergarten, dessen Fortbestand gerade nach aufwändigen Verhandlungen garantiert werden konnte. „Die wichtigste Verantwortung eines Unternehmens ist es seit jeher, dafür zu sorgen, dass Menschen das Geld verdienen können, das sie für ein Leben in Würde brauchen“, sagt er.  Diese Verantwortung nehmen Röchling auch heute wahr.  „Doch die Bedingungen, um sie zu erfüllen, haben sich einfach geändert“, so Magnabosco.

 

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Günther Reifer Sun, 06/23/2013 - 08:16

Die Welt hat sich verändert - ja. Dennoch finde ich diesen Prozess und das Ergebnis schon mehr als bedenklich - und zwar für ALLE Beteiligten. Auch für das Unternehmen, dem System Röchling selbst - und interessieren würde mich auch welche Kultur in so einem Unternehmen gelebt wird, nicht aber von der GL, sondern von den Mitarbeitern selbst. Bei ähnlichen Fällen im Ausland war man wesentlich kreativer und innovativer, die Verantwortlichen haben das aber sicher alles diskutiert...Bin gespannt was solche Entscheidungen wirklich bringen - wiederum für uns ALLE!!

Sun, 06/23/2013 - 08:16 Permalink