Society | Selbsthilfe

„Jetzt fahre ich zum Recyclinghof“

Die Querschnittlähmung ist eine der schwersten und folgenschwersten Verletzungen, die ein Mensch erleiden kann. Und es ist ein harter Kampf, so einen Schicksalsschlag zu „verarbeiten“. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht meist vor allem der Betroffene selbst. Dabei ändert sich auch das Leben ihrer Angehörigen und Partner. In Brixen entsteht nun eine Selbsthilfegruppe.
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Ob durch Unfall oder Krankheit verursacht, eine Querschnittlähmung ist zunächst einmal ein riesiger Schock und verändert das Leben. Dass dies aber nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für seine Angehörigen oder Partner gilt, daran denkt allerdings kaum jemand. Dabei stehen auch sie unter hoher seelischer Belastung. Viele Lebensperspektiven wirken verbaut. Das Leben muss ganz neu geordnet werden und für den Partner ist das nicht weniger leicht, als für den Betroffenen.

„Ich fahr jetzt zum Recyclinghof“, erzählt Sigrid und hievt einige schwere Kisten in den Kofferraum. Die Müllentsorgung ist nur ein kleines Beispiel für die vielen Veränderungen in ihrem Leben. Früher hat das ihr Mann erledigt, aber seit dem Arbeitsunfall ihres Lebenspartners vor einem Jahr, hat sich vieles in ihrem Leben wie sie sagt, „um 360 Grad gedreht“. Er ist nun querschnittgelähmt und im Rollstuhl. Ihre Rollen haben sich umgedreht, sagt Sigrid: „Mein Partner ist nicht mehr berufstätig und zu Hause. Vieles was er früher erledigt hat, muss ich nun übernehmen. Für mich selber bleibt kaum Zeit übrig, doch gerade das wäre jetzt wichtig, da die ganze Situation schon belastend genug ist.“

Es ist ein harter und mühsamer Kampf, eine Querschnittlähmung zu „verarbeiten“. Anfangs wusste die 45jährige Pustererin nicht mehr weiter. Sigrid hatte 1000 Fragen, suchte Rat im Internet und fand heraus, dass es etwa in Deutschland und Österreich Selbsthilfetreffs für Angehörige von Querschnittgelähmten gibt. Eine kurze Recherche ergab: So etwas fehlt in Südtirol.

Spontan, aus dem Bauch heraus, entstand die Idee, dies auch hierzulande zu versuchen: „Ich mach das!“, sagte sie sich. Gesagt getan, und nun startet im Oktober in Brixen mit Unterstützung der Dienststelle für Selbsthilfegruppen ein „Treffpunkt für Lebenspartner/innen von Menschen mit Querschnittlähmung“. Gemeinsam soll es eine Möglichkeit des Erfahrungsaustausches, des Gesprächs sein. Auch um etwas Abstand zu gewinnen, nach vorne zu schauen. „Ich möchte gemeinsam mit anderen lernen, mit dem Schicksalsschlag zu leben: Ich möchte Kontakt knüpfen mit Menschen, die Ähnliches erfahren haben, die aber auch nach vorne schauen wollen“, sagt Sigrid.

Das Gründungstreffen der Selbsthilfegruppe findet am Freitag, 9. Oktober 2015 in Brixen statt. Die weiteren Treffen sollen monatlich in Brixen oder nach Vereinbarung stattfinden. Interessierte sollen sich nun bei Sigrid melden. Weitere Informationen gibt es unter der E-Mail [email protected] oder nachmittags/abends unter Tel. 340 0636660 (Sigrid), bzw. bei der Dienststelle für Selbsthilfegruppen, Dr.-Streiter-Gasse 4, Bozen, Tel. 0471 312424, www.selbsthilfe.bz.it.