Society | Teil 3

Apfel & Sünde

Christoph Gufler hat mehrere Bücher über Äpfel geschrieben. Für Salto.bz zeichnet er in einer dreiteiligen Serie die Geschichte des Südtiroler Apfelanbaues nach.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Helmuth Rier
Adam, magst du einen Apfel?
Es lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, wo der in der Bibel geschilderte berühmt-berüchtigte Sündenfall stattfand. Aber weil die Tourismus Werbung unseres Landes immer wieder vom Garten Eden und vom Apfelparadies Südtirol spricht, muss es wohl in unserer Gegend gewesen sein, wo Eva zu ihrem Adam so nebenbei sagte:“ Die schönen Äpfel müssen köstlich schmecken. Auch muss es herrlich sein, so viel zu wissen und so mächtig zu sein wie Gott“. Nun, sie wissen ja, wie diese erste verbürgte Apfelverkostung ausging. Trotzdem ist es schon bemerkenswert, dass am Beginn der Menschheitsgeschichte der Apfel stand. Doch nicht nur im Alten Testament nimmt der Apfel eine Schlüsselrolle ein. 
 

Der Zankapfel

 
Auch in der griechischen Mythologie sorgt er für Aufregung, als Attribut der Liebesgöttin Aphrodite etwa oder als Geschenk des Gottes Dionysos anlässlich der Hochzeit seines Oberchefs Zeus mit Hera. Die Ehe der beiden wurde übrigens unter einem Apfelbaum vollzogen. Zum Zankapfel wurde unsere Frucht auf einer anderen Hochzeit: Als Peleus seine Thetis ehelichte (nach ihr wurde das Urmeer benannt aus dem unsere Dolomiten aufgestiegen sind), warf die Göttin der Zwietracht, Eris, einen goldenen Apfel unter die zahlreichen Gästinnen mit der verhängnisvollen Inschrift „der Schönsten“. Dem Königssohn Paris fiel die undankbare Aufgabe zu, die Wahl zu treffen. Die Folge davon war der berühmte trojanische Krieg. Diese „Wahl des Paris“ wurde später zu einem beliebten Motiv zahlloser Maler woran zweifellos nur die schönen Formen des Apfels Schuld sind. 
 

Die Äpfel des Odysseus

 
Dass der Apfelanbau bei den alten Griechen eine bedeutende Rolle spielte, belegen auch zahlreiche andere Quellen. So lässt Homer seinen Odysseus den väterlichen Garten „mit dreizehn Birnenbäumen und zehn voll rötlicher Äpfel“ beschreiben und der größte Botaniker des Altertums, Theophrast hat sogar sechs Bücher über den Obstbau verfasst. Bei den Römern war es wiederum die Liebesgöttin, welche den Apfel als Beigabe bekam. Sie hieß jetzt nicht mehr Aphrodite sondern Venus. Für die Reife des Obstes war die Göttin Pomora zuständig, welche ihre griechische Kollegin Demeter ablöste. Ansonsten beschäftigte sich das weniger phantasiebegabte als praktisch veranlagte Volk der Römer mehr auf agronomische Weise mit dem Apfel, wie man bei Cato, Vergil und Plinius dem Älteren nachlesen kann. Da ist viel von Apfelsorten, Anbaumethoden und natürlicher Düngung die Rede ist. 
 

Der Reichsapfel

 
Spektakulärer ist es da schon, was unsere Vorfahren, die Germanen, zum Thema Apfel aufzuweisen haben: In der Edda, der „Bibel“ der Germanen, wirbt Freyr um seine Angebetete mit elf goldenen Äpfeln und kein geringerer als der schöne Baldur und die Göttin ewiger Jugend Iduna trugen den Apfel sozusagen in ihrem Wappen. Auch bei den Kelten galt er als „das“ Fruchtbarkeitssymbol schlechthin. Eine keltische Sage erzählt, dass der Zauberer Merlin dem neugeweihten König Artus goldene Äpfel schenkte. Möglicherweise hat hier der mittelalterliche Reichsapfel seinen Ursprung, den schon Karl der Große als Symbol seiner Herrschermacht trug. Außerdem zierte das Knauf Ende seines Schwertes einen Apfel und in der Hand hielt er einen Apfelzweig. Muss ja ein richtiger „Apfelfreak“ gewesen, unser großer Karl. 
 

Das „Hohelied“ des Apfels

 
Dass auch die christliche Religion sich des Apfels annahm ist nach dem Gesagten nicht verwunderlich. Der Heilige Ambrosius scheute sich nicht folgenden Vergleich anzustellen: “Allein nicht bloß Wohlgeruch, auch süße Labung bietet der Apfel. Diese köstliche Nahrung ist Christus“. Vielleicht hatte er dabei die Worte des „Hoheliedes“ im Ohr: “Ein Apfelbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter unter den Burschen. In seinem Schatten begehr ich zu sitzen. Wie süß schmeckt seine Frucht meinem Gaumen.“ Der Schutzpatron des Apfelbaumes ist übrigens nicht die Hl. Dorothea, von der ein spektakuläres Apfelwunder überliefert ist, sondern der Heilige Jakob, dem in Südtirol nicht weniger als 35 Kirchen geweiht sind. Zwar kein Heiliger, aber deshalb nicht weniger bedeutend für die Kirchengeschichte ist Martin Luther, der den berühmten Satz prägte:“ Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen“.  
 

Der Apfelschuss

 
Auch in der Literatur ist der Apfel von Anfang an zuhause, wie wir bei Homer gesehen haben.  Friedrich Schiller erhob ihn in seinem Wilhelm Tell zum Sinnbild der Freiheit:“ Jetzt schieße diesen deinem Kind einen Apfel vom Kopf“, lässt der Dichter den bösen Landvogt sagen und mit diesem Apfelschuss nimmt der Freiheitskampf der Eidgenossen seinen Anfang. Ganz entgegengesetzt ist die Rolle, welche Shakespeare im „Kaufmann von Venedig“ dem Apfel zuweist: “Ein schöner Apfel, aber im Kern gefault, oh, welch ein schönes Aussehen die Falschheit hat“. Den (Südtiroler) Obstproduzenten so recht aus der Seele sprechen Altmeister Goethe:“ Über Rosen lässt sich dichten, in die Äpfel musst du beißen“ und Wilhelm Busch:“ Meines Lebens schönster Traum hängt an diesem Apfelbaum“.
 

 

Apple forever

 
Seit Jahrtausenden nimmt der Apfel in Kult und Brauchtum der Menschen somit eine hervorragende Stellung ein. Dass er in der Weltgeschichte immer dann auftritt, wenn es um Liebe und Leidenschaft, Schönheit und Fruchtbarkeit geht, kann wohl kein Zufall sein. Aber auch als „Baum der Erkenntnis“ trägt er immer wieder Früchte. So kam Isaac Newton auf seine bahnbrechenden, das moderne Weltbild verändernden Ideen zur Gravitation als er unter einem Apfelbaum saß und zusah wie ein reifer Apfel herunterfiel. Das war im Jahre 1655. Aber auch heute steht der Apfel für Innovation und Kreativität, wie nicht nur das Beispiel der Beatles zeigt, die im Zeichen des Apfels ihre Welterfolge feierten. Und wie hieß der erste Computer? Apple-Apfel!