Environment | Fall Pizzinini

Wink an die Landesregierung

Der Staatsrat hat zwei Rekurse gegen die neue Hofstelle zur Alpenrose für unzulässig erklärt, gleichzeitig aber auch die Thesen der Bozner Verwaltungsrichter demontiert.
rosa alpina
Foto: salto
Alessandro Ezechieli wählt seine Worte bewusst. „Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung jetzt frei und unvoreingenommen entscheiden wird“, sagt der Mailänder Verwaltungsrechtler.
Neben ihm sitzen Luca Crazzolara und Vito Agreiter. „Wir sind Bauern, die wirklich als solche arbeiten“, sagen die beiden Kassianer Landwirte, „und wir können einfach nicht verstehen, dass ein Hotelier etwas darf, was keinem echten Bauern gewährt wird.
Das Trio hat am Mittwoch im noblen Hotel Laurin zur Pressekonferenz geladen. Es geht um ein Thema, das die Medien – und auch salto.bz – seit rund zwei Jahren beschäftigt: Den Fall um die Errichtung einer neuen Hofstelle des Gadertaler Hoteliers Paolo Pizzinini.
Nach eineinhalb Jahren Streit sollte der Gerichtsfall eigentlich abgeschlossen sein. Denn der Staatsrat in Rom hat vergangene Woche zwei Urteile des Bozner Verwaltungsgerichtes bestätigt und die Rekurse von Ingrid und Ylenia Crazzolara für unzulässig erklärt.
Dass die Geschichte dennoch nicht gegessen ist, dafür hat jetzt der römische Staatsrat und der Südtiroler Richter Bernhard Lageder gesorgt.
 

Rüffel aus Rom

 
Der Staatsrat ist formal zu demselben Urteil gekommen, wie das Bozner Verwaltungsgericht. Beide Rekurse wurden für unzulässig erklärt. Der Rekurs von Ingrid Crazzolara, weil er verspätet eingereicht wurde und jener von Ylenia Crazzolara, weil die Rekursstellerin zu weit weg wohne und ihr deshalb kein direkter Schaden durch den Neubau entstehe.
Wenn man das Urteil aber genau liest“, sagt der Anwalt der Rekurseinbringer, Alessandro Ezechieli, „dann hat der Staatsrat einen Schritt gemacht, der viel weiter geht.
Um diese Aussage zu verstehen, muss man wissen, dass das Bozner Verwaltungsgericht im Fall Pizzinini etwas getan hat, was absolut unüblich ist. Normalerweise werden Rekurse, die unzulässig sind, einfach abgewiesen. Wenige Zeilen und Schluss. In diesem Fall sind die Richter in der Bozner Gerstburg aber – trotz erklärter formaler Unzulässigkeit der Rekurse – in meritum gegangen und haben auf 33 Seiten erklärt, warum der Neubau der Hofstelle rechtens sei. Eine völlig unübliche und sinnlose Fleißaufgabe.
 
Der Staatsrat distanziert sich in seinem Urteil jetzt aber deutlich von den Begründungen des Bozner Verwaltungsgerichts. Im Urteil beschreibt der Südtiroler Staatsrat und Urteilsverfasser Bernhard Lageder den inhaltlichen Ausflug der Bozner Kollegen als „ad abundantiam“. Es ist ein Rüffel und ein klarer Verweis, dass das Bozner Verwaltungsgericht mit seinen inhaltliche Begründungen zu weit gegangen sei.
Deutlich wird aber auch, dass man in Rom keineswegs die inhaltlichen Schlussfolgerungen des Bozner Verwaltungsgerichts teil. Dabei stand Berichterstatter Lageder vor einem Problem. Der Staatsrat kann nicht, die Argumente der Bozner Richter widerlegen, denn damit würde man in Rom genau das wiederholen, was man den Bozner Kollegen ankreidet.
Der Ausweg: Der Staatsrat hat die Urteile aus Bozen nur zum Teil bestätigt. Es wurde zwar die Unzulässigkeit bestätigt, alle inhaltlichen Schlussfolgerungen wurden aber vom Staatsrat aufgehoben (assorbiti). 
Damit verhindert man, dass das Bozner Urteil in Sachen geschlossenen Hof zur geltenden Rechtssprechung werden kann“, sagt Alessandro Ezechieli.
Vor allem aber werden damit auch die Karten neu gemischt.
 

Der Rekurs

 
Die Kassianer Bauern Luca und Christian Crazzolara sowie Vito Agreiter haben am 4. Juli 2016 bei der Landesregierung gegen die Baukonzession des Pizzinini-Hofes einen Rekurs nach Artikel 105 des Landesraumordnungsgesetzes eingebracht. Das Gesetz sieht vor, dass dieser Bürgerrekurs innerhalb von 90 Tagen behandelt werden muss. Doch der Rekurs der drei Bauern behängt heute noch.
Dabei wurde die Bürgereingabe termingerecht am 23. November 2016 von der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung geprüft. Die Fachkommission kam zu einem eindeutigen Schluss. Mit 5 zu einer Stimme wurde der Rekurs der drei Bauern angenommen.
Das Gutachten der Kommission ist für die Landesregierung nicht bindend. Doch die Regierung hat die Entscheidung jetzt fast ein Jahr lang aufgeschoben. Die Begründung: Man wolle den Ausgang der Gerichtsverfahren abwarten. Die Landesregierung erhoffte sich aus den Urteilen Argumente für eine Annahme oder eine Ablehnung des Rekurses zu erhalten.
 
Das Bozner Verwaltungsgericht lieferte diese Argumente. Doch der Staatsrat hat sie wieder zunichte gemacht. Damit steht man jetzt wieder am Anfang.
Fast. Denn am Mittwoch hat Anwalt Alessandro Ezechieli beim Bozner Verwaltungsgericht eine Abmahnung hinterlegt, mit der Aufforderung an die Landesregierung den Rekurs der drei Bauern endlich zu behandeln.
 

Das Rechtsgutachten

 
Alessandro Ezechieli verfasste aber auch neues Rechtsgutachten zum Hofneubau, das der Landesregierung für die Entscheidungsfindung zugestellt werden soll.
Der zentrale Punkt darin: Jahrelang hatte Paolo Pizzinini um die Verlegung (Aussiedlung) der Hofstelle angesucht, was die Höfekommission abgelehnt hat. Dann tauchte plötzlich eine völlig neue Variante auf: Der geschlossene Hof hat plötzlich keine Hofstelle mehr und es wird deshalb der Neubau einer Hofstelle genehmigt. „Man hat dasselbe Ansinnen ganz einfach in ein neues Kleid gesteckt“, spottet der Mailänder Anwalt
Im mehrseitigen Gutachten Ezechielis wird aber auch ein eklatanter Rechtsbruch durch die Gemeinde Abtei dokumentiert. Nach dem geltenden Gesetz muss die Höfekommission auch beim Neubau einer Hofstelle ein Gutachten abgeben. Die Baukommission der Gemeinde hat aber beschlossen, dieses Gutachten erst mit Ausstellung der Benutzungsgenehmigung für den neuen Pizzinini Hof einzuholen. Deutlicher kann man das Gesetz wohl kaum biegen.
Es wird sich zeigen, ob die Landesregierung den Rekurs der drei Bauern entgegen dem Urteil der eigenen Fachleute abweisen wird. Dann müssen Arno Kompatscher & Co aber auch begründen, warum für manche in diesem Land anscheinend Sonderbestimmungen gelten.