Culture | Salto Weekend

Zum Lachen in den Bunker gehen

Gianluca Iocolano und Davide Sberna haben gestern alles versucht, um das Publikum im Bunker H in der Fagenstraße aufzuwärmen: Der Vorschlag einer Orgie wurde abgelehnt.
Bunker Stand Up
Foto: Privat
Stand-up-Comedy im einstigen Bozner Weltkriegsbunker, ein Format, das beim ersten Mal, wenn man es hört widersinnig und irgendwie spannend klingt. Spontanität und Interaktionen mit dem Publikum gehören aber ebenso dazu, wie von den beiden italienischen Comedians eine Herausforderung gesucht und gefunden wurde: Umgeben von nacktem Fels und im Licht von Industriestrahlern, in einer Kaverne in welcher es wärmer als im Freien ist, doch nicht viel, kann man sich ein schwierigeres Umfeld für Comedy vorstellen? Auch der Weg in den Berg ist bereits speziell führt er doch an aufwändig gestalteten Grafiti-Kunstwerken vorbei - von Streetart kann man hier wohl nicht sprechen - und ist es wert einige Minuten mehr für den Veranstaltungsbesuch einzuplanen. Der eigene Atem war gerade noch sichtbar, als um 21 Uhr - angekündigt war 20.30 Uhr - der Abend beginnt. Man war froh um die Körperwärme der Mitmenschen.
 
 
Gianluca Iocolano eröffnet als Local den Abend und hat mit einer knappen halben Stunde etwas weniger Zeit als der aus Brescia stammende, in Bologna lebende Main-Act des Abends. Dennoch holt er einen Moment aus und berichtete, da es sein erster Abend im Stand-up Format war - er definiert sich selbst mehr als Kabarettist - von seinem Rechercheprozess. Seinen ersten Lacher erhielt er, als einem Witz, der nicht zum gewünschten Ergebnis führte ein lakonisches „vedo che con voi funziona“, nachschob. Das Eis war gebrochen.
Iocolano zeigte in Folge, dass er sehr wohl die Regeln des Spiels verstand und gestaltete sein kurzweiliges Programm mit Alltagsbeobachtungen, Selbstironie, Respektlosigkeiten und Lokalkolorit. Insbesondere die eigene Regelhörigkeit nahm er wiederholt aufs Korn: vom Handschuhtragen in der Obst- und Gemüseabteilung des Supermarkts, der eigenen, überraschend langlebigen Wasserschildkröte, die er nicht am Völser Weiher aussetzen darf, bis hin zu Widersinnigkeit im Umgang mit der Maskenpflicht.
Im Kampf gegen die Einsamkeit - siehe Schildkröte - berichtete er auch von Erfahrungen mit Dating Apps (hier überließ er die Simultanübersetzung deutschsprachiger Zitate dem Publikum) und holte gegenüber einer Hamburger Studentin zur Erklärung der Südtirol-Situation „Aber ihr sprecht Deutsch?“ zu den Römern aus. Dass die Situation „Romani - Franz Joseph - Fascisti - SVP“ zyklisch sei, lasse sich anhand eines Vergleichs des Münzprofils von Caesar und Durnwalder erkennen. Den eigenen Alterungsprozess reflektierte er durch eine Erfahrung auf einer 16+ Party in einer bekannten Brixner Diskothek, als er sich zur Verdauung junger Frauen, die bauchfrei in einer Märznacht stehen, Gedanken macht.
Abschließend bekamen Schützen und Klerus ihr Fett weg. Die einen weil sie gegen einen Marsch marschierten (Gemeint war der Gedenkmarsch zum Marsch auf Rom/Bozen durch die Bozner Innenstadt), die anderen weil Masturbation nicht blind macht. Iocolano nahm suggestiv auf Studien zu Masturbation als Prostata-Krebs-Vorbeugung Bezug und war sich sicher, dass er noch von keinem Priester gehört habe, der daran gestorben sei.
Mit indischen Stereotypen zum neuen Premierminister des Vereinigten Königreichs und sehr allgemeinen Aussagen zur Politik fand er etwas weniger Anklang beim Publikum, konnte aber sehr zufrieden sein mit seinem Stand-Up Debüt.
 
 
Davide Sberna begann den Abend, wie er ihn schließlich auch beendete: Im Schnellrede-Modus. Er reihte einen Tabu-Bruch an den nächsten, so dass man nie zum Nachdenken kam, ob er nun zu weit gegangen sei. Zum Kennenlernen sah er in der Welt gleich Endzeitstimmung und griff das Fußballspiel des Abends auf - England gegen USA - welches nur mit einer Allianz und einer Bombardierung ausgehen könne. Trotz WM-Boykott kam ich zuhause nicht umhin in den Nachrichten zu erfahren, dass man sich statt dessen 0:0 trennte. Da also nicht abzusehen sei, wie lange wir uns vor den Bomben in Sicherheit bringen müssen, suchte Sberna per Handzeichen Teilnehmer für eine Orgie. Da zwei (vom Bunker Team meldete sich jemand) für eine Orgie zu wenig waren, gab es statt dessen weiter Stand-Up, vorweg mit Interaktions-Übungen.
Als Sberna mit dem Resultat zufrieden war meinte er „anche il Duce ha iniziato così“ und setzte sein Abendprogramm mit durchgehend sexuellen Untertönen fort. Er bediente sich dabei vieler Fakeouts, ließ das Publikum glauben, dass es um eine Sache ginge, wenn es doch wieder nur um das Eine ging. Das Höhlengleichnis des Platon „complotista di merda“ inspirierte ihn spontan zu Schattenspielen und zur Beobachtung, dass er der vielleicht erste Verschwörungstheoretiker der Geschichte gewesen sei.
Am holprigen Bildungsweg von Kindergarten bis zur Universität nahm er einen stetigen Abwärtstrend wahr und hielt fest, dass er bis zum Alter von 10 Jahren die meiste „Figa“ seines Lebens gesehen habe. In der Rolle des Wüstlings ging der Comedian auf, machte anzügliche Witze, die ihn schließlich bis zu „Astro“-Samantha Christoforetti und einer Frau im Publikum brachten, die seiner Mutter ähnlich sehe. Wer weiß, ob er deswegen den Vorschlag mit der Orgie gemacht hätte. Mir war das nach einer Weile des Inzests, Pädophilie und Mutter-Witzen zu viel des Unguten, den Geschmack des Publikums traf es hörbar vielfach. Selbst bei der eigenen Vorliebe für Disney-Lieder und Videospielen schaffte er den mentalen Brückenschlag zum Thema Sexualität, was zumindest von beeindruckender mentaler Elastizität zeugte.
Übrigens, wie nennt man ein poltisch links orientiertes Alien? Alienin. Zum Abschluss des Abends entfernte sich Sberna also noch einmal etwas vom Hauptthema und ging zum psychologischen „Overview Effect“ über, dem gesteigerten Bewusstsein für Umwelt und Soziale Themen, das Astronauten vielfach entwickeln, nachdem sie die Erde in ihrer Ganzheit und - oh Wunder - ohne Grenzen gesehen haben. Sberna vermutete dahinter eine Kontamination mit einem Mü Kommunismus durch die russische Raumfahrt. Nur schade, dass man an diese Mikrodosis Antikapitalsimus nur durch einen ultrakapitalistischen Akt kommt. Dann gab es noch Kurzwitze im à la carte Format, die sich das Publikum per Zuruf von einer Liste mit Begriffen aussuchen konnte.