Environment | Das gute Leben

Weltfremd oder Trend?

Da hat sich gestern so ein Wachstumsapostel ziemlich bösartig aufgeregt im Tagblatt der Südtiroler, über die Beiträge und die Weltanschauung von Dr. Peter Ortner und andere, ähnlich "weltfremde" - sagt der Wachstumsapostel - Zeitgenossen.
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Das ärgert mich noch heute, denn ich mag die Beiträge von Dr. Peter Ortner sehr. Die Denke dieses Mannes ist sehr "slow", ob er das  nun weiß oder nicht. Vermutlich ist er einfach nur Heimatschützer und Traditionalist. Ich bin weder das eine noch das andere, aber unser Land, seine Natur, Kultur und auch die Geschichte mag ich trotzdem sehr. Und ich kann auch gar nicht nachvollziehen, was da "weltfremd" dran sein soll, wenn einer der Meinung ist, dass irgendwo auch Schluss sein muss mit dem immer-mehr-und-immer-weiter-mit-noch-mehr. Mir jedenfalls ist "slow" sehr viel sympathischer als „fast“ und ich wage die Behauptung, dass in Wahrheit Wachstumsprediger wie der bösartige Leserbriefschreiber weltfremd sind und in ihrer Entwicklung stehen geblieben.

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Michael Thaler Wed, 03/27/2013 - 16:33

Dass es Wachstum braucht, leuchtet mir ein. Das muss aber nicht gleich den Ausverkauf der Heimat und die Verschandelung der Natur bedeuten. Nachhaltiges Wachstum ist das Gebot der Stunde. Das wiederum bedeutet nicht, dass jede alte Ruine denkmalgeschützt und Neubauten kategorisch verhindert werden müssen. Ich bin ja selbst ein hoffnungsloser Nostalgiker, der sich beim Wegwerfen von altem Krempel unglaublich hart tut, und dem bei jedem kleinen Notizzettelchen ein bisschen das Herz blutet, weil auch an ihnen eine kleine Erinnerung haftet. Aber manchmal muss man einfach loslassen können und Mut zur Veränderung, zum Neuen haben, nach Vorne schauen, weitergehen.

Wed, 03/27/2013 - 16:33 Permalink
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Sylvia Rier Wed, 03/27/2013 - 17:07

unterschreiben, glatt, mit nur einer Ausnahme: Nur weil etwas alt ist, ist es noch lange kein Krempel :-) Aber vor allem bei Gebäuden ist die Sache schon ein bißchen haarig, finde ich. Ich seh's halt bei mir im Dorf, wo alte Häuser eins nach dem anderen verschwinden und durch gesichts- und seelenlose Allerwelts-Neubauten, womöglich gar noch mit pseudo-altem Anstrich, das ist dann richtig lustig, ersetzt werden. Was am Ende bleibt, ist Langeweile. Dabei gibt es sehr schöne Beispiele, wie Altes mit Neuem ganz wunderbare Verbindungen eingehen kann, wenn man nur will. Ich finde überhaupt, die schönsten Gebäude sind die, denen man ansieht, wie sie über Generationen, mit ihnen und an sich verändernden Anforderungen/Bedingungen gewachsen sind. Auch gut der Sager, den ich irgendwann mal gelesen habe: Welchem Adeligen wäre es je eingefallen, sein Schloss abzureißen, weil es alt ist?

Wed, 03/27/2013 - 17:07 Permalink
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Oskar Egger Wed, 03/27/2013 - 20:26

In reply to by Sylvia Rier

....Wachstum muss ganzheitlich gesehen werden und deshalb Wachstum an Lebensqualität beinhalten, sonst erliegen wie dem Trugschluss, dass die Herstellung von unnützen Weihnachtsmännern, die sich jemand dummerweise an seinen Balkon hängt oder der Spritverbrauch im Stau zum Wachstum beiträgt, nicht aber die Bearbeitung eines eigenen Gemüsegartens. Hier geht die allgemeine Fehlinterpretation von Wachstum politisch von links nach rechts.

Wed, 03/27/2013 - 20:26 Permalink
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Michael Thaler Thu, 03/28/2013 - 23:00

In reply to by Sylvia Rier

aus volkswirtschaftlicher Sicht hat Wachstum den Sinn, überhaupt erst Beschäftigung zu schaffen. Gerade in Zeiten der Automatisierung, wo laufend menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wird, kann Wachstum in neuen Branchen (z.B. die sogenannte Kreativwirtschaft) sehr wohl dienlich sein. Außerdem gibt es ohne Wachstum nicht jene Gewinne, die neue Investitionen ermöglichen, bzw. die Zinsenzahlung für Investitionen geliehenes Fremdkapital. Ein weiteres mir sehr einleuchtendes Argument für Wachstum ist jenes, dass unser Wirtschaftssystem ansonsten zu einem Nullsummenspiel würde, in welchem man sich grundsätzlich nur auf Kosten von anderen bereichern könnte. Sogar die Verfechter der stationären Wirtschaft geben zu, dass ein Wachstum von 1 bis 2 Prozent weiterhin notwendig wäre, um das kapitalistische System überhaupt aufrecht zu erhalten. Jedoch sollte das Wachstum, wie von medi@tion geschrieben, auch meiner Meinung nach nicht Selbstzweck sein, sondern dem allgemeinen Wohlbefinden dienen, in all seinen Facetten.

Thu, 03/28/2013 - 23:00 Permalink
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Martin Federspieler Wed, 03/27/2013 - 20:23

Ohne Wachstum können wir keine neue Schulden mehr machen und die alten brechen uns das Genick.
Wachstum = Aufschub der Stunde der Wahrheit
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich für diese bereit wäre.

Wed, 03/27/2013 - 20:23 Permalink
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Sebastian Felderer Mon, 04/01/2013 - 08:54

Unser Land, seine Natur, unsere Kultur und auch die Geschichte mag ich auch und fühle mich deshalb auch nicht als Heimatschützer oder Traditionalist. Ich schätze vielmehr die Definition: Tradition bedeutet nicht, die Asche weiterzugeben, sondern das Feuer.

DerProzess der Verlangsamung ist voll im Gange. Immer mehr Menschen, welche die Möglichkeit dazu finden, folgen diesem Trend.
Schon Alexander Langer hat die Worte geprägt: Weniger ist mehr.
Er wurde aber überhört, weil die Wachstumsprediger die Oberhand haben und diese Rolle nicht gerne abgeben werden. Sie sind deshalb nicht weltfremd, sondern leben in ihrer Welt recht gut, jedenfalls nach ihrem Wohlstandsbegriff. Doch sie sind menschenfeindlich, egoistisch,
um nicht zu sagen brutal und kriminell.
Die Geschichte lehrt uns, dass jedes ungesunde Wachstum und nicht nachhaltige Wirtschaften früher oder später ein Ende, meistens ein jähes Ende hat. Doch der Mensch ist ein Herdentier und läuft gerne der Masse nach. Er bedenkt dabei aber nicht, dass die Herde im Tierreich der Menschenherde gegenüber einen gewaltigen Vorteil hat: die Leithammel sind immer die Intelligentesten und die Besten, welche für die Herde auch Verantwortung tragen. Bei uns steht dies nur in der Werbung oder auf dem Wahlplakat. Dann geht es meistens nur um die eigene Brieftasche.
Und es heißt so schön: Ja, so ist das Leben, eben.

Mon, 04/01/2013 - 08:54 Permalink
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Sebastian Felderer Mon, 04/01/2013 - 11:37

Verehrte Silvia, das ist unsere Aufgabe bis zum Oktober dieses Jahres. Wir haben die Chance, versuchen wir sie zu nutzen, so gut wie möglich. Mit vereinten Kräften und eisernem Willen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Die derzeitige Situation müsste eigentlich der Herde die Augen öffnen, doch unser Geruchsinn ist schwach und unser Gedächtnis noch schwächer. Geld stinkt nicht und wir vergessen so schnell.

Mon, 04/01/2013 - 11:37 Permalink