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Die Maria Callas der arabischen Welt

Transart zeigte Shirin Neshats "Auf der Suche nach Oum Kulthum" vorab: Ein Film über Karrierefrauen im mittleren Osten.
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Foto: Looking for Oum Kulthum
Transart zeigte in Kooperation mit der Female Views Reihe des Filmclubs in Bozen den neuen Film von Shirin Neshat „Auf der Suche nach Oum Kulthum“.
Oum Kulthum war eine ägyptische Sängerin des letzten Jahrhunderts, die im ganzen arabischen Raum bekannt war, und von allen Bevölkerungsschichten verehrt wurde. Die preisgekrönte Iranerin Shirin Neshat, die sich in erster Linie als bildende Künstlerin, nicht als Regisseurin begreift, hat sich nicht der Persönlichkeit der Sängerin genähert, sondern einen Film über das Filmemachen gedreht.

Eine unangetastete Ikone

Schon der erste Spielfilm von Shirin Neshat, „Women Without Men“, der die Lebensgeschichten verschiedener Frauen im Iran zur Zeit des Militärputschs von 1953 verknüpft, setzt sich mit dem Frau-Sein im Nahen Osten auseinander. Und auch in „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ stehen drei Frauen im Mittelpunkt, die ihr Leben in einer patriarchalen Gesellschaft auf verschiedene Art und Weise meistern. Wer sich allerdings einen Film des Typs „starke Frau befreit sich von der Repression und findet dadurch zu sich selbst“ erwartet, wird enttäuscht werden. Shirin Neshats neues Werk folgt nicht den Anforderungen für packendes Storytelling, sondern ist eher ein Nacheinander von bildlich starken Szenen. 
 
Hauptperson ist die energische Regisseurin Mitra, die einen biographischen Film über Oum Kulthum dreht. Die Kamera folgt ihr auf der Suche nach einer passenden Hauptdarstellerin, die sie in der schüchternen Lehrerin Ghada findet, auf das Set, wo opulent die Szenen aus dem Leben der Opernsängerin nachgestellt werden und in die Einsamkeit ihres Hotelzimmers, in die sich die Regisseurin geplagt von Gewissensbissen zurückzieht, wenn wieder Nachrichten ihres Sohnes eintreffen, den sie im Iran zurückgelassen hat. Mehr erfährt man über diese Nebengeschichte allerdings nicht, der Konflikt Karriere-Familie bleibt angedeutet. Die Dialoge über die sexistischen Anfeindungen am Set sind etwas platt. Im Gesamtpaket führt das dazu, dass man die Zerrissenheit der Regisseurin zwar beobachten und mitfühlen, aber nicht immer ganz nachvollziehen kann.

Regisseurin im Spiegelbild

In der iranischen Regisseurin Mitra, die sich der arabischen Ikone nur mit Schwierigkeiten nähern kann, spiegelt sich Shirin Neshat selbst. Wer kein Arabisch spricht, könne nicht nachvollziehen, wie magisch es wirkte, wenn Oum Kulthum sang, meint eine Ägypterin im Film etwas feindselig zu Mitra. Und es erstaunt tatsächlich, welch ekstatische Wirkung der Gesang auf Menschen überall im arabischsprachigen Raum gehabt hat. Oum Kulthum wurde früh entdeckt, als sie den Gesang ihres Vaters, eines Imams imitierte. Zuerst trat sie in Jungenkleidern auf, dann kam sie nach Kairo, sang zuerst für den westlich-europäisch orientierten König und nach dem Putsch für dessen Nachfolger Nasser. Zur Beerdigung der „Maria Callas der arabischen Welt“ kamen 4 Millionen Menschen.
 
Im Skype-Interview mit Mohsen Farsad, der mit 15 vor dem Krig im Iran nach Deutschland floh und heute in Bozen als Primar für Nuklearmedizin arbeitet, bezeichnet die in New York im Exil lebende Shirin Neshat den Film als „Spiegel für die eigenen Herausforderungen“. Wie Ohm Kulthum sei sie Frau und Künstlerin des mittleren Ostens, das habe sie neugierig auf diese Figur gemacht. Allerdings hat die herzliche und bescheidene Shirin Neshat wenig von der Verbissenheit, Arroganz und Zerbrechlichkeit des Alter Egos Mitra – jedenfalls wirkt sie im Skype-Gespräch nicht so. Versteckt sie diese Eigenschaften nur? Der Film lädt auch dazu ein, zu reflektieren, welche Charakterzüge einen an Frauen mehr stören als an Männern.
 

"Filme über berühmte Frauen haben fast immer denselben Verlauf: Man sieht sie aufsteigen und fallen."

Für ihre Entscheidung gegen ein klassisches Biopic führt Shirin Neshat zwei Gründe an: „Filme über berühmte Frauen haben fast immer denselben Verlauf: Man sieht sie aufsteigen und fallen. Ein klassisches Beispiel ist Amy Winehouse. So einen Film wollte ich nicht machen. Außerdem wäre es auch nicht möglich gewesen, denn Oum Kulthum hat geschafft, das Bild einer Ikone ihr Leben lang aufrecht zu erhalten.“ Es habe zwar Diskussionen darüber gegeben, ob die Sängerin möglicherweise homosexuell sei, und manche hätten ihr vorgeworfen, dass sie das im Film nicht thematisierte, sagt Shirin Neshat. „Aber das geht doch niemanden etwas an. Auf meinen jahrelangen Recherchen habe ich auch ihre Familie getroffen. Selbst dort erlaubte sie sich nicht, offen Schwäche zu zeigen. Sie wollte ein Monument bleiben, und das respektiere ich.
Das Gespräch mit der Regisseurin ordnet einiges ein und macht die Absichten hinter ihrer Erzählung klarer. Für sich betrachtet ist „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ jedoch zwar ein durchaus interessanter Film, aber seine Stärken liegen eindeutig in der Ästhetik und in den Musikszenen und nicht in den Dialogen und Figuren. Denen fehlt es an Tiefe.
 

Weitere Termine: Transart Finale und Monika Hauser

An diesem Wochenende geht Transart dann mit den folgenden Programmpunkten auch schon zu Ende:
  • Freitagabend wird Friedrich Zelniks Stummfilm „Die Weber“ auf Basis von Gerhart Hauptmanns gleichnamigen Theaterstücks in der Bahnhofsremise gezeigt – das Haydn Orchester spielt die Filmmusik.
  • Samstagvormittag zeigt Michael Fliri in der Franzensfeste die Performance „Polymorphic Archetypes“
  • Samstagabend gibt es Musik und Performances auf Schloss Gandegg: Der Komponist und Objektkünstler Charlemagne Palestine ist zu Gast beim Künstlerduo Island Songs.
  • Sonntagvormittag macht Margaret Leng Tan im Museion mit Spielzeugen Musik
  • Sonntagnachmittag treten die Neuen Vocalsolisten Stuttgart am Wirtshof in Jenesien auf

 

  • Am Montag, den 3. Oktober gibt es dann den nächsten Film der Female-Views Reihe: Ein Porträt von Monika Hauser, Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Im Anschluss an den Film gibt es eine Diskussion mit Monika Hauser und den Filmemacherinnen Evi Oberkofler und Edith Eisenstecken