Gut Leben im "Armenhaus Brasiliens"

Landbesitz als Schlüssel zur Selbsthilfe

Die katholische Landpastorale im Brasilianischen Nordosten (=CPT) will Kleinbauern der ärmsten und trockensten Region des Landes eine Perspektive geben. Nur ausreichender Landbesitz sowie eine lokal angepasste und nachhaltige Landwirtschaft können dies ermöglichen.
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

22 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer, rund 12 Prozent der Bevölkerung, leben heute im halbtrockenen Nordosten. Das semiaride Gebiet wird jeweils nur während wenigen Monaten von Regenfällen heimgesucht, weshalb sich Halbwüsten bilden. Die 969‘589km² bilden die weltweit am dichtesten besiedelte halbtrockene Region – mit entsprechenden Problemen.

Das Gebiet ist geschichtlich geprägt von grossen sozialen Ungerechtigkeiten und Missständen. Noch heute leben dort laut dem Integrationsministerium 58 Prozent der gesamten armen Bevölkerung Brasiliens. Hauptgrund für grosse Konflikte und soziale Spannungen bis zum heutigen Tage ist die ungerechte Landbesitzverteilung. Insgesamt 92 Prozent aller Kleinbauernfamilien besitzen nicht ausreichend Land. Der Kleinbauer Daniel beschreibt die Situation wie folgt: „Als der Fazendeiro uns von unserem kleinen Feld vertrieb, haben wir alles verloren. Er hat uns einfach eingezäunt und seine Rinder hineingetrieben. Sie haben unsere Ernte zertrampelt und aufgefressen. Mein Vater musste damals als Tagelöhner an den verschiedensten Orten um Arbeit suchen. Es war eine sehr schwierige Zeit für uns und oft hatten wir nicht genug zu essen.“ Dazu kommen schwierige klimatische Bedingungen für die Landwirtschaft. In den kurzen Regenperioden von wenigen Monaten sind die Niederschläge regional und temporal meist sehr schlecht verteilt. Zusätzlich ist das Verdunstungspotenzial deutlich höher als die durchschnittliche Regenmenge. Fast die Hälfte der lokalen Vegetation, die in dieser Art und Weise nur im brasilianischen Nordosten vorkommt, wurde laut dem Umweltministerium bereits zerstört. Dies führt dazu, dass es in mehreren Regionen dieses Gebietes bereits zu Wüstenbildungen gekommen ist.

Seit der Kolonialisierung dieses Gebietes vor gut 500 Jahren und vorallem während des letzten Jahrhunderts wurde stets versucht, die oben angesprochenen Konsequenzen zu mildern. Die Machthabenden bekämpften dabei jedoch lediglich die Symptome. Oder schlimmer noch, wegen der hungernden Menschen und katastrophalen Situationen legten sie fehlgeleitete staatliche Hilfsprogramme auf. Denn von den Mitteln, den neuen Krediten sowie steuerlichen Anreizen profitieren fast immer die Falschen. Viele der Tiefbrunnen, Staudämme und Bewässerungsanlagen die gebaut wurden, finden sich heute auf Privatgrundstücken oder Rinderfarmen derselben Machthabenden oder ihnen nahestehenden Angehörigen und Freunden. Somit konnten sie über die Jahre ihre Machtpositionen stärken und zwangen die Bevölkerung in ein Abhängigkeitsverhältnis von Regierungsprogrammen.

Parallel zu dieser gewachsenen Struktur gab es aber auch immer schon kritische Stimmen. In diesem Zusammenhang gelang es in den letzten Jahrzehnten, und vorallem seit den 80ziger Jahren durch die Bewusstseinsbildung und Stärkung der Basisgemeinden, der Zivilgesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen durch Mithilfe der CPT (Landpastoralkommission) an konkreten Alternativen zu arbeiten. Basierend auf einem neuen Modell, nämlich der „Convivência com semi-árido“ (Gutes Zusammenleben mit und im semiarido-Gebiet) wird versucht die Autonomie und den politischen Einfluss der lokalen Bevölkerung zu stärken. Es geht darum zu verstehen wie man gut mit den lokalen Begebenheiten zusammenleben kann, denn die Natur und die klimatischen Bedingungen können nicht bekämpft werden. Dies ist für die Kleinbauernfamilien allerdings nur dann möglich wenn sie den notwendigen Zugang zu ausreichend Land haben. So betont der Kleinbauer Daniel aus dem Dorf Barreiras in Jacobina: „Heute ist alles anders. Wir haben uns zusammengetan und ein schon lange brachliegendes Land besetzt. Nach gut sieben Jahren in einfachsten Hütten, bedeckt mit Plastikplanen, ist es uns gelungen: Das Land gehört uns. Hier haben wir nun Wurzeln geschlagen, es kann uns niemand mehr vertreiben. Wir haben uns unsere Freiheit erkämpft, uns geht es jetzt viel besser. Auf unseren Feldern können wir Bohnen, Mais, Mandiok und andere Dinge anpflanzen. Wir haben Wasser, das wir in unseren Zisternen auffangen und das uns über die trockenen Monate hinweghilft. Wir wohnen in guten Häusern und unsere Kinder können hier eine Schule besuchen.”

Es ist wichtig das die Bauern bescheid wissen über die verschiedenen Möglichkeiten wie man Regenwasser auffangen und angepasste Landwirtschaft betreiben kann, sowie, dass sie schon von klein auf über eine angepasste Schulbildung die lokalen Begebenheiten wertschätzen lernen können.

Die CPT Bahia setzt diese Alternativen gemeinsam mit Basisgemeinden und anderen Organisationen um. Mit Agroökologie und nachhaltigen, naturnahen Landwirtschaftskreisläufen können Kleinbauern auch im Trockengebiet ein Einkommen und eine Perspektive finden. Gefördert werden vorallem Projekte, um Regenwasser für Menschen und Tiere aufzufangen (etwa Zisternen), die nachhaltige Nutzung der Vegetation für die Kleintierzucht, die Wiederaufforstung, die Kompostierung für Dünger, oder der Trockenfeldbau. Es wird versucht auf angepasste und schützende Art und Weise mit den lokalen Resourcen umzugehen. Dabei ist es notwendig die lokalen Begebenheiten gut zu kennen, um das fragile System nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Über die Jahre ist es gelungen unter der Bevölkerung ein neues Bewusstsein zu schaffen, über die verschiedenen Möglichkeiten, um in diesem ehemals als „Armenhaus“ verufenen Gebiet gut leben zu können. Nur eine angepasste Landwirtschaft kann auch in der Tat langfristig nachhaltig sein und die natürlichen Lebensgrundlagen für die heutige und künftige Generation bewahren.