Society | Der Blick von außen auf die Landtagswahlen 2013

Abschied vom Altbauern

Die Südtiroler Landtagswahlen aus dem Blickwinkel deutschsprachiger Medien: von blauen Augen, Parallelgesellschaften und dem Ende eines Politikstils, der sich am patriarchalisch geführten geschlossenen Hof orientiert.


Gleich hinter dem Brenner ist man am nächsten an Südtirols Geschehen dran – und sieht ein „Blaues Auge für die Südtiroler Volkspartei“, wie die Tiroler Tageszeitung am Dienstag titelt. Denn: „Erstmals, und das mussten die Parteigänger erst verkraften, war der Mythos von der Sammelpartei, die Südtirol absolut regiert, Geschichte“, schreibt Peter Nindler. Gleichzeitig hätten sich jedoch mit Kompatscher auch die Unbequemen und Erneuerer in der SVP an der Wahlurne durchgesetzt. Die Konsequenzen analysiert in der TT unter anderem Günther Pallaver.

Für den Innsbrucker Politikwissenschafter Günther Pallaver ist deshalb auch der Handlungsspielraum von Arno Kompatscher größer geworden, „weil auch die kritischen Kräfte innerhalb der Partei dazugewonnen haben“. Außerdem werde sich Kompatscher in einer Koalitionsregierung leichter tun als Durnwalder. „Er bindet die Menschen mehr und hat ein anderes Politikverständnis. Das ist in einer Koalition sicher von Vorteil.“

Einen interessanten Aspekt des Wahlergebnisses beleuchtet Gerhard Mumelter im österreichischen Standard. Während in den fast ausschließlich deutschsprachigen Landgemeinden ein Viertel aller Wähler die Los-von-Rom-Parteien unterstützt, wachse die Verunsicherung der italienischen Stadtbevölkerung, die vergeblich von einer ethnischen Sammelpartei nach Vorbild der SVP träume, aber mit fünf verfeindeten Splitterparteien vorliebnehmen muss.

Zwischen den Parallelgesellschaften gibt es kaum Berührungspunkte. Man geht sich aus dem Weg. In den Landgemeinden nimmt die Einsprachigkeit zu. Eine Abtrennung von Italien wird als durchaus realistische Möglichkeit propagiert. Südtirols urbane Gesellschaft ist davon aber meilenweit entfernt. Sie hält den verbissenen Streit um einsprachige Wegweiser für hinterwäldlerisch. Es sind zwei Welten, die einander ignorieren. Doch wie die Wahl zeigt, könnten sie schon bald ernsthaft aneinandergeraten.

Ein breit angelegtes Porträt des politischen Südtirols bringt die deutsche Welt: Unter dem Titel „Neue Zeitrechnung hinterm Brenner“ skizziert die Zeitung den „politischen Stilbruch“, den sie im Übergang von Durnwalder zu Kompatscher wahrnimmt.  Zu Wort kommen nicht nur Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager, der unter anderem die Lanze für einen funktionierenden Flughafen bricht, oder der Südtiroler Politikwissenschaftler Roland Benedikter,  der von Kalifornien aus die Chancen auf eine politische Erneuerung in Südtirol beurteilt, sondern auch Kompatscher selbst. Ein Mann, der aussieht wie der moderne Manager, schreibt die Welt – und dessen Sprache gespickt ist mit Vokabeln wie "Transparenz", "Teamspieler", "Netzwerker", "Richtlinienkompetenz", "Realpolitik", "maximale Eigenständigkeit", "Subsidiaritätsprinzip" und "Brückenfunktion".

Seine Aussagen relativiert er gern. Statt des "Ich" bevorzugt er das "Wir". Befragt zu seinem Vorgänger sagt er: „Ich sehe mich nicht als Antipode zu Durnwalder." Er sagt aber auch: "Die Bevölkerung erwartet, dass man davon abgeht, dass das Land wie ein geschlossener Hof geführt wird, wo der Bauer halt bestimmt und alles sehr patriarchalisch aufgebaut ist."