Society | Unwetter

Südtirol für Katastrophe gerüstet

Hochwasser, Muren, Überschwemmungen – im ganzen Land herrscht Alarmstufe Rot. “Die Lage ist kritisch”, melden die Einsatzleiter. Ein Bürgertelefon wurde eingerichtet.
Einsatz Brennerautobahn
Foto: FF Klausen

Zweieinhalb Mal so viel Regen wie durchschnittlich im gesamten Monat Oktober sind seit Samstagfrüh in Sterzing gefallen. Mit 175 l/m2 ist Sterzing somit die nasseste Stadt Südtirols.
Doch Verschnaufpause gibt es keine. Seit den Nachmittagsstunden regnet es wieder verbreitet und stark. Dazu kommen Gewitter. Im Hochgebirge schneit es ohne Unterlass. So sind etwa in Sulden bereits ein Meter Neuschnee gefallen. “Der Höhepunkt ist am Abend zu erwarten”, meldet Landesmeteorologe Dieter Peterlin.

Aufgrund der anhaltenden Niederschläge spitzt sich die Situation in vielen Teilen des Landes zu. Der Zivilschutzstatus wurde gegen Mittag auf die Höchststufe Rot erhöht: CHARLIE steht für die Alarmstufe – “eine Notlage ist aufgetreten, die betroffenen Zivilschutzzentren sind aktiviert, ein Katastrophenfall ist möglich.

“Der Boden kann heute nur mehr wenig Wasser aufnehmen, damit steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit für Murenabgänge. Auch die größeren Flüsse dürften am Abend und in der kommenden Nacht vermehrt die Hochwassermarken erreichen. Die Feuerwehren werden in diesen Fällen Brücken- und Deichkontrollen durchführen”, informieren die Feuerwehren, die ebenso wie das Land Südtirol die Bevölkerung auch über die sozialen Netzwerke laufend mit Informationen versorgen – wofür ihnen unzählige Menschen in Kommentaren danken.

In den Nachtstunden spitzt sich die Situation voraussichtlich zu, vor allem bei der Etsch bei Branzoll, wo die Hochwasserschwelle gegen 6 Uhr früh erwartet wird. Kritisch kann die Situation auch bei der Rienz bei Vintl werden, wo die Hochwasserschwelle voraussichtlich um 4 Uhr früh erreicht wird.

Die SASA informiert, dass es bis zum Ende der Notstandsituation auf den städtischen Linien in Bozen, Meran und Leifers zu Umleitungen und/oder Einstellungen wegen Zivilschutzalarmes kommen kann. “Bozen ist bereit für die nächsten Stunden”, lässt der zuständige Stadtrat Luis Walcher wissen.

 

Bürgertelefon eingerichtet

“Um die Landesnotrufzentrale nicht zu überlasten, sollte die Notrufnummer 112 nur in dringenden Fällen und nicht zu Informationszwecken kontaktiert werden”, heißt es aus den zuständigen Stellen.

Im Landeslagezentrum bei der Berufsfeuerwehr in Bozen laufen die Fäden zusammen, von dort aus werden sämtliche Einsätze in Abstimmung mit den Einsatzzentralen in den Bezirken koordiniert. “Die Lage ist kritisch. Alle Zivilschutzeinheiten sind deshalb einbezogen und bereit. Die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, jene Abschnitte von Straßen, Radwegen und Infrastrukturen oder auch Baustellen im Auge zu behalten, die sich in der Nähe von Wasserläufen befinden”, heißt es nach der Sitzung der Landesleitstelle am Vormittag. Teilgenommen haben neben dem Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz Rudolf Pollinger auch Landesrat Arnold Schuler sowie Regierungskommissär Vito Cusumano, Landesgeologe Volkmar Mair, der Präsident der Freiwilligen Feuerwehren Wolfram Gapp, der technische Direktor der Autobahn A22 Carlo Costa und in Vertretung der Staatseisenbahn RFI Alberto Regaiolo

Seit 13 Uhr sind unter der kostenlosen Grünen Nummer 800751751 am Bürgertelefon Informationen erhältlich.

Die nächste Sitzung der Landesleitstelle ist für 18 Uhr einberufen.

 

A22 wieder befahrbar

In ganz Südtirol sind die Feuerwehren seit Sonntag Morgen im Dauereinsatz. Nach den Murenabgängen, Steinschlägen und Erdrutschen der letzten Stunden laufen die Aufräumarbeiten des Straßendienstes auf Hochtouren. Alle 480 Straßenarbeiter sind derzeit im Einsatz oder in Bereitschaft. Die aktuellen Straßensperren sind auf der Webseite der Verkehrsmeldezentrale Südtirol einsehbar.

Zwischen Sterzing und Brenner ist die A22 nach einer erneuten Sperre am Vormittag – ein Strommast drohte einzustürzen – wieder zweispurig befahrbar. In beiden Richtungen ist jeweils eine Fahrspur geöffnet, es gibt Stau in beiden Richtungen. 

Am Sonntag Abend war fünf Kilometer vor der Grenze eine Mure niedergegangen. “Das Grundproblem war, dass die Hänge komplett ausgetrocknet waren und innerhalb kürzester Zeit 200 l/m2 niedergegangen sind. Daraus hat sich eine Hangmure entwickelt”, berichtet David Tonidandel vom Amt für Geologie und Baustoffprüfung, der die Lage vor Ort besichtigt hat. “Am Sonntag Abend haben sich die Gräben in reißende Bäche verwandelt und Autobahn, Staatsstraße und Eisenbahn überschwemmt”, bestätigt der Vizebürgermeister der Gemeinde Brenner, Franz Plattner.

Noch stehen bange Stunden bevor. “Wir wünschen allen Einsatzkräften einen sicheren Tag und eine sichere Nacht”, so die Feuerwehren in Südtirol auf Facebook.