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„Hohe Sprünge und spektakuläre Manöver“

Das Kite-Surfen: ein junger Sport und in Südtirol nicht stark vertreten. Matthias Lancsár über das Kiten, seine Karriere und eine mögliche Zukunft in der Kite-Szene.
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Foto: Salto.bz

Italien ist ein von Wasser umgebenes Land und auch innerhalb des Gebietes befinden sich reichlich Seen. Dies gibt der Bevölkerung die Möglichkeit, verschiedenste Wassersportarten zu praktizieren. Darunter findet man auch das „Kite-Surfing“, eine unter den Wassersportarten jüngere Variante, die aber an immer mehr Popularität gewinnt. Beim Kiten bewegt man sich auf einem Board stehend mithilfe eines Lenkdrachens, der auch Kite genannt wird, auf dem Wasser fort. Durch die Kombination aus Wellen und der Haltung des Drachens kann man hohe Sprünge machen, die zu Tricks einladen.

Da man für diese Sportart starken Wind und große Flächen benötigt, wird Kitesurfing in Südtirol nur bedingt praktiziert. Man sieht die bunten Lenkdrachen auf dem Kalterer- oder auf dem Reschensee. Der Reschensee ist vor allem bekannt im Winter. Auf Eis wird dort das „Snowkiten“ ausgeführt, auch die Snowkite World Championsship wird dort ausgeführt. Südtirol hat aber auch Sportler, die diesen Sport praktizieren und sogar Erfolge einfahren konnten.

Matthias Lancsár, 1999 in Bozen geboren und wohnhaft in Eppan, ist aktuell einer der bekanntesten Kite-Surfer Südtirols. Bereits mit 15 Jahren gewann er die Italienmeisterschaft und machte somit auf sich aufmerksam. Ein Jahr später, bei der Weltmeisterschaft in Holland, schaffte er es von 59 Teilnehmern auf den neunten Platz und machte sich somit auch international einen Namen. Seit zwei Jahren studiert er Sportwissenschaft in Innsbruck und hat Wettkämpfe somit vorerst außen vorgelassen. Dennoch geht er seiner Leidenschaft regelmäßig nach und verdient auch sein täglich Brot mit Media Content, wie Fotos und Videos in sozialen Medien, den er für Cabrinha, eine Kitesurfer-Marke, produziert.

Salto.bz: Matthias, kannst du mir erzählen, wie du zum Kitesurfen gekommen bist?

Matthias Lancsár: Das erste Mal habe ich 2011 im Urlaub in Ägypten bei Soma Bay gekitet, gemeinsam mit meinem Bruder. Für zwei bis drei Jahre habe ich nur im Urlaub gekitet, also immer für ein paar Wochen einmal im Jahr. 2013 habe ich begonnen, häufiger zum Gardasee zu fahren. Ich habe dann auch im Sommer längere Wochenenden eingelegt und in diesen gekitet.

Inwiefern haben deine Eltern in deiner früheren Karriere eine Rolle gespielt?

Meine Eltern haben in meiner Karriere eine große Rolle gespielt. Sie haben mir viel ermöglicht, vor allem zu Beginn, als sie mich noch ein bisschen leiten mussten. Am Anfang war ich auch noch zu jung, um alles selbst zu entscheiden. Zudem wurde ich von ihnen oft zum Gardasee gefahren, der See, bei dem ich am meisten trainiert habe.

Das wertvollste, das mir das Kiten gegeben hat, sind die vielen Orte, zu denen ich gekommen bin. Ohne das Kite-Surfen hätte ich diese nie entdecken können.

Wie wurde aus dem Kitesurfen mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung?

Ich bin 2014 das erste Mal im Sommer allein von daheim weg. Ich bin nach Spanien zu Kiterkollegen gefahren. Da habe ich auch bei meiner ersten Weltmeisterschaft mitgemacht, bei der "PKRA Junior". Ich konnte von 28 Teilnehmern den 13. Platz ergattern. Das war mein erster Wettkampf und so auch meine erste Erfahrung in der Kitewelt.

Was ist deiner Meinung nach die Hauptkategorie des Kitesurfens?

Die Königsdisziplin des Kitens ist definitiv das Freestylen. Diese bekommt auch am meisten Aufmerksamkeit, weil sie am spektakulärsten ist. Dort geht es darum, technisch anspruchsvolle Tricks auszuführen. In den letzten Jahren kommt allerdings auch immer mehr das Big-Air-Kiten zum Vorschein.

Was genau ist Big-Air-Kiten?

Dort geht es nicht um die technische Ausführung der Tricks, man fährt also nicht im „Wakestyle“, wo man das Wakeboarden nachahmt. Es geht vielmehr um hohe Sprünge und spektakuläre Manöver. Zum Beispiel zieht man das Brett in der Luft mit der Hand von den Füßen weg, oder man macht Loopings mit dem Kite. Das sind sehr hohe Sprünge und für jemanden, der von außen zuschaut, ist das viel spektakulärer als normaler Freestyle.

Gibt es auch andere Disziplinen?

Es gibt noch das Wave-Kiten, wo man auf der Welle fährt, ähnlich dem Wellensurfen. Und dann gibt es noch das Foilen, die populärste Renndisziplin. Diese vier sind die eigentlichen Hauptdisziplinen.

Was ist „Foilen“?

Beim „Foilen“ hat man eine lange Finne bei der unteren Brettseite angebaut, an dessen Ende zwei Flügel montiert sind. Durch diese Flügel an der Finne im Wasser kann sich das Brett, sobald man ein bisschen Geschwindigkeit hat, vom Wasser abheben. Heute verwendet man für Renndisziplinen fast nur noch Foilboards. Es gibt „Foils“ mittlerweile auch bei Segelbooten und beim Windsurfen.

Wieso benutzt man heute fast nur noch Foilboards für Renndisziplinen?

Mit dem Foilboard kann man viel höhere Geschwindigkeiten erreichen. Man braucht auch weniger Wind zum Surfen, weil dem Brett ohne Wasserwiderstand weniger Reibung widerfährt. Man kann sagen, dass das Foilbrett das Kiten sehr verändert hat. Zum Beispiel auf der Adriaküste, wo es zwar regelmäßigen Wind gibt, aber immer nur schwachen. Jetzt kann man dort kiten, früher war dies nicht möglich.

Was ist deine Lieblingsturnierart?

Meine Lieblingsturnierart ist definitiv das Freestylen. Ich genieße es aber auch sehr, auf den Wellen zu surfen.

Welcher ist der Trick, mit dem du dich in der letzten Zeit am meisten auseinandergesetzt hast?

Ich hatte im Frühjahr eine Schulteroperation, deswegen bin ich momentan lahmgelegt. Der Trick, mit dem ich mich vor meiner Operation am meisten auseinandergesetzt habe, heißt „Slim Five“: Der Trick basiert auf einer Vorwärtsrolle. Während man mit dem Kopf nach unten gedreht ist, macht man eine 360°-Drehung im Kreis und passt sich dabei die „Bar“ (den Stock, mit dem man den Schirm lenkt und hält) hinter den Rücken herum. Das klingt so ziemlich komplex. Für Außenstehende ist es oft sehr schwierig zu verstehen, was während einem Trick genau passiert, da alles sehr schnell geht.

 

Was machst du im Winter, wenn Kiten nicht möglich ist?

Im Winter snowboarde ich gerne. Vor allem seit ich in Innsbruck bin, gehe ich oft snowboarden. Dort finde ich oft die Gelegenheit dazu. Am liebsten gehe ich „Powdern“, also Tiefschneefahren. Das Gefühl im Tiefschnee ist dem Surfen sehr ähnlich. Ich habe auch im Alter von vier bis 18 Eishockey gespielt. Kitesurfen und Eishockey haben sich sehr gut durch die zeitlich unterschiedlichen Saisons ergänzt.

Kitest du auch in Südtirol?

Ja, ich kite oft auf dem Kalterer See. Im Frühjahr findet man dort meistens starken Wind und das Wasser ist schon angenehm warm. Beim Reschensee hingegen war ich noch nicht kiten. Das Wasser dort ist sehr kalt und der See ist weiter entfernt als der Kalterer See.

Und Snowkiten?

Ja, im Winter bin ich schon ein paar Mal zum Reschensee gefahren, ich war auf dem Eis Snowkiten. Der Reschensee ist ziemlich berühmt fürs Snowkiten, dort findet auch die World Championsship statt.

Was ist für dich das Besondere beim Kiten?

Das, was mir beim Kiten sehr gut gefällt, ist die Freiheit. Man ist auf dem Wasser und kann einfach dorthin fahren, wohin man will. Anders als beim Wakeboardfahren, das von der Ausführung her dem Kiten ähnlich ist, fährt man nicht immer in der Anlage dem Kabel nach. Beim Kiten hingegen bewegt man sich fast frei mit dem Wind, es ist relativ einfach zu beherrschen und lässt einen praktisch in jede Richtung fahren. Das wertvollste, das mir das Kiten gegeben hat, sind die vielen Orte, zu denen ich gekommen bin. Ohne das Kite-Surfen hätte ich diese nie entdecken können.

Wo hat dich das Kiten überall hingebracht?

Ich war ein paar Mal in Brasilien. Brasilien ist das Kiter-Mekka, da hat man das ganze Jahr über 24 Stunden die Woche Wind. Man könnte also Tag und Nacht durchfahren. Es gibt dort Flachwasserlagunen, die zum Freestylen perfekt sind. Sonst war ich ein paar Mal in Spanien an der Costa Brava, ich war in Frankreich, Ägypten, in Kenia, Mexiko und auch anderswo.

Was ist der beste Spot in Italien?

Der Spot in Italien, der Brasilien am nähesten kommt, ist Lo Stagnone in der Nähe von Marsala in Sizilien. Dort gibt es auch eine Flachwasserlagune, die ein paar Hektar groß ist.

Welche Orte haben dir am besten gefallen?

Mein Lieblingsspot zum Freestylen war definitiv Brasilien. Vom Lebensaspekt her war es Kenia. Dort waren wir außerhalb der Saison, wir sind gleich nach der Matura 2018 gestartet. Meine Freundin und ich waren die einzigen Touristen im Dorf, wir waren ziemlich isoliert. Da ist man den Bewohnern sehr nahegekommen. Mich hat es erstaunt, mit wie wenig sich diese Leute zufriedengeben und wie wenig es brauchen kann, um glücklich zu sein. Auch vom Kite-Aspekt her war es der Hammer: Wir hatten hellblaues Wasser, einen weißen Strand und viel Wind.

Hast du beim Kiten schon einmal Haie getroffen?

Haie habe ich noch keine gesehen. In Cabarete in der Dominikanischen Republik gab es sehr viele Schildkröten, auch richtig große. Selten sieht man aus der Entfernung auch Wale, ich habe aber noch keinen aus der Nähe gesehen.

 

Was ist der Unterschied zu anderen Surfarten?

Ich finde Kiten extremer als Windsurfen oder Surfen, weil man eben so hoch hupfen kann. Kiten kann zudem auch sehr divers sein. Es gibt so viele Ausführungen vom Kiteboarden, zB.: Wellenreiten, hoch hüpfen, schnell fahren, freestylen. Es ist ein sehr vielseitiger Sport.

Was sind deine Pläne für diesen Sommer?

Ich fahre mit meiner Freundin für drei Wochen nach Sardinien. Durch meine Schulteroperation darf ich momentan noch nicht freestylen. So werden wir auf den Wellen kiten. Wir mieten uns einen Jeep und ein Hochstelldach und fahren drei Wochen lang den Wellen nach, eine Art Roadtrip. Wir suchen uns die Bucht aus und schlafen dann am Strand.

Was meinst du mit „den Wellen nachfahren“?

Je nachdem, aus welcher Richtung der Wind kommt, verändert sich die Richtung der Wellen. Wir suchen dann mit dem Jeep die Strände, für die der jeweilige Wind optimal ist. So passen wir uns immer an dem Wind an. Je nachdem, von wo die Wellen kommen, gehen wir zu den Stränden, für die das Kiten am besten geht.

Du studierst jetzt seit zwei Jahren Sportwissenschaft in Innsbruck, wie lässt sich das mit dem Kitesurfen kombinieren?

Seit ich in Innsbruck bin, komme ich leider viel weniger zum Kiten. Mein Homespot war der Gardasee, von dem bin ich jetzt weit entfernt. Wir bekommen von der Uni allerdings trotzdem viele Ferien, von den Winter- über die Semesterferien bis zu den langen Sommerferien. Ich nutz jede freie Woche, in der ich von Innsbruck wegkomme, zum Kiten. So habe ich trotzdem meinen Spaß.

Inwiefern beeinträchtigt das Studium deine Karriere?

Die Zeit, die ich momentan zum Kiten freibekomme, reicht nicht, um eine professionelle Karriere zu führen. Es gibt genug Leute, die viel mehr trainieren, denen komme ich nur schwer hinterher. Aber momentan konzentriere ich mich darauf, Content für meine Sponsoren zu machen und meinen Platz in der Kiter-Szene beizubehalten. Nach dem Studium möchte ich dann wieder durchstarten.

Das, was mir beim Kiten sehr gut gefällt, ist die Freiheit. Man ist auf dem Wasser und kann einfach dorthin fahren, wohin man will.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Die Kite-Welt ist definitiv die Szene, in der ich mich am wohlsten fühle. Ich werde versuchen, einen Beruf in diesem Bereich zu finden. Es gibt unzählige Möglichkeiten, in der Kite-Szene aktiv zu sein. Ich könnte zum Beispiel im Hospitality-Bereich einen eigenen Kite-Club aufmachen. Letztes Jahr habe ich auch die Kite-Lehrer-Ausbildung gemacht. So könnte ich auch eine Kite-Schule eröffnen. Ich halte auch jetzt schon auf dem Gardasee öfters Unterricht ab, lehre Anfängern das Kiten und zeige Fortgeschrittenen neue Tricks. Der sicherste Job ist es wahrscheinlich, in einer Kite-Marke aktiv zu werden, in etwa wie ich es momentan schon mache.

Wie lang könntest du das professionell machen?

Das Alter der professionellen Kiter geht immer weiter nach unten. Die aktuellen Top zehn der Kiter sind alle unter 20 Jahre alt, teilweise gibt es Jungs von 16 bis 18 Jahre, die das Podium füllen. Junge Sportler sind einfach elastischer und können auch noch mehr einstecken.

Aber kann man trotzdem vom Kiten leben?

Um vom Kiten zu leben muss man nicht unbedingt an Wettbewerben teilnehmen. Man kann den Sponsoren auch anderweitig von Nutzen zu sein. Zum Beispiel kann man Material liefern, etwa wie Media Content oder Interviews für Kite-Magazine. Auch als Kite-Lehrer kann man lange aktiv bleiben, Erfahrung ist hier wertvoll. Bei solchen Arbeiten muss man dann nicht körperlich so fit sein wie für Wettbewerbe.