Culture | TUE150331.01

still leben

zwei brillen und eine pfeife

auf dem bild sind zwei sehbrillen und eine pfeife in einer schale zu sehen. so als ob andre kertesz - vermutlich ein fotograf ungarischer abstammung - es schon gewusst haette dass piet mondrian ein stilles leben fuehrte. oder konnte er gar in die weit entfernte zukunft sehen? ohne brillen? im jahre 26 des vorigen jahrhunderts wurde die aufnahme gemacht. als schwarzweiss positiv-abzug. in weiser voraussicht auf 89 jahre spaeter? in der tat, ein stilles leben fuehren wir allemal. nichts ist los in der welt von heute, nichts bewegt sich, kein krieg geht um, keine krise der finanz oder des kapitals peinigen unsere kassengeister. das leben ist still, zusehends langweilig und oede. wir sind vertrocknet in unseren liebeserguessen und unfaehig mit anderen menschlichen lebewesen koerperlich und seelisch zu kommunizieren. oder ist es nicht so? es haengt doch sehr stark von der sichtweise, der perspektive, des blickpunktes ab. je nach dem ob es fuer eine akute depression reicht oder nicht. ein stilles leben fuehren wir, als sei es fast schon der tod. und die anderen? die anderen haben krieg, sterben meist vor dem zeitpunkt des ausbruchs einer depression, kennen mord und todschlag und leiden unter gewalt und schrecken. ja, ja die anderen. ab und zu kommt manch einer auch bis zu uns, ganz in unsere naehe. meist sehen wir ihn nicht direkt, sondern nehmen ihn nur als statisten wahr. wir kennen das fremde, uns uneigene nicht, deswegen lehnen wir es ab, sehen es nicht, fuehlen es nicht und wennmoeglich nehmen wir es gar nicht wahr. so fuehren wir ein stilles leben.