Society | Wirtshauskritik International

Neues aus der Eisernen Zeit

Der Wiener Naschmarkt hatte nie etwas mit irgendwelchen Naschereien zu tun, sondern war als ursprünglicher Aschenmarkt deutlich weniger lustorientiert. Dennoch kam der Markt in den letzten Jahren mitten im neuen Metabezirk Bobistan zu liegen, was ihn schön langsam zum Hipster-Paradies verkommen ließ.

Wenig erfreulich für den distanzierten Anwohner: Die Gemüsestände wurden weniger, dafür nahmen Asia-Meilen und Hugo-Hütten Überhand. Was also tun? Verzweiflung, Emigration, bewusste Ernährung?

Nein, nicht im Geringsten: Als letzte Klippe im trüben Meer des uniformen Individualismus bot das Gasthaus zur Eisernen Zeit noch etwas Schutz und ein Bier ohne Henkel.

Doch selbst hier schien Gefahr zu drohen: Als im letzten Frühjahr bekannt wurde, dass das beinahe 100 Jahre alte Haus eine neue Führung erhält, wurden Befürchtungen laut, dieses mehr oder weniger unentbehrliche Lokal würde nun komplett ruiniert (wobei es ja selbst bereits recht heruntergekommen ist). Diese Ängste gipfelten in der dunklen Ahnung, es würde hier ein "Tischtuchlokal" entstehen.

Solche Sorgen waren gänzlich unbegründet. Die neue Führung ist zwar tatsächlich neu, aber vor und hinter dem Tresen bereits länger im Geschäft – "Spielertrainer" ist da passend – und kümmert sich mit wechselndem aber immer lauthalsem Charme um die Gäste. Unterstützt von bundesdeutschen Servierkräften – in Wien längst ein leicht bedauerlicher Standard.

Die Qualität des Gereichten ist unverändert auf interpretationsfähigem Niveau, wird aber zackig serviert, was tröstlich ist.

Die neue Zeit wendet sich also weiterhin an eine Kundschaft, die sich vom Tschechern nicht mehr allzuviel erwartet, aber in dieser ihrer bevorzugten Abendgestaltung von dem absolut affirmativen, spiegelbildlichen Ambiente sicherlich nicht behindert wird.

Ach ja: Die erratischen "Heroin-Fiedler" sind natürlich auch noch da.