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Wo die Abenteuer entstehen

Magische Orte gibt es viele, in Südtirol. Und an einem davon entstand ein Abenteuer, das noch viele weitere mit sich bringen sollte..

Je älter man wird, desto mehr Gutscheine bekommt man an Geburtstagen geschenkt. Irgendwann werden sie greifbare Geschenke wie Bücher und stylische Accessoires wohl vollkommen ersetzt haben. Denn mit jedem Jahr, das man altert, häufen sich die Herausforderungen, die das Leben so für einen bereithält und damit auch die Verpflichtungen. Und plötzlich wird klar: das Schönste, das Wertvollste, das Kostbarste, das man sich gegenseitig schenken kann, ist doch eigentlich Zeit. Und die schenkt sich nunmal in Form von Gutscheinen am besten. Zeit für Dinge, für die der Alltag normalerweise wenig Raum lässt. Zeit zu zweit oder für sich selbst. Zeit, mal schick zum Essen ins Restaurant zu gehen. Zeit, um sich die eigene Frisur in Schwung bringen zu lassen. Zeit für Kultur. Zeit für Abenteuer. Kurz – für alles, was man häufig vermisst, weil es Balsam für die Seele ist.

Nun – das Geburtstagsgeschenk meiner fantastischen, langjährigen, lieben Freundin stand schon seit Wochen fest. Inzwischen bekommen wir uns nämlich zu selten zu Gesicht, als dass wir es nicht für notwendig halten würden, wann immer wir es dann doch mal schaffen sollten, eine Litanei an Entschuldigungen murmeln zu müssen, um das schlechte Gewissen totzuquasseln, und um dann aber ganz erleichtert festzustellen, dass anderer Gleichaltriger Leben tatsächlich genauso hektisch verläuft wie das eigene. Ein Tag unter Freundinnen sollte es sein. Ein GANZER Tag. Nein – besser. Ein Tag und eine Nacht. Und noch ein halber Tag dazu. So ein wunderbar langes Wochenende unter Mädels halt. Ja, das brauchten wir.

Aber wohin? Nicht zu schick, aber doch besonders. Mal etwas Neues ausprobieren, das wäre schön. Ja, und ein kleinwenig verrückt darf es auch sein, klar. Und Abenteuer. Frauen, die 29 Jahre alt werden, brauchen Abenteuer. Und plötzlich kam mir die Idee. Es sollte ein Alm-Abenteuer werden. Eines voller Überraschungen. Auf der Petersberger Leger Alm, der ersten Bio-Alm Südtirols. Die Alm, nahe Maria Weißenstein, die inmitten lichter Wiesenflächen dem Weißhorn zu Füßen liegt. Einer der Orte in Südtirol, die ich ganz besonders mag.

Wandern im Dunkeln

Der Winterwald funkelte und glitzerte wie wild in die Dunkelheit, sobald wir den Lichtstrahl unserer Stirnlampe ins schwarze Dickicht warfen. Abermillionen Schneekristalle ließen uns innehalten und staunen. Vergnügt stapften wir wie aufgeregt schnatternde Kinder den Forstweg entlang. Die Schlafsäcke baumelten munter an den Rucksäcken und unser Atem ging uns als stetes rauchiges Wölkchen voran. Winterwandern bei Nacht. So beginnt ein Abenteuer.

Macht vegan satt?

Ankommen, mit vor Kälte geröteten Wangen, klammen Fingern und reichlich Appetit. Nun – die Aussicht auf ein veganes Abendessen kam bei uns ‘Allesfressern’ die stets nach dem Motto ‘wenn, dann ordentlich’ speisten und statt auf Gramm am Körper eher auf Menge im Teller achteten nicht gleich gut an, zugegeben. Aber wir wollten ja ‘mal was Anderes’. Und als die dampfenden Platten dann unseren Tisch ansteuerten, waren alle Zweifel schneller verflogen, als die erste Gabel in die Dinkel-Gemüsekrapfln stechen konnte. So liebevoll dekorierte bunte Fülle – ja, das war es wonach wir gierten.

Im Bikini durch den Schnee..

Nein, das war noch nicht das Highlight. Das stand uns noch bevor. In der vom leise knisternden Ofen beheizten Scheune richteten wir unser Nachtlager ein und – warfen uns in unsere Bikinis. Und bevor der werte Leser auch nur ansatzweise denken könnte, wir hätten zu dem Zeitpunkt schon reichlich Bio-Wein geschlürft, komme ich besser gleich zum Punkt: Hinter dem Haus, nahe am Wald und noch näher an den Sternen, da steht ein Badefass. Ein großes, rundes Fass, bis obenhin gefüllt mit blubberndem Whirlwasser. Und am Beckenrand da standen die hausgemachten Kekse und gekühlter Prosecco bereit. Und so huschten 4 Mädels in knappen Bikinis in Windeseile und auf Zehenspitzen über den Schnee hinter die Scheune um dann flugs, die prall gefutterten Bäuche im warmen Wasser zu verstecken. Ein lang gezogenes ‘aaaaaah’ konnte sich an der Stelle keine von uns verkneifen. Ja, es war schon erstaunlich: so manches Sternenbild schien zum Greifen nah. Und man sprach über Endlichkeit und Unendlichkeit. Des Universums und der Freundschaft. Nein, uns war klar – eigentlich wollten wir uns nie verlieren. Und den Abschluss einer stundenlangen Badefass-Whirl-Session bildete der altbekannte, so oft gehörte und selbst ausgesprochene Satz: ‘So etwas sollten wir öfters machen.’ Und just in diesem Moment hatte ich eine Idee. Eine brilliante, abenteuerliche Idee. Aber dazu später.

Die Pflichten nicht vernachlässigen

Mit Schrumpelfingern und Prosecco im Schädel stiegen wir aus dem Fass in die Kälte und von dort schnell in die Scheune um uns am Ofenfeuer zu wärmen. Und um über Politik, Religionen, Lieblingsphilosophen und die Weltwirtschaftskrise zu reden. Und über Kindererziehung und Männer. Nein, die obligatorischen Mädchenthemen wollten wir keinesfalls vernachlässigen.

Ja, ich hab’s geschafft. ‘Raus mit euch Schlafmützen!’ – so hab’ ich die drei Mädels doch dazu bekommen in vorgewärmte Wanderschuhe zu schlüpfen und sich in ihre Mützen zu mümmeln. Denn was ich mir vornehme, das ziehe ich durch. Und andere müssen mitleiden. Wandern vor dem Frühstück stand auf dem Programm. Den Sonnenaufgang sehen. Wir waren fast pünktlich auf dem frisch eingezuckerten Hügel und haben ihr zugewinkt, der ockergelben Kugel, die sich an den Bergen emporzuziehen schien. Spätestens da waren die Mädels auch nicht mehr böse auf mich. Und die Aussicht auf Bio-Frühstück und reichlich dampfenden Kaffee machte uns Beine. Und das Frühstück war der Augenblick, wo die Idee aus mir raus musste. Denn Schönes ist dazu da, um mitgeteilt zu werden.

Welcome to the girls adventure club

So etwas sollten wir öfters machen. Immer dieser Satz. Dann tun wir das doch einfach! Ein Spiel hat immer auch Regeln: Jede von uns soll es einmal im Jahr treffen. Ihre Aufgabe ist es dann, einen Tag oder ein Wochenende für sich und die anderen zu organisieren. Ein besonderes Erlebnis soll es sein. Etwas, das man vielleicht zum ersten Mal im Leben wagt. Etwas, das man für sich selbst vielleicht nicht planen würde. Ein Abenteuer, das Freundinnen verbindet. Und um das Ganze spannender zu gestalten, gibt’s von den anderen Punkte für jedes veranstaltete Erlebnis. Am Ende des Jahres trifft man sich wieder, hier auf der Alm, um den Sieger zu ermitteln und zu küren. Der ‘Organisator’ darf den ‘Teilnehmern’ nichts verraten, außer dem Datum, an dem sich alle Zeit nehmen müssen und dem gewünschten Outfit zwischen Ballkleid und Neoprenanzug. Darauf stießen wir an. Mit Bio-Kaffee. Auf die Abenteuer! Auf die Freundschaft! Auf die Zeit. Und auf die Gutscheine. Sie leben hoch.

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