Politics | Nutzen ohne Kosten?

Nutzen ohne Kosten? Der Flughafen Bozen und der sorglose Umgang des Landes mit Steuergeldern und der Lebensqualität der BürgerInnen. Ein ökonomische Analyse.

Zum Flughafen Bozen liegt bisher keine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen Analyse vor. Ein Versäumnis der Landesregierung mit wichtigen Implikationen für das Referendum
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Die Diskussion um den Flughafen Bozen ist nicht neu, und trotzdem gibt es erstaunlich wenig sachliche Informationen, anhand derer sich Bürgerinnen und Bürger ein Bild machen könnten, um eine informierte Entscheidung zu treffen.

Die Politik sollte ein Projekt verfolgen, wenn für die Bevölkerung der Nutzen eines Projekts dessen Kosten überwiegt. Dabei geht es um eine viel weitere Analyse, als jene, auf die sich ein Privatunternehmer stützen würde. Das Beispiel in den Lehrbüchern ist die Fabrik am Fluss, die durch schädliche Abwässer die Fischerei flussabwärts schädigt. Die privaten Fabrikbesitzer werden zu wenig in den Umweltschutz investieren, da sie die Kosten für die Fischerei nicht selber tragen. Nur eine öffentliche Hand, die die Kosten und Nutzen beider im Auge behält, kann eine gesellschaftlich optimale Entscheidung über den Betrieb der Fabrik treffen.

Wie hängt dies nun mit dem Flughafen zusammen? Basis der Entscheidung sollte auch hier eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse sein, nicht der privatwirtschaftliche Nutzen der Betreiber und auch nicht jener einer Interessensgruppe. Gerade das scheint aber nicht zu geschehen: Im Gesetz zum Flughafen wird auf eine Studie der GAW mbH verwiesen, die den Nutzen möglicher zusätzlicher Nächtigungen aufgrund steigender Passagierzahlen berechnet. Dabei wird u.a. angenommen, dass alle zusätzlichen Fluggäste auf der Linie Bozen-Rom Nächtigungen zur Folge hätten, die ohne Flughafen nicht erfolgen würden. Bei anderen Flügen wird hingegen davon ausgegangen, dass 20% der zusätzlichen Nächtigungen auch anderweitig erfolgen würden. Im Basisszenario prognostiziert die GAW Studie eine zusätzliche jährliche regionale Wertschöpfung von 9,9 bis 13,6 Mio € ausgehend von 138.000 Passagieren. Dem stehen bisherige jährliche öffentliche Mittel für den Flughafen in ähnlicher Höhe gegenüber, d.h. der Nutzen aufgrund dieser (unvollständigen) Analyse wäre gleich Null. Betriebswirtschaftlich entstehen im Basisszenario des Business Plans, bei optimistisch angenommenen 539.000 Passagieren(!) im Jahr 2035, ein operativer Verlust von 58 Mio € und Investitionskosten von 23 Mio €. Berücksichtigt man die Beiträge des Landes und unterstellt eine Beteiligung der Handelskammer an 50% der operativen Verluste, ergibt sich ein Fehlbetrag von ca. 28 Mio € bis 2035 oder 1,5 Mio € jährlich, der eventuell vom Steuerzahler zusätzlich zu den Landesbeiträgen zu zahlen wäre.

Die Konkurrenz durch zukünftig schnellere Zugverbindungen, der massive Ausbau des Flughafens Verona, der als Flughafen von nationaler Bedeutung durch Investitionen in Höhe von 134 Mio € rund 5,6 Mio Passagiere bis 2030 erreichen will (und an dem Südtirol 3,6% der Anteile hält), sowie als Alternative verbesserte Anbindungen an die umliegenden Flughäfen werden nicht berücksichtigt. Zudem wird von einem potentiellen Einzugsgebiet von rund einer Million Einwohner ausgegangen, wobei ein großer Anteil davon näher an den Flughäfen Verona oder Innsbruck wohnt. Selbst Bewohner von Brixen, des Pustertales und des oberen Vinschgaus benötigen für die Fahrt nach Innsbruck lediglich wenig länger als nach Bozen. Auch die gesamtgesellschaftlichen Kosten des Projekts aufgrund einer zu erwartenden Entwertung von Grund und Immobilien, negativer Folgen für den Tourismus im Unterland und Überetsch, sowie Umwelt- und Gesundheitsfolgen durch Lärm und Abgase, die bereits jetzt in Bozen teilweise über den Grenzwerten liegen, bleiben unberücksichtigt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie im Auftrag des deutschen Umweltbundesamtes zeigt, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bereits ab 40dB linear ansteigt (http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/risikofaktor-naechtlicher-fluglaerm), der Lärm durch den Flughafen würde laut Umweltscreenig deutlich darüber liegen.

Diese Kosten zu ignorieren und damit gleich Null zu setzen ist falsch und widerspricht den Erkenntnissen der Gesundheits- und Umweltökonomie. Indem die Umweltagentur - und vor ihr Verbände und der Minderheitenbericht im Landtag - im Falle eines Ausbaus mit erheblichen negativen Auswirkungen rechnet und eine ordentliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) fordert, weist sie auf das grundlegende Problem hin: einer Nutzenrechnung muss eine Kostenrechnung gegenüberstehen. Nur wenn der Nutzen gegenüber den Kosten überwiegt, und der Nettonutzen größer ist als jener, der durch eine anderweitige Verwendung der öffentlichen Gelder möglich gewesen wäre (Opportunitätskosten), sollte eine Umsetzung überhaupt in Betracht gezogen werden. Daher muss geprüft werden, ob die Erreichbarkeit Südtirols etwa durch effizientere Anbindungen an die umliegenden Flughäfen kostengünstiger verbessert werden kann. Daran arbeitet bereits die IDM, welche SMG, BLS, EOS und TIS umfasst und in Kontakt mit den Flughäfen Verona und Innsbruck sowie Reiseveranstaltern und Fluglinien in den verschiedenen Märkten steht und beim Ausbau des Chartergeschäfts mit anderen Flughäfen kooperiert.

Italien hat sich mit der Alpenkonvention völkerrechtlich dazu verpflichtet, die Zubringerdienste zu alpennahen Flughäfen zu verbessern und einen erheblichen Ausbau von Flughäfen in den Alpen zu unterlassen, worunter auch die erhöhten Flugbewegungen und Gesundheits- und Umweltfolgen fallen, nicht nur die Verlängerung der Piste. Das von der Rechtsservicestelle der CIPRA (Commission Internationale pour la Protection des Alpes) Österreich erstellte Gutachten stellt fest, dass "zwischen der geplanten Erweiterung des Flughafens in Bozen und der Alpenkonvention ein großes Spannungsverhältnis besteht und zahlreiche Prüfungen im Sinne der Alpenkonvention noch zu erfolgen haben" (http://www.cipra.org/de/cipra/oesterreich). Mit dem Übergang des Flughafens vom Staat an die Provinz Bozen bekommt Südtirol unabhängig vom Referendum mehr Einfluss. Auch wenn eine Umwidmung oder Zurückstufung der Flughafenkategorie nicht sofort erzielt werden sollte und die Konzession bei einem „Nein“ neu ausgeschrieben würde, dürfte sich kein privater Investor finden, der den Flughafen wie bisher weiterbetreibt oder ausbaut. Dieser war selbst mit öffentlichen Zuschüssen nicht rentabel und wird es auch mittelfristig unter Einbezug der notwendigen Investitionen laut Entwicklungskonzept nicht sein. 

Kein Unternehmer, der ein solcher bleiben möchte, würde investieren, ohne Kosten und Nutzen abzuwägen und Alternativen zu testen. Doch genau das wird von den Bürgern nun verlangt. Sie sollen über einen Investitions- und Ausbauplan entscheiden, zu dem sich die öffentliche Hand ohne eine umfassende Analyse entschieden hat. Dies stellt einen sorglosen Umgang nicht nur mit Steuergeldern, sondern auch mit der Gesundheit und Lebensqualität der Bürger dar. Bisher wurde das grundlegende ökonomische Prinzip, Investitionen nicht aufgrund bereits getätigter Ausgaben sondern nur aufgrund einer Abschätzung zukünftiger Nutzen und Kosten zu tätigen, ignoriert und damit dem schlechten Geld gutes hinterhergeworfen. Obwohl mittlerweile anerkannt, wird nun erneut ein Projekt ohne umfassende Kostenabschätzung forciert. Die Bürgerinnen müssen ohne ausreichende Informationen eine Entscheidung treffen, wobei diese durch eine negative UVP eventuell obsolet würde. Ein Ausbau des Flughafens ist unter diesen Umständen weder ökonomisch noch gesellschaftlich vertretbar.

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Sepp.Bacher Wed, 06/08/2016 - 13:56

Die Betreiber, Befürworter des Ausbaus und die Landesregierung kümmern sich nicht nur nicht um die Alpenkonvention, sondern auch nicht um die Vereinbahrungen der Flugplatz-Mediation. Wahrscheinlich nach dem Motte: "Was kümmert uns, was die Alten vor uns vereinbart haben!" und wohl auch "Was kümmert uns die Natur mit all ihren Lebewesen - inklusive Mensch - wenn wir nicht maximalen Profit herausholen können!" oder "Oder was kümmert uns die nächste Generation, die wird schon sehen, wo sie bleibt."
Übrigends: sehr guter, wenn auch anspruchsvoller, Beitrag!

Wed, 06/08/2016 - 13:56 Permalink
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alfred frei Wed, 06/08/2016 - 16:32

Das Potential der direkten “Verarschung” in einer Volksabstimmung ist unbegrenzt. Siehe Benko-Lauda am 24.3.16 > “Flugplatz Bozen: untauglich und fern jeder möglichen Überlegung, und derselbe Niki als Sturzflugakrobat am heutigen Tag (laut Sender Bozen) Flugplatzausbau mehr als möglich und angebracht. Vorschlag für Sonntag > zwei Stimmzettel: Lauda NEIN oder Lauda JA > "this is the question"

Wed, 06/08/2016 - 16:32 Permalink