Politik | Europawahlen

Pius Leitners Wahldebakel

Wahldebakel für die Freiheitlichen: Mit insgesamt 6842 Stimmen rangiert Pius Leitner im Wahlkreis Nord-Ost erst an sechster Stelle seines Bündnisses. Gegenüber den Landtagswahlen brechen Vorzugsstimmen und Gemeinden drastisch ein. Für parteiinterne Kritiker gibt es darauf nur eine Antwort.

Die prognostizierte Wahlschlappe der Freiheitlichen ist eingetreten: Gerade einmal 6842 Stimmen konnte Pius Leitner einfahren, 6223 davon kommen aus Südtirol. Im Gegensatz zu Herbert Dorfmann, der mehr als 23.000 seiner insgesamt 93.956 Stimmen außerhalb Südtirols holte, gelang es dem freiheitlichen Kandidaten trotz seiner Wahlkampf-Ausflüge in die Nachbarprovinzen keine Wähler außerhalb der Provinz zu aktivieren.

Insgesamt holte das Wahlbündnis aus Lega und Freiheitlichen in Südtirol 11.438 Stimmen, das entspricht 6 Prozent aller Wählerstimmen. Ein Wert, der noch unter dem Prozentsatz liegt, den Gernot Gruber den Freiheitlichen vor der Wahl vorhergesagt hatte. Beeindruckend nicht nur die Distanz zu den 36.764 Vorzugsstimmen, die Leitner bei den Landtagswahlen hatte. Auch in einstigen Hochburgen der Freiheitlichen wie in Terenten wird der tiefe Sturz der Partei seit dem Rentenskandal deutlich: 33 Prozent konnten die Freiheitlichen dort noch im Herbst gewinnen; nun sind es 5 Prozent. Das niedrigste Bezirksergebnis fuhr das Bündnis mit 4,5 Prozent im Vinschgau ein, wo auch die Wahlbeteiligung am stärksten einbrach. Eines der Beispiele liefert Glurns, wo  Freiheitliche und Lega nur auf 2,8 Prozent kommen – im Herbst waren es für die Freiheitlichen noch knapp 20 Prozent. Den Negativrekord stellt allerdings Vöran mit 1,7 Prozent der Stimmen; auch dort gab es bei den Landtagswahlen noch ein Ergebnis von 21,7 Prozent.

Peppi Stecher: Marke ändern oder Produkt wechseln

Pius Leitner war für eine Stellungnahme noch nicht erreichbar. Klare Worte dagegen vom ehemaligen Vinschger Bezirksobmann Peppi Stecher. „Bodenlos ist noch eine Untertreibungen“, meint er, „ich hätte nie gedacht, dass die Verluste so drastisch ausfallen.“ Dass man in manchen Dorfgemeinden hinter eine Liste wie Tsipras falle, mache die groben Fehler der Freiheitlichen-Führung in den vergangenen Monaten mehr als deutlich. Als letzten Fehltritt sieht Stecher dabei das Bündnis mit dem Lega. Ähnliche Einschätzung von Meinungsforscher Gernot Gruber: „Eine Partei wie die Lega, die in den vergangenen Jahre vor allem mit Korruptionskandalen von sich reden machte, hat den Freiheitlichen nach dem Rentenskandal noch einmal geschadet“, sagt er.

Heißt das nun, dass Peppi Stecher wie angekündigt ebenfalls für die Parteiführung der Freiheitlichen ins Rennen zieht? Für den Vinschger Gastwirt hängt dies wesentlich von den Entscheidungen der aktuellen Führungsspitze ab. „Entweder man ändert nun die Marke oder wechselt das Produkt“, sagt er. Sprich: Sollten Pius Leitner und Ulli Mair weiterhin an ihrem Landtagsmandat festhalten, sei er sicherlich nicht bereit, als Obmannkandiddat anzutreten. „In diesem Fall ist zu überlegen, Mair und Leitner die Freiheitlichen zu überlassen und mit der mittlerweile beachtlichen Zahl an zurückgetreten Parteifunktionären ein neues politisches Projekt anzudenken“, sagt Stecher.

 

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Sebastian Felderer Mo., 26.05.2014 - 12:51

Für Pius Leitner persönlich tut es mir leid. Ich habe ihn als Mensch immer geschätzt. Doch ihm ist nun das passiert, was der SVP passieren müsste. Wer mit Erfolg nicht umgehen kann, wird ihn nicht lange halten können. Sich nach oben kämpfen ist eben leichter, als sich oben halten und den Erfolg richtig verwalten. Das Bündnis mit der Lega war nicht das Gelbe vom Ei. Doch die Niedergang der Freiheitlichen liegt nicht in der Europawahl, sondern in den nicht frühzeitig erkannten Problemen in der Parteispitze. Das hat schon bei Egger begonnen und bei Stecher aufgehört. Die einzige Partei, die daraus eine Lehre ziehen sollte, ist die SVP. Sie sollte inzwischen gelernt haben, wie schnell man mit falscher Politik den Alternativen in die Hände spielt. Gute oder schlechte Alternative, das hat der Verlierer dann nicht mehr in der Hand. Schade um diese Erfolgswelle, schade um diesen Fingerzeig an die SVP. Die Zukunft wird es zeigen, wie blau der Himmel über Südtirol sein darf. Donner und Blitz sind sowieso vorprogrammiert.

Mo., 26.05.2014 - 12:51 Permalink
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Willy Pöder Di., 27.05.2014 - 13:54

Hätten die Freiheitlichen damals im September 2013, also kurz vor den Landtagswahlen, ihr Wissen um die göttliche Politiker-Altersversorgung prompt öffentlich gemacht, hätten sie - rückblickend - einen genialen Schachzug zu Gunsten ihrer Partei getan. Folglich stünde die Partei heute bei Gott nicht wie ein gewaschener Pudel, sondern vielmehr als strahlender Sieger vor dem Volke da. Doch das Gegenteil ist nun der Fall.
Mit der Zurückhaltung der Information zur überschwänglichen
"Renten und Kapitalgeburt" haben die Freiheitlichen im Grunde nichts anderes als alle anderen Parteien auch gemacht, denn alle wussten davon. Und alle hielten in diesem Falle den Kastengeist hoch in Ehren. Dass die Freiheitlichen dafür allerdings einen höheren Preis als beispielsweise die SVP ob der vom Egoismus getragenen Intransparenz bezahlen mussten, erscheint logisch und konsequent, denn es waren insbesondere die Freiheitlichen, die sich stets als Saubermänner im politischen Geschäft orteten. Demgegenüber trug die Mehrheitspartei zu jener Zeit bereits seit vielen Monaten das Skandalgwandl (Sel, Stein an Stein), weshalb das Volk ihr gegenüber bereits ein abgestumpftes Gefühlswahrnehmungs-Potential in sich trug. Zudem erwiesen sich die edelweißen Apostel als bessere Krisenmanager. Nichtsdestotrotz ist die SVP - entgegen den Meldungen diverser Medien - keineswegs als Sieger aus den Europawahlen hervorgegangen. Wohlauf: die Ausbeute betrug 48 Prozent (-4%). Auf den ersten Blick ein respektables Resultat. Doch es waren 48 Prozent von 53%, in etwa also 25% der Wahlberechtigten von Südtirol. So betrachtet zeugt das Ergebnis von keiner glorreichen Wahlschlacht. Denn unumstößlich ist die Tatsache: Die größte Verantwortung für die kleinste Wahlbeteiligung trägt nicht die kleinste, sondern unwiderlegbar die größte Partei.

Di., 27.05.2014 - 13:54 Permalink