Società | Pflegebereich

Fünf nach 12

Der aktuelle Streik des Pflegepersonals beleuchtet einmal mehr ein chronisches Problem. Der Landesverband für Sozialberufe will am Freitag dafür Lösungen aufzeigen.
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Es ist wahrlich nicht der erste Hilferuf, den PflegerInnen und andere sanitäre Berufsgruppen, die in der Krankenpflegegewerkschaft Nursing Up organsiert sind, mit dem zweitätigen Streik am Donnerstag und Freitag dieser Woche lancieren. Neben der mangelnden finanziellen Honorierung von beruflichen Zusatzausbildungen und Kompetenzen ist es vor allem der chronische Personalmangel, den das Pflegepersonal auch in Südtirol seit Jahren anprangert. „Pro Abteilung fehlen ein bis zwei PflegerInnen“, heißt es bei Nursing Up. Für das verbleibende Personal bringt dies klarerweise Mehrarbeit und steigenden Druck.  Der umso größer wird, je krasser die Situation in den Abteilungen ist. Als Beispiele brachte Nursing-Up-Delegierte Verena Vigl im Morgentelefon von RAI Südtirol die Pädiatrie von Bozen, in der nur sieben von 13 Pflegestellen besetzt seien oder die Sterzinger Notaufnahme, wo von acht Stellen drei vakant seien.

Umso dringendes ist es, solche Probleme endlich anzugehen, wird am morgigen Freitag auch bei der Vollversammlung des Landesverbandes der Sozialberufe eingefordert werden. „Demografischer Wandel und Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ - eine zweifache Herausforderung für Sozialberufe“ ist das Schwerpunktthema, das man sich dort gesetzt hat. Wie groß sie tatsächlich ist, zeigen schon einige Daten, die der Verband mitliefert. Auf der einen Seite eine große und rasant steigende Nachfrage – mit beispielsweise im Jahr 2017 4.356  Daueraufnahmen und Kurzeitpflegen in den über Alten -und Pflegeheimen, 5.475  Betreuten Menschen in der Hauspflege oder 1.467 Menschen mit Behinderungen in stationären und teilstationären Einrichtungen. Auf der anderen Seite ein vorwiegend weibliches Angebot an Pflegekräften, das immer noch zu wenig finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung für die eigenen Kompetenzen erhält. 8500 MitarbeiterInnen sind derzeit - voll- und teilzeitbeschäftigt - in den Sozialdiensten beschäftigt, zitiert der Landesverband aktuelle Daten. 85 Prozent sind Frauen, ihr Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren. Wie sollen diese Frauen den steigenden Pflegebedarf in den kommenden Jahrzehnten stemmen, wie kann bei sinkenden Geburtenraten für ausreichend – auch männlichen - Nachwuchs gesorgt werden? Noch dazu wenn berufliche Fachausbildungen im Sozialbereich immer noch zu oft in die Nähe der Laienarbeit gerückt werden oder viele Claudiana-AbgängerInnen direkt nach ihrer Ausbildung in Länder wie die Schweiz abwandern, wo ihre Kompetenzen besser honoriert werden?

Arbeiten bis 67 - wie soll das gehen? 

Die Antworten auf solche Fragen sind überfällig, zeigen die Stellungnahmen von Nursing Up wie des Landesverbandes für Sozialberufe. Dort will man am Freitag konkrete Inputs aus dem in Südtirol immer noch viel zu wenig gelebten Age Management bringen. „Gerade im Sozialbereich mit seinen vielfach körperlichen wie psychischen Belastungen sollte alterns- und altersgerechtes Arbeiten dringend zu einem wichtigem Thema werden“, sagt Werner Pramstrahler vom Arbeitsförderungsinstitut AFI, der am Freitag bei der Vollversammlung des Landesverband dazu sprechen wird.

Sprich: Es geht nicht nur darum, die steigende Nachfrage nach Personal zu decken, sondern sich auch konkret zu überlegen, wie dessen Arbeitsfähigkeit erhalten werden kann – nicht nur mit steigendem Alter, sondern im Verlauf der gesamten Karriere. Denn wer künftig noch weit in die Sechziger hinein arbeiten muss, darf sich nicht schon in den Dreißigern oder Vierzigern auslaugen. Doch diesbezüglich ist es in Südtirol bereits fünf nach 12 - auch angesichts der aktuell beklagten Rahmenbedingungen im Pflegebereich. Laut AFI-Forscher Pramstrahler können jedoch auch wenig kostenintensive Maßnahmen des Age Managements wie wertschätzende Führung oder die Gewährung eines möglichst breiten Handlungsspielraums bereits einiges bewirken. Auch die Beschäftigten selbst seien gefordert – indem sie beispielsweise lernen, sich besser abzugrenzen oder Nein zu sagen, wenn die Belastung zu groß wird, sagt der AFI-Forscher.

Ein spannender Bereich, der auch durch die technologischen Entwicklungen der kommenden Jahre dynamisch bleiben wird. Denn bereits heute lässt sich absehen, dass zumindest ein Teil des Pflegebedarfs durch intelligente Pflegewägen oder Pflegeroboter, die nicht nur Wasser bringen, sondern auch in Dialog mit PatientInnen treten können, gelöst werden kann. Aktuell gilt es aber in vielen Bereichen, Lücken zu stopfen – umso mehr an diesen beiden Streiktagen.