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Warum ich nicht in Südtirol arbeite

Wie sehen Südtiroler Ärzte im Ausland unser Gesundheitswesen? Rund 140 Mediziner zählt das Netzwerk Südstern, der plastische Chirurg Lorenz Larcher ist einer von ihnen.

Herr Larcher, warum lebt und arbeitet ein hochqualifizierter Arzt wie Sie außerhalb Südtirols?
Lorenz Larcher: Primär, weil es wegen des Aufnahmestopps keine Möglichkeit für einen Job in Südtirol gab, als ich damals die Staatsprüfung gemacht habe. Ich wusste damals aber auch schon, dass ich hier keine vollständige Ausbildung zum Plastischen Chirurgen machen kann, weil es keine entsprechenden Stellen gibt.

Statt dessen gingen sie dann in das Landeskrankenhaus Feldkirch und das AKH Linz. Jetzt arbeiten Sie bei den Barmherzigen Brüdern in Salzburg, wo sie im vergangenen Jahr auch Ihre Facharztprüfung gemacht haben. Was bietet Ihnen Salzburg, das Bozen nicht hat?
Zum Beispiel die private Parcelsus-Universität (Paracelsus Medizinische Privatuniversität PMU,, Anm.d.Red.), auf der ich die Hauptvorlesung in Plastischer Chirurgie und  Mikrochirurgie halte – oder einen Chef der habilitierter Professor ist und mich voran treibt

Wie denn?
Indem er mir mitunter mal am Abend mitteilt, dass ich am nächsten Morgen eine Vorlesung halten soll. Oder er schickt mich auch sehr oft auf internationale Kongresse. Wir machen hier auch sehr viel klinische Forschung und versuchen, neue Operationstechniken zu entwickeln. Und das gilt es dann entsprechend zu publizieren und international bekannt zu machen. Das sind eben auch Motivationsschübe, wobei ich damit nicht sagen will, dass es eine Universität braucht, um eine gute Grundversorgung für die Bevölkerung zu haben.

"Nachdem es unserer Klinik zu teuer käme, einen Kinderarzt und eine Kinderkrankenschwester anzustellen, werden Kinder bei uns nur noch tagesklinisch operiert. Für diese Entscheidung wurden Fachleute befragt und nicht Lokalpolitiker."

Fehlende universitäre Strukturen und Forschung werden aber auch in der Studie, die am Mittwoch von Südstern vorgestellt wurde, als Defizit  des Landes bezeichnet. Unterschreiben dies auch die MedizinerInnen im Netzwerk für Auslands-Südtiroler?
Natürlich findet jemand, der in der Forschung oder Wissenschaft tätig sein will, an einer Universität den nötigen Nährboden. Ein Medizinuniversität wäre für Südtirol, wenn leistbar, sicher eine Bereicherung. Doch ich glaube nicht, dass man damit einen Ärztemangel kompensieren kann. Man muss vielmehr vor Ort die Bedingungen so schaffen, dass Mediziner gerne bleiben. Obwohl es meiner Überzeugung nach auch jeder und jedem gut tut, zumindest ein bissl im Ausland zu sein, den Horizont zu erweitern und zu sehen, wie es die anderen machen. Ich hab zum Beispiel einen Master in Paris und in Barcelona gemacht. Dort hatte ich extrem hochwertige Lehrer, und da gehen einem dann schon die Augen auf. Gleichzeitig sieht man aber, dass auch auf dem Niveau nur mit Wasser gekocht wird.

Sie sagen, die Bedingungen vor Ort müssen stimmen. Was braucht es in Ihrem Fall, damit Sie nach Südtirol zurückkehren?
Ein Beispiel wäre die Möglichkeit, neben dem Krankenhaus privat tätig sein zu können. Bei uns im Krankenhaus kann jeder problemlos nebenher eine Privatordination führen.  Und ich finde, es sollte auch jedem Arzt selber überlassen bleiben, ob er nach der Arbeit in der Hängematte liegt oder in seiner Ordination sitzt. Und klarerweise müssen auch die sonstigen Bedingungen passen: Gehalt, Arbeitsbedingungen, Entbürokratisierung. Es wäre mir auf jeden Fall sehr wichtig meine Expertise in irgendeiner Form in den Südtiroler Sanitätsbetrieb einzubringen und den Südtiroler PatientInnen das zugute kommen lassen, was im Ausland gelernt habe. 

Also, gehören Sie zu jenem Viertel der Südstern-Mitglieder, die eine Rückkehr in die Heimat nicht ausschließen?
Absolut. Ich bin auch mit einer Südtirolerin verheiratet, bis vor wenigen Jahren hat meine Familie noch in Südtirol gelebt und ich bin gependelt. Jetzt hab ich nur ein bissl Angst,  dass sie sich zu sehr in Salzburg einleben und mir dann nicht mehr mit zurück gehen (lacht). Aber in jedem Fall mache ich in Salzburg voraussichtlich nächstes Jahr noch meine Habilitation, auch das könnte mir Südtirol nicht bieten. Und dann werden wir sehen.

"Südstern ist eine geniale Sache, die glaube ich wirklich nur in Südtirol gelingen kann. Denn Südtiroler neigen einfach dazu, sich überall zu vernetzen, sich immer vor Ort zu finden, egal wo sie sind."

Das Bandl zur Heimat gibt es also noch?
J
a, das gibt es auf jeden Fall. Ich bin nach wie vor sehr eng an Südtirol gebunden, privat wie beruflich. Im kommenden Januar organisiere ich zum fünften Mal  das Bozner Symposion für Plastische Chirurgie, bei dem hochkarätige internationale ExpertInnen, aber auch Südtiroler KollegInnen zusammen kommen und sich fachlich austauschen.

Wie intensiv verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen im Südtiroler Gesundheitswesen?
Ich bin ein intensiver Konsument Südtiroler Medien. Aber auch bei Südstern, wo unter dem Planet Medizin rund 140 MedizinerInnen untereinander vernetzt sind, verfolgen wir natürlich alle sehr interessiert, was da gerade passiert.   

Kennen Sie solche Diskussionen auch aus Österreich?
Klar. Im AKH Linz wurden beispielsweise schon vor ein paar Jahren von einem aufs andere Jahr 80 Betten reduziert . Oder kürzlich gab es auch die rechtliche Frage, ob wir an unserer Klinik Kinder stationär aufnehmen dürfen. Nachdem es unserer Klinik zu teuer käme, einen Kinderarzt und eine Kinderkrankenschwester anzustellen, werden Kinder bei uns nur noch tagesklinisch operiert. Für diese Entscheidung wurden Fachleute befragt und nicht Lokalpolitiker, auch was die rechtliche Situation der Ärzte betrifft. Im Anschluss wurde die neue Regelung einfach intern von der Klinikleitung beschlossen und umgesetzt.

"Bei uns im Krankenhaus kann jeder problemlos nebenher eine Privatordination führen.  Und ich finde, es sollte auch jedem Arzt selber überlassen bleiben, ob er nach der Arbeit in der Hängematte liegt oder in seiner Ordination sitzt."

Also können Sie die Proteste rund um Südtirols Bezirkskrankenhäuser nicht nachvollziehen?
Nachvollziehen kann ich sie natürlich. Aber gleichzeitig kann man sich heute mit der Krise auch einfach nicht mehr alles leisten und ein gewisses Maß an Zentralisierung ist auch in Österreich zu betrachten, mit allen Vor- und Nachteilen. Und wenn ich auf ihrem Portal lese, dass es dann mit den Versicherungen Probleme geben würden, wird das für die Ärzte auch ganz schön gefährlich.

Gibt es Kontakte zwischen Südstern und dem Gesundheitsressort?
Ja, durchaus, es gab vor nicht allzu langer Zeit auch ein Treffen mit Landesrätin Martha Stocker. Ich habe das Gefühl, dass man hier im Ressort sehr engagiert vorgeht und den Kontakt sucht, da man das im Ausland schlummernde Ärztepotential erkannt hat. Über Südstern erhält jeder Mediziner beispielsweise seit diesem Treffen wöchentlich die neuen Jobangebote des Südtiroler Sanitätsbetriebes. 

Was hält die MedizinerInnen bei Südstern eigentlich zusammen?
Wir haben sowohl beruflich wie auch privat ein sehr hochwertiges Netzwerk. Ich war selbst überrascht darüber, als ich vor ein paar Jahren dazu stieß. Denn anfangs war ich eher skeptisch. Mittlerweile steht das zweite "Südstern Health and Science Forum Südtirol" vor der Tür. Über Südstern trifft man nicht nur Medizinerinnen und Mediziner, sondern auch sonst helle und extrem interessante SüdtirolerInnen, die in aller Welt tätig sind. Und dieser Austausch ist für mich als Mediziner extrem wichtig, weil wir ohnehin stark dazu tendieren, unsere fachlichen Scheuklappen zu tragen und nicht über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Ein Medizinuniversität wäre für Südtirol, wenn leistbar, sicher eine Bereicherung. Doch ich glaube nicht, dass man damit einen Ärztemangel kompensieren kann.

Und was eint die Südsterne? Ihre Erfahrung als Südtiroler im Ausland zu leben?
Südstern ist eine geniale Sache, die glaube ich wirklich nur in Südtirol gelingen kann und sehr stark die Südtirol Mentalität widerspiegelt. Denn Südtiroler neigen einfach dazu, sich überall zu vernetzen, sich immer vor Ort zu finden, egal wo sie sind. Das ist wirklich ein interessantes Phänomen, für das ich auch keine Erklärung habe.

Was ist der wichtigste gemeinsame Grund, der Südsterne von Südtirol fernhält?
Ich denke schon die Arbeitsmöglichkeiten. Südtirol ist ein kleines Landl. Bei 500.000 Leuten wäre es auch utopisch voraussetzten, dass man hier alles findet, was in den Großstädten der Welt  möglich ist. Doch es ist auch ein tolles Land. Und gerade in meinem Bereich denke ich auch, dass wir  immer noch ein sehr hochwertiges Gesundheitssystem und auch wirklich hochqualifizierte Leute haben. Die Politik wird ohnehin in nächster Zeit in die Richtung gehen, zusätzlich Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland zu holen. Der Ärztemangel grassiert bereits in vielen Ländern Europas, so auch in Österreich, Deutschland und England.

Und sehen Sie auf Ihrem Planeten Medizin ein paar, die dem Ruf der Politik folgen könnten?
Ja,  ich denke schon. Doch wie gesagt, die Bedingungen müssen schon passen.