Economy | Transit

Frächter gegen Slot-System

Während sich die Regierungsspitzen von Südtirol, Tirol und Bayern für die „buchbare Autobahn“ aussprechen, hält der italienische Industriellen-Verband ANITA dagegen.
Tir, A22, Autobrennero, Brennero, trasporti, camion
Foto: ASP/Daniel Rabanser
 
 
Wie berichtet haben gestern (12. April) Landeshauptmann Arno Kompatscher, sein Tiroler Amtskollege Anton Mattle und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in Kufstein eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in welcher sie sich für die Einführung eines digitalen Verkehrsmanagementsystems aussprechen. Dieses sieht ein Buchungssystem für Lkw auf dem Brennerkorridor vor. Konkret bedeutet das für die Fahrer bzw. Frächter, dass sie die Passage vor Fahrtantritt buchen müssen. Von dieser Maßnahme erhofft man sich eine „Entzerrung“ des Verkehrs bzw. weniger Staus, mehr Verkehrs- und Versorgungssicherheit für die Verkehrsteilnehmer und die Bevölkerung, weniger Zeitverzögerungen, bessere Planbarkeit des freien Warenverkehrs und aufgrund von geringerem „Stop-and-Go“-Verkehr auch weniger Lärm-, Luftschadstoff- und Klimagasemissionen.
 
 
 
Vehemen gegen dieses „Slot-Systems“ spricht sich  Thomas Baumgartner, Präsident des italienischen Confindustria-Verbandes ANITA, aus. Wie Baumgartner in einer Pressemitteilung erklärte, widerspreche das Verkehrsmanagementsystem mit der obligatorischen Reservierung von Lkw-Transitfahrten auf der Brenner-Achse dem Grundsatz des freien Verkehrs. Zudem sei es sowohl praktisch wie auch operativ nicht umsetzbar, erklärt der Verbands-Präsident. Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines solchen Systems würden indirekt durch den Inhalt der Absichtserklärung selbst bestätigt, in der die Notwendigkeit eines zwischenstaatlichen Abkommens zur Ratifizierung des Projekts durch die jeweiligen nationalen Regierungen sowie durch die Europäische Kommission ausdrücklich erwähnt wird, „um eine Rechtsgrundlage für die gemeinsame Umsetzung eines digitalen Verkehrsregelungssystems zu schaffen“.
 
 
 
 
 
Der Industriellen-Verband verweist in diesem Zusammenhang auf die Aussage von Professor Peter Hilpold, Dozent für Völker- und Europarecht an der Universität Innsbruck, der meint, dass es keine Alternative zum EU-Recht gibt. Laut Hilpold bestehe bei der Einführung eines verpflichtenden Transitbuchungssystems derzeit die Gefahr, dass man „vom Dach und nicht vom Boden“ aus starte. Dies würde in einem rechtsstaatlichen System wie dem der Europäischen Union eine undurchsichtige Situation und einen Präzedenzfall schaffen, „der nicht nur gefährlich, sondern auch kostspielig für alle beteiligten Staaten und Territorien ist“.
 
 
Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die einzige Lösung zur Verflüssigung des Verkehrs und zur Entlastung des Brennerpasses die Abschaffung der Fahrverbote und der Nachtmaut für schwere Nutzfahrzeuge ist.
 
 
„Bereits der in der Präambel der Absichtserklärung erwähnte Berliner 10-Punkte-Plan aus dem Jahr 2019 sah eine enge Zusammenarbeit zwischen Österreich und Deutschland zur Realisierung eines intelligenten Lkw-Überwachungssystems vor“, erklärt Baumgartner und betont: „Vier Jahre später ist daraus nichts geworden, was die Komplexität des Projekts zeigt, das erneut vorschlagen wird.“ Der Präsident des Frächterverbandes schlägt seinerseits vor, sich vor der Einführung digitaler Verkehrsmanagementsysteme vorrangig für die Realisierung der notwendigen Arbeiten zum Ausbau der Bahnstrecke auf bayerischem Gebiet in Richtung Brenner-Basistunnel zu engagieren, da es hier besorgniserregende Verzögerungen gebe.
„Wir sind nach wie vor davon überzeugt“, so Baumgartner abschließend, „dass die einzige Lösung zur Verflüssigung des Verkehrs und zur Entlastung des Brennerpasses die Abschaffung der Fahrverbote und der Nachtmaut für schwere Nutzfahrzeuge ist.“
 
 
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Sigmund Kripp Thu, 04/13/2023 - 12:41

Herr Baumgartner scheint hier etwas zu verwechseln: Der freie Warenverkehr bedeutet ja nur, dass alle Waren ohne Zoll und handelstechnische Hindernisse zwischen den Staaten ausgetauscht werden können. Es bedeutet aber nicht, dass die Menschen entlang der hochbelasteten LKW-Strecken nicht mehr das Recht auf ihre Gesundheit haben dürfen. Die Einschränkung der LKW-Fahrten stellt keine Einschränkung des Prinzips des freien Warenverkehrs dar: Sie gibt nur der einzelnen LKW-Fahrt einen Preis! Und so können sich die Wirtschaftskapitäne in der freien Marktwirtschaft den Preis aussuchen! So, wie sie es jetzt auch schon tun: der Brenner ist billig, also wird dort gefahren. Wenn er teurer wird, muss man sich andere Lösungen suchen. Es ist soo einfach Herr Baumgartner! (Und das sage ich als jemand, der seine Produkte auch mit dem LKW versendet!)

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Sepp.Bacher Thu, 04/13/2023 - 13:00

In reply to by Sigmund Kripp

Oder: Wenn der Brenner überfüllt ist, weil nicht mehr durchgelassen werden, muss sich der Frächter eben eine Ausweichstrecke über die Schweiz oder Tarvis oder noch besser über die Bahnverladung suchen. Es muss sicher mehr organisiert werden, so dass die LKW auch nicht mehr lange in Staus stehen.

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Josef Fulterer Fri, 04/14/2023 - 07:38

In reply to by Christian I

Das Problem mit dem Lärm aus dem Auspuff ist schon längst technisch gelöst. Das ROLL-GERÄUSCH ist inzwischen lauter, wie der Lärm aus den LUFT-VERPESTENDEN Rohren.
Da ist nur mit strengen Kontrollen der röhrenden PORSCHEs, MASERATIs, FERRARIs, über-motorisierten SUVs und den knatternden HARLY DAVIDSONs, der Spass am Ausloten ihres perversen Geschwindigkeits-Wahns gründlich zu verderben.

Fri, 04/14/2023 - 07:38 Permalink
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Christian I Fri, 04/14/2023 - 17:55

In reply to by Josef Fulterer

Und diese strenge Kontrollen wurden letztes Jahr angekündigt, davon gesehen hat man nicht viel! Und somit weiter mit Lärm und Abgase, weiter mit KRANKHEIT! Mal sehen, ob die Politik heuer im Sommer es wieder zulässt, dass unsere Strassen, unsere Wohnorte, sich wieder in laute Moto-GP Strecken verwandeln.

Fri, 04/14/2023 - 17:55 Permalink
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Martin Sitzmann Thu, 04/13/2023 - 13:54

Schon klar, dass Herr Baumgartner gegen jegliche Einschränkung zu argumentieren versucht. Er ist ja oberster Lobbyist der Frächter - was soll er denn anderes sagen?! ;-)

Thu, 04/13/2023 - 13:54 Permalink
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kurt duschek Thu, 04/13/2023 - 18:25

...es ist schon erstaunlich mit welchen Argumenten Herr Baumgartner hier seine Ansichten begründet. Als Spitzenvertreter der Frächter kann er vermutlich nicht anders, aber auch das dürfte doch kein Hindernis sein, den normalen Hausverstand zum Einsatz zu bringen. Dass Gesundheit von Menschen vor den Interessen des Verkehrs einzureihen sind, soweit müsste jeder normale Mensch mit Hausverstand kommen. Gier frisst Hausverstand!

Thu, 04/13/2023 - 18:25 Permalink
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Stefan TAFERNER Fri, 04/14/2023 - 13:41

Zur Zeit gilt nur freier Warenverkehr für Österreich!!! Alle Tiroler LKW dürfen Nachts fahren und ganz Europo erreichen. Vor jedem M-Preis in Südtirol steht um 4 Uhr früh ein LKW mit A Kennzeichen. E- Fahrzeuge dürfen in Österreich 110 Km/h fahren, aber nur mit A Kennzeichen. Die Maut auf Tiroler Autobahn macht ca. 1/3 des Tiroler Haushalt aus und bis Heute wurde keine Investition in Lärmschutz, Ladestationen oder ähnliches geleistet.
Ich erwarte mir eine Richtigstellung dieser Regeln, anstatt von Gesundheit und Umwelt zu debattieren.

Fri, 04/14/2023 - 13:41 Permalink
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pérvasion Fri, 04/21/2023 - 09:13

In reply to by Stefan TAFERNER

»Alle Tiroler LKW dürfen Nachts (sic) fahren und ganz Europo (sic) erreichen.« Ziel- und Quellverkehr eben. Statt die Änderung der sinnvollen Nord- und Osttiroler Regeln zu fordern, sollten wir für eine Nachahmung auch in Südtirol kämpfen. Dann ergäbe sich das von selbst. Und zudem würden Umwelt und Gesundheit profitieren.

Fri, 04/21/2023 - 09:13 Permalink
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Klemens Riegler Sat, 04/15/2023 - 21:36

Natürlich sind Frächter gegen einschränkende Maßnahmen.
Wer ist denn nicht gegen einschränkende Maßnamen, wenn es ihn selbst betrifft?
Wenn die "Nicht-Einschränkung" aber auf Kosten vieler anderer geht? Dann braucht es eben Maßnahmen! (Steuern muss man schließlich auch zahlen. Egal ob es mir passt oder nicht).
Das Slot-System scheint mir jedenfalls ein sehr guter Ansatz. Mal sehen ob es sich umsetzen lässt, ohne dass für die Frächter & Co. der bürokratische Aufwand zu groß wird. Parallel auch Optimierung und Potenzierung des Schienenfrachtverkehr. Anstatt mehr soll da anscheinend derzeit weniger laufen.

Sat, 04/15/2023 - 21:36 Permalink