Politik | Mobilität

Zankapfel Luegbrücke

Wie steht es um die Luegbrücke? Wie um eine länderübergreifende Strategie in der Verkehrspolitik? Salto.bz hat beim Tiroler Mobilitätslandesrat Renè Zumtobel nachgefragt.
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Foto: ASFINAG
Während man sich in Südtirol und in Bayern darauf einstellt, dass es im Zuge des Neubaus der Luegbrücke zu massiven Verkehrsbehinderungen auf der Autobahn und auf dem niederrangigen Straßennetz kommen wird, wird nördlich des Brenners anscheinend immer noch um jedes kleine Zugeständnis gekämpft. Es hat den Anschein, als würde die Luegbrücke als Faustpfand für einen Provinzkrieg genutzt: Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner, sperrt sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Baubeginn und beharrt weiter auf eine Tunnellösung. Die Oppositionspartei Team Kugler scheint machtlos – ebenso wie die Tiroler Landesregierung. Renè Zumtobel, Landesrat für öffentliche Mobilität im Bundesland Tirol, spricht sich zwar für einen schnellen Baubeginn aus, die Entscheidung könne er dem Grieser Bürgermeister allerdings nicht abnehmen.
 
Salto.bz: Herr Landesrat Zumtobel, wie steht es derzeit in Sachen Luegbrücke?
 
Renè Zumtobel: Ich bin seit 25. Oktober Verkehrslandesrat und war seit Beginn an mit dieser Thematik befasst. Ich bin angetreten, um die Zukunft zu gestalten und nicht um auf die Vergangeheit zurückzublicken. Wir haben mehrere Gespräche mit anerkannten Brücken-Experten geführt, aus denen klar hervorgegangen ist, dass die Luegbrücke ein Sanierungsfall ist. Auf einer Skala von 0 bis 5 wurde der Zustand mit der schlechtesten Note bewertet. Rasch haben wir uns auch mit den beiden Playern – der ASFINAG und der Gemeinde Gries am Brenner – zusammengesetzt. Man muss allerdings unterscheiden zwischen den Kompetenzen, welche das Land Tirol in diesem Fall ausüben kann, und der ASFINAG, welche ein Bundesunternehmen ist. Somit ist im Falle der Luegbrücke das Bundesministerium für Klimaschutz zuständig. Mir ist vollkommen bewusst, dass diese Verkehrssituation Auswirkung auf den gesamten Transit-Korridor haben kann bzw. vor allem auf das Wipptal, diesseits und jenseits des Brenners. Wir fordern von der ASFINAG klare Zusagen für Maßnahmen, welche eine Verbesserung der Situation für die Anrainer zur Folge hat, sprich es müssen klare Vorschläge hinsichtlich Lärmschutz auf den Tisch wie auch Vorschläge, wie man mit den Baustraßen nach Abschluss der Arbeiten verfahren will. Wir erwarten uns, dass ein klarer Mehrwert für die Bevölkerung geschaffen wird.
 
 
Laut Stefan Siegele, Geschäftsführer der Asfinag, gibt es bereits derartige Angebote.
 
Es gibt – aus meiner Sicht – sehr kooperative Aussagen in Bezug auf die Abwicklung der Baustelle. Nachdem sich alle Experten dafür aussprechen, dass die Sanierungsarbeiten so rasch wie möglich begonnen werden, lautet meine Devise: starten statt warten. Je früher die ASFINAG mit den Bauarbeiten beginnen kann, umso kürzer werden die Einschränkungen für die Bevölkerung sein.
 
 
 
 
Der von Bürgermeister Mühlsteiger geforderte Tunnel ist vom Tisch?
 
Aus meiner Sicht ist dieser Vorschlag vom Tisch. Erstens dauert ein Tunnelbau viel zu lange und zweitens würde er an der Transitsituation nichts ändern. Nur weil ein Lkw durch einen Tunnel fährt, verschwindet er ja nicht. Mir ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass begleitende Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung getroffen werden.
 
 
Welche zum Beispiel?
 
Wir fordern, dass die ASFINAG Lärmschutzmaßnahmen umsetzt sowie die Baustraßen nach Abschluss der Arbeiten zu Radwegen umgebaut werden. Weiters muss der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden – sowohl der Zug- wie auch der Busverkehr. Insgesamt setzen wir uns dafür ein, dass die ASFINAG ihr Möglichstes tut, um die Zeit während der Sanierungsmaßnahmen für die Anrainer so verträglich wie möglich zu gestalten.
 
 
Befinden Sie sich als SPÖ-Landesrat für Verkehr und Transport zwischen den Stühlen was die verschiedenen Positionen in der Gemeinde Gries betrifft? Weder die Liste Mühlsteiger noch das Team Kugler gehören einer der beiden großen Volksparteien an.
 
Ich fühle mich überhaupt nicht zwischen den Stühlen. Meine Aufgabe ist es, das Land Tirol voran zu bringen und die Verkehrsbelastung für ganz Tirol zu reduzieren. Der Transitverkehr ist eines der größten Probleme, der Verkehrslandesrat Zumtobel kann das aber nicht alleine lösen. Wir werden Partner wie Südtirol und Bayern brauchen. Manche Dinge werden sich in den nächsten Jahren verändern, weil wir nicht nur eine Baustelle haben werden, sondern gleich mehrere unvermeidbare Baustellen am Korridor. Was die Gemeinde Gries betrifft, muss die Asfinag die Zusagen so rasch wie möglich umsetzen. Die bereits getroffenen Vorsichtsmaßnahmen sind enorm wichtig, sollte die Brücke nicht halten. Man hat bereits eine Sicherheitskonstruktion errichtet sowie ein Ampelsystem eingeführt. Es sollte jedem klar sein, was das bedeutet.
 
 
Man hat bereits eine Sicherheitskonstruktion errichtet sowie ein Ampelsystem eingeführt. Es sollte jedem klar sein, was das bedeutet.
 
 
Angeblich dürfte sie laut eines deutschen Experten gar nicht mehr in Betrieb sein.
 
Mit Aussagen wie „die Brücke steht kurz vor dem Zusammenbruch“ sollte man aufpassen. Sollte die Stabilität nicht mehr gewährleistet sein, wird die Hilfskonstruktion einen Einsturz verhindern. Wenn von der Sensoranlage eine Bewegung festgestellt wird, wird die Ampel auf Rot schalten und die Brücke wird gesperrt. Für einen solchen Fall wurde bereits ein Konzept ausgearbeitet, wie der Verkehr umgeleitet werden soll. Genau aus diesem Grund müssen wir so schnell wie möglich mit den Arbeiten beginnen. Jede Verzögerung verlängert die problematische Situation.
 
 
 
 
 
 
 
Gibt es Gespräche mit Herrn Bürgermeister Mühlsteiger?
 
Mit Mühlsteiger hat es Gespräche gegeben – auch gemeinsam mit Landeshauptmann Anton Mattle. Es gibt ein klares Bekenntnis der Landesregierung zu den ausgehandelten Punkten, die von der ASFINAG umgesetzt werden sollen. Dazu gehören nicht nur die angesprochenen Lärmschutzmaßnahmen und der Umbau der Baustraßen zu Radwegen sondern auch Hangsicherungsarbeiten. In der Gemeinde Gries gibt es mehrere Gebiete, die aufgrund von Steinschlaggefahr gesperrt sind wie beispielsweise jenes, wo das alte Widum steht. Auch das gehört im Zuge einer solchen Baumaßnahme geregelt und die Gemeinde Gries kann davon nur profitieren. Ein weiteres Vorhaben ist, den Anteil der Umweltverträglichkeitsabgabe, die aus den Mauteinnahmen stammt, zu erhöhen, und zwar nicht nur für Tirol, sondern für ganz Österreich.
 
 
Ein weiteres Vorhaben ist, den Anteil der Umweltverträglichkeitsabgabe, die aus den Mauteinnahmen stammt, zu erhöhen, und zwar nicht nur für Tirol, sondern für ganz Österreich.
 
 
Letzteres muss allerdings im Einvernehmen mit der dafür zuständigen Ministerin Leonore Gewessler umgesetzt bzw. das entsprechenden Gesetz geändert werden. Was wir tun können, werden wir umsetzen, am Ende des Tages muss allerdings der Bürgermeister der Gemeinde Gries entscheiden, ob die Vorschläge ausreichend sind oder nicht. Ich bin der Meinung, dass die ASFINAG hier sehr transparent die Möglichkeiten aufgezeigt hat: Sowohl das, was geht, aber auch das, was nicht geht. Mehrere Experten haben erklärt, dass die Brücke saniert werden muss. Wenn man den Sanierungsfall für einen Provinzkrieg nutzt, dann müssen diejenigen, die ihn ausfechten, die Verantwortung dafür übernehmen. Ich habe ein reines Gewissen, kann dem Bürgermeister die Entscheidung aber nicht abnehmen. Jeder Tag, der vergeht, ist ein verlorener Tag. Mit ist das bewusst, ich hoffe, den anderen auch.
 
 
Gibt es einen Austausch mit den politischen Behörden bzw. den Autobahnbetreibern in Südtirol und Bayern über die Luegbrücke?
 
Seit meinem Amtsantritt war mir auch der Austausch mit Bayern und Südtirol sehr wichtig. Vor rund einem Monat hat im Tiroler Landtag ein Treffen mit den Südtiroler Landtagsvertretern stattgefunden, in dessen Rahmen die ASFINAG und die A22 die geplanten Maßnahmen vorgestellt hat. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass solche Treffen öfters abgehalten werden und die Kommunikation zwischen den Autobahnbetreibern intensiviert wird bzw. die Absprache hinsichtlich von Baustellenmanagement besser funktioniert. In der öffentlichen Wahrnehmung hat es manchmal den Anschein, als sei die Luegbrücke das einzige große Problem. Vergessen wird dabei, dass im Grenztunnel auf italienischer Seite in regelmäßigen Abständen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden und dieser dann über längere Zeit nur einspurig befahrbar ist. Ob die zuständigen Stellen in Österreich rechtzeitig darüber informiert werden, weiß ich nicht, ich würde mir jedenfalls mehr Austausch auf beiden Seiten wünschen.
 
 
 
 
 
Thema Transit: Arno Kompatscher, Landeshauptmann von Südtirol, möchte ein Slot-System für den Brenner-Korridor einführen bzw. die Autobahn buchbar machen. Wie stehen Sie zu diesem Plan?
 
Ich bin mittlerweile ein Fan eines digitalen Verkehrsmanagementsystems, weil die vorhandene Kapazitäten bestmöglich planbar gemacht werden sollen. Macht man das nicht, riskiert man immer, dass es zu Stausituationen kommen wird.
 
 
Professor Obwexer führte bei der Vorstellung der Expertise zum Slot-System aus, dass es rechtlich umsetzbar sei, wenn es sich an der vorhandenen maximalen Kapazität ausrichtet. Es geht somit nicht um eine Beschränkung, sondern um eine bessere Verteilung und um die maximale Nutzung der vorhandenen Kapazität.
 
Grundsätzlich ist das digitale Verkehrsmanagement ein Versuch, den Verkehr flüssig zu halten, weil man ihn damit besser verteilen kann. Die Verteilung der Kapazität auf eine notwendige Größenordnung geht aber keinesfalls mit einer Lockerung des Tiroler Nachtfahrverbot einher.
 
 
Wie ließe sich dieses integrieren?
 
Ganz einfach: In der Nacht werden keine Slots vergeben, außer für jene Fahrzeuge, die bereits jetzt von den Fahrverboten ausgenommen sind. Das System ist der Versuch, die derzeit starren Verkehrsdosierungen flexibler gestalten. Ich kann mir vorstellen, dass dieses System einen wesentlichen Beitrag zur Verlagerung auf die Schiene leistet. Es könnte daher in einem nächsten Schritt die Vorgabe enthalten, dass keine Slots vergeben werden, solange die Schiene nicht ausgelastet ist.
 
 
Es wäre logisch, Straße und Schiene zu verknüpfen, weil dadurch schlicht und ergreifend die Gesamtgrößenordnung des Verkehrs auf dieser wichtigen Nord-Süd-Achse planbarer gemacht werden könnte.
 
 
Wäre das rechtlich möglich?
 
Ob eine Verschränkung möglich wäre, kann ich nicht sagen. Das wäre zu prüfen. Es wäre jedoch logisch, Straße und Schiene zu verknüpfen, weil dadurch schlicht und ergreifend die Gesamtgrößenordnung des Verkehrs auf dieser wichtigen Nord-Süd-Achse planbarer gemacht werden könnte. Die große Ungerechtigkeit besteht nämlich darin, dass die Straße im Vergleich zur Schiene immer noch zu billig ist. Wenn Österreich 95 Cent pro Kilometer verlangt, wobei die österreichische Trasse die kürzeste ist, und in Deutschland und Italien sind es nur 18 Cent, dann ist klar, dass wir insgesamt einen sehr günstigen 400 Kilometer langen Abschnitt haben. Deshalb fordern wir bereits seit Langem, dass die Mauttarife in Deutschland und Italien erhöht werden müssen. Andernfalls werden wir es nicht schaffen, den Transitverkehr zu verlagern. Der Unternehmer braucht nämlich einen klaren finanziellen Anreiz, um auf die Schiene zu wechseln.
Zudem brauchen wir einen Ausbau der Schieneninfrastruktur mit Verlade-Terminals in Deutschland und Italien. Das Verkehrs-Management ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Planbarkeit der Ressourcen, erst in einem zweiten Schritt bietet es die Möglichkeit einer Reduzierung, und zwar – wie bereits gesagt – indem der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert wird.
 
 
Was das Thema Mauttarife betrifft hat der Frächterverband im lvh des Öfteren darauf hingewiesen, dass – mehr als die Tarife dies jemals könnten – der Anreiz im billigen Diesel in Österreich zu suchen ist, weshalb sich die Frächter für diese Route entscheiden.
 
Die Dieselpreise kann ich natürlich nicht beeinflussen. Wir sehen aber, dass wir über den Brenner insgesamt mehr Verkehr haben als über sämtliche Alpenübergänge in der Schweiz und Frankreich. Wir werden ständig wegen des Nachtfahrverbots kritisiert, die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied hat seit fast 100 Jahren ein Nachtfahrverbot. Darüber spricht kein Mensch. In der Schweiz wird strengstens kontrolliert, weshalb die Lkw-Fahrten über diese Routen sinken, während im Gegenzug bei uns der Transit-Verkehr auf einem Allzeit-Hoch liegt. Wir brauchen ein klares politisches Bekenntnis, dass wir die Schiene nicht nur bauen, sondern auch forcieren wollen.