Society | Gastkommentar

Wir brauchen eine Pflegereform

Die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Sozialberufe, Marta von Wohlgemuth, bezieht Stellung zu Aussagen, welche Landesrätin Waltraud Deeg vor Kurzem getätigt hat.
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Foto: Pixabay.com/Gerd Altmann
Im Interview zum Thema „Pflege: Fahren wir an die Wand?“ hat Soziallandesrätin Waltraud Deeg den Mitarbeiterinnen bei der zweiten Frage Recht gegeben. 
Die Frage lautet:
Mitarbeiterinnen aus den Gesundheits- und Sozialberufen, erklären mit dem Verweis auf den demographischen Wandel, das wir die Pflege und Betreuung an die Wand fahren.
Die Antwort der Soziallandesrätin lautet:
„Wir stehen vor großen Herausforderungen und ja die Mitarbeiterinnen haben Recht: Wenn wir diesen Herausforderungen, nicht mit den richtigen Maßnahmen begegnen, riskieren wir als Gesellschaft und Wirtschaft an die Wand zu fahren und wenn wir bei diesem Bild bleiben wollen, sogar mit Vollgas. Das es eine massive Alterung der Gesellschaft gibt, ist keine neue Erkenntnis.“
 
Der demographische Wandel:
Seit Anfang der 1970er Jahre, ist die Geburtenrate niedriger als die Sterberate, weshalb die Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung sinkt. Das heißt, der demographische Wandel ist schon seit 53 Jahren bekannt, also vorhersehbar. Wieviel Zeit haben wir noch zu reagieren?
 
Die Überarbeitung des Landessozialplanes:
Der „Neue“ Landessozialplan muss eine enge Abstimmung der Sachverhalte, mit dem Landesgesundheitsplan haben.  Erlauben Sie einen Vergleich des Umfangs bzw. der Seitenanzahl: Die neue Auflage des Landessozialplanes umfasst 400 Seiten, der Landesgesundheitsplan umfasst 90 Seiten. 
 
Die Rückkehr zu alten Ausbildungswegen:
Es fehlt nicht an Fachkräften, sondern es gibt ganz einfach weniger junge Menschen bzw. Mitarbeiterinnen. Aus diesem ganz einfachen und klaren Grund, werden wir nicht MEHR Menschen in Ausbildungen
bzw. Vorbereitungskursen unterbringen. Wir müssen die Rahmenbedingung für ALLE Sozialberufe verbessern, dann sind keine Abwanderungen in den Bildungsbereich zu befürchten. Die Ausbildung muss sich an fachgerechte und einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse orientieren. Die Berufsbilder im Sozialbereich sind vielfältig in der Ausübung und unterschiedlich in der Ausbildung. Es gibt Fachausbildungen und akademische Ausbildungen. Eine gute Kenntnis der Berufsbilder und der daraus resultierende angemessene Einsatz derselben, ermöglicht es den Trägern, qualitativ hochwertige Dienste anzubieten. Die unterschiedliche Ausprägung des Sozialberufs erfordert in den unterschiedlichen Ausbildungen, neben einer guten Allgemeinbildung, das Wissen und Können in berufsspezifischen Fächern sowie Kenntnisse im humanwissenschaftlichen, pflegerischen, hygienischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bereich.
Eine gute Ausbildung und eine kontinuierliche Weiterbildung ermöglicht es, die Autonomie und Selbstbestimmung auch jener Menschen zu wahren, welche auf Grund von Alter, Behinderung oder schwerwiegenden Lebenssituationen in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen sind. Ein respektvolles Miteinander zeugt von einer reifen Gesellschaft. Oberösterreich hat ein Landesgesetz, mit dem die Ausbildung, das Berufsbild und die Tätigkeit der Sozialberufe geregelt wird (Oö. Sozialberufegesetz - Oö. SBG) StF: LGBl.Nr. 63/2008 (GP XXVI RV 1274/2007 AB 1496/2008 LT 49; RL 2003/109/EG.
 
Die Pflegelehre:
In Österreich ist man nicht nur bei einigen Berufsbildern auf die Pflegelehre umgestiegen, sondern vor einem Jahr, am Internationalen Tag der Pflege,  präsentierte Sozialminister Johannes Rauch die Pflegereform als erfolgreichen erster Schritt. Die Pflegereform enthält 20 Maßnahmen und umfasst ein Budget von einer Milliarde Euro.
Inzwischen sind alle 20 Maßnahmen umgesetzt. Das war ein erfolgreicher erster Schritt, um die Situation der Beschäftigten, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu verbessern.
 
Der Vergleich:
Der Bereich Soziales verfügt über 4.600 Betten in den Seniorenwohnheimen, im Vergleich dazu hat die Sanität nur 1.514 Krankenhausbetten. Dieser Vergleich bezieht sich ausschließlich auf die Anzahl der Betten und ist so nicht gerechtfertigt. Wenn man bei diesem zahlenmäßigen Vergleich bleiben will, muss man auch sagen, dass von ca. 16.000 pflegebedürftigen Menschen in Südtirol nur ein Drittel in den Seniorenwohnheimen gepflegt und betreut werden.
 
Der Kollektivvertrag:
„Wichtig wäre aber erstens und vor allem einen Kollektivvertrag für alle unterschiedlichen Sozialberufe und insbesondere für die Pflegeberufe einzuführen.“
Diesen Vorschlag haben wir als Landesverband der Sozialberufe schon vor Jahren gemacht, denn aktuell werden diese Berufe als „lästiges Beiwerk“ verhandelt.
 
Was wir in Südtirol brauchen, ist es eine umfassende Reform der Pflege und Betreuung und nicht nur das Zitieren einzelner Maßnahmen und Bemühen von Vergleichen.
 
Die Geschäftsführung und der Vorstand des Landesverbandes der Sozialberufe
Marta von Wohlgemuth
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Josef Fulterer Wed, 06/14/2023 - 06:45

Für die Pflegeleitung mag die universitäre Ausbildung schon richtig sein, aber die Pfleger*innen könnten in den Altersheimen ausgebildet werden.
Besonders wichtig ist dabei, die richtige Haltung beim Ersatz der verloren gegangenen Selbständigkeit (stehen - gehen - waschen - wenden im Bett um das Wund-liegen zu vermeiden usw.)
Auch die angemessene Entlohnung sollte nicht mühsam e r b e t t e l t werden müssen!

Wed, 06/14/2023 - 06:45 Permalink