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"Das ist nur blödes Gerede"

Untergräbt Ex-SMG-Chef Christoph Engl sein eigenes Erbe, wenn er für Private Südtiroler Destinationsmarken entwickelt? Ein Gespräch mit dem heutigen Brand-Trust-Manager.
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Foto: Brand Trust

salto.bz: Herr Engl, mit Alta Badia Brand haben Sie nach Drei Zinnen-Dolomites bereits die zweite Destinationsmarke für Südtirol entwickelt. Von ihrer Agentur Brand Trust kommt mit Val Gardena – Dolomites sogar noch eine dritte. Wie geht es dem ehemaligen SMG-Chef dabei, nun als privater Berater Markenstrategien für Südtirol zu entwerfen? 
Es war eigentlich nicht mein Ziel, hier zu arbeiten, selbst wenn es sehr angenehm ist, ab und zu wieder im eigenen Bett zu schlafen. Nach meinem Abschied von der SMG hatte ich mir erst einmal eine Total-Enthaltsamkeit von Südtirol von zwei Jahren verordnet. Danach trat dann aber irgendwann Franz Senfter mit dem Thema Sextner Dolomiten an mich heran. Und Herrn Senfter kann ich einfach nicht Nein sagen, er hat mir einst viele Wege gewiesen, als ich beim Unternehmerverband anfing und dafür bin ihm ewig dankbar.

Und deshalb haben Sie ihm eine Destinationsmarke entwickelt?
Franz Senfter trat mit der Frage an mich heran, ob es möglich wäre, aus dem Investment in die Seilbahn Drei Zinnen - Dolomiten eine Destinationsmarke zu bauen. Doch für mich war klar, dass so eine Marke keine touristische Relevanz haben kann, wenn sie nicht das Territorium mit allen anderen Markenkontaktpunkten berücksichtigt. Obwohl Franz Senfter darauf bestand, das Projekt aus eigenen Mitteln zu bezahlen, musste ich ihn deshalb überzeugen, eine Destinationsmarke zu bauen, die am Ende nicht nur der Seilbahn, sondern der gesamten Destination Hochpustertal dient. Das war der Anfang, und was dabei herausgekommen ist, ist heute in aller Munde.

Auch in durchaus kontroverser Art. Es gibt auch Leute, die finden, dass sie mit solchen Aktionen nun von außen das schwächen, was sie als SMG-Chef in Südtirol aufgebaut haben und in das Millionen von Steuergeldern geflossen sind - also eine starke Südtiroler Dachmarke. Die Drei Zinnen-Marke zum Beispiel soll künftig auch Osttirol und dem Veneto offen stehen.
Natürlich mussten wir bei der Dolomiten-Region Drei Zinnen im Kopf haben, dass sie in der Endausbaustufe auch im Veneto und in Osttirol stattfinden wird. Also, auch wenn die Marke derzeit von Südtiroler Seite aus gesteuert wird, waren Investoren aus Osttirol in den Prozess miteingebunden, um sicherzustellen, dass sie die Marke zu einem späteren Zeitpunkt auch anerkennen. Ich weiß aber schon, dass es im Moment den Anschein hat, Christoph Engl würde nicht mehr an die Marke Südtirol glauben. Doch das ist ein totaler Quatsch.

Christoph Engl hat schließlich selbst früher immer hervorgehoben, wie kontraproduktiv es ist, wenn jede Tourismusdestination und jeder Tourismusort sich eine eigene Marke schafft. Vielmehr sollte die Dachmarke mit dem Besten des Landes aufgeladen werden -  und dazu gehören die drei Zinnen und die Dolomiten zweifelsohne. 
Ja, und das ist auch gelungen. Überall, wo ich heute hinfahre, sehe ich mit großer Freude, dass Südtirol eine hohe emotionale Bedeutung für die Menschen hat und dass man sich heute unter Südtirol etwas vorstellen kann, das vor vielen Jahren noch nicht gegeben war.

Doch der Bekanntheitsgrad der Marke Südtirol ist immer noch nicht wirklich zufriedenstellend.
Die entscheidende Frage ist, wie hoch die Begehrlichkeit ist, nicht die Bekanntheit. Es ist ein großes Missverständnis zu glauben, dass Marken an der Bekanntheit gemessen werden. Nein, Marken werden an der Begehrlichkeit gemessen und an der Frage, wie sehr jemand bereit ist, dafür Premiumpreise zu bezahlen. Und Südtirol hat einen extrem hohen Begehrlichkeitsgrad aufgebaut. Natürlich ist weltweit noch viel zu tun. Doch in den Quellmärkten, die man erreichen wollte, hat es einen hohen Status. Auch wenn man die Durchschnittsausgaben der Gäste mit jenen vor 15 Jahren vergleicht, wissen wir, wie sehr diese angestiegen sind.

"Wenn Alta Badia sich nun darauf konzentriert, die größte Fülle wertvoller Genussmomente in den Bergen zu bieten, ist das eine total andere Ausrichtung der Produkte und der gesamten Philosophie als wenn man in den Drei Zinnen nun sagt: Wir sind die kompakte alpine Welt für den erfahrenen Kenner. Und auf dieses Thema, auf diese Botschaft, konzentrieren sich nun alle Player bei der Entwicklung ihrer Produkte. Und das wird auch der IDM sehr helfen."

Das heißt, man kann heute wieder getrost andere Marken aufbauen ohne der Dachmarke die Show zu stellen?
Es geht darum, dass jede neue Marke zuerst einmal ins Schaufenster gestellt werden muss, damit sie überhaupt wahrgenommen wird. Wenn wir Tesla anschauen, da gibt es am Beginn ein Modell, mit dem man so lange durch die Gegend fährt bis alle die Marke kennen. Sobald diese Marke dann eine hohe Begehrlichkeit hat, braucht man Modelle, einen SUV, einen Kleinwagen, ein Familienauto.... Dasselbe gilt für jede Marke. Zuerst gilt es, eine Begehrlichkeit aufzubauen und in der nächsten Phase segmentiert man dann. Und in Südtirol sind wir nun genau in dieser Phase der Segmentierung angekommen. Dem kommt auch die organisationelle Neuausrichtung der IDM sehr entgegen.

Auch was die Abschaffung der Tourismusverbände mit 1. Jänner anbelangt?
Ja, die IDM hat diese territorialen Einheiten richtigerweise abgeschafft. Denn heute hat man keine Chance mehr, wenn man Territorien verwaltet. Nun geht es darum, die Marke Südtirol in Themen zu unterteilen. Wir haben ein Orchesterstück geschrieben, das Südtirol heißt, und nun geht es darum dieses Stück zu orchestrieren, zu bestimmen, wer welches Instrument spielt.

Und das können Tourismusverbände nicht?
Die hatten immer das Problem, dass jeder von ihnen versucht hat, das große Stück Südtirol im Kleinen zu spielen, mit allen Instrumenten. Anstatt sich im Gesamtstück orchestrieren zu lassen hat jeder versucht, alles zu tun - ein bisschen Mountainbike, ein bisschen Skifahren, ein bissl von allem und das mit territorialer Ausrichtung. Doch das funktioniert heute nicht mehr. Das Pustertal ist kein emotionales Produkt, das man verkaufen kann. Gleichzeitig wird eine geografische Einheit nie den Mut haben, sich auf ein einziges Thema zu konzentrieren, das erscheint zu gefährlich. Als Unternehmen Südtirol kann man aber sehr wohl sagen, wo sind meine Geigen, wo mein Kontrabass und mein Schlagzeug.

Aber der Punkt ist, dass das Unternehmen Südtirol in dem Fall wohl die IDM ist. Nun greift aber ein Herr Senfter im Hochpustertal mit seiner Marke vor. Oder in Alta Badia sagt man: Ihr mögt uns den Tourismusverband abschaffen, wir machen aber dennoch weiter unser eigenes Ding. Und alle kaufen sich für diese Alleingänge auch noch das Know How des ehemaligen SMG-Chefs ein. Also, es gibt Menschen in der Tourismusbranche, die sagen: Wenn das Hochpustertal oder Alta Badia das noch unter dem Engl gemacht hätten, hätte er ihnen die Hölle heiß gemacht. Stimmt das nicht?
Ich hätte in der damaligen Phase wahrscheinlich tatsächlich gesagt: Wir dürfen nicht zu früh segmentieren, weil wir dann die Gesamtwahrnehmung zersplittern. Und dazu stehe ich auch.

Doch nun hat sich alles geändert?
Nun sind wir wie gesagt in einer anderen Phase. Aber ich möchte auch klarstellen, dass wir in Alta Badia keinen Tourismusverband machen, sonst hätte ich das Projekt auch nicht übernommen. Dort kamen vier Player zu uns...

...der Tourismusverband, die Seilbahn, das Organisationskomitee des Weltcup und der Maratona dles Dolomites...
Genau. Und die haben gesagt, wir haben alle unsere Marketingabteilung und ein kleines Budget, und was können wir tun, um eine wirklich schlagkräftige Organisation auf die Füße zu stellen. Und zwar nicht einmal so sehr um gemeinsames Marketing, sondern um eine professionelle Produktentwicklung zu betreiben. Also zu überlegen, was ist unsere Spezialität, wie müssen unsere Produkte ausschauen, damit wir thematisch wahrgenommen werden.

Und bei der Definition dieser Profile greifen Sie ihnen unter die Arme? 
Brand Trust baut jedes Jahr sehr viele Marken und so wie man zum Beispiel eine Sportmarke baut, geht man auch bei Destinationsmarken vor. Und so haben wir mit diesen Regionen angeschaut, was ihr jeweiliger Schwerpunkt ist, was sie innerhalb der Dolomiten sein wollen, auch damit sie sich nicht alle gegenseitig Kunden abwerben. Wenn Alta Badia sich nun darauf konzentriert, die größte Fülle wertvoller Genussmomente in den Bergen zu bieten, ist das eine total andere Ausrichtung der Produkte und der gesamten Philosophie als wenn man in den Drei Zinnen nun sagt: Wir sind die kompakte alpine Welt für den erfahrenen Kenner. Und auf dieses Thema, auf diese Botschaft, konzentrieren sich nun alle Player bei der Entwicklung ihrer Produkte. Und das wird auch der IDM sehr helfen.

Warum?
Weil sie bei der Vermarktung der gesamten Destination für die jeweiligen Zielgruppen in die verschiedenen Regale, die es auf dieser Welt im Verkauf gibt, die richtigen Produkte schieben kann.

Dennoch gibt es auch innerhalb der IDM Stimmen, die meinen, Sie ziehen dort jetzt für ein fettes Honorar ihre eigene Show ab und scheren sich dabei nicht mehr um das Dachmarkenkonzept.
Das ist nur blödes Gerede. Das würde man dem Herrn Engl natürlich gerne anhängen, wie man mir immer etwas anhängen wollte. Doch das ist mir ziemlich egal. Ich mache hier meinen professionellen Job und ich wäre ziemlich blöd, wenn ich dabei etwas tun würde, das dem widerspricht, was ich 12 Jahre lang betrieben habe. Fakt ist auch, dass Alta Badia oder Gröden ganz schlecht beraten wären, wenn sie bei ihrer Vermarktung auf die Dachmarke verzichten würden, denn Südtirol ist heute eine hochbegehrliche Marke. Doch wir haben in diesem Land eben das Glück, gleich an mehreren Klavieren spielen zu können. Und so in diesem Fall je nach Markt oder Zielgruppe stärker auf Südtirol oder die Dolomitenregion zu setzen. 

Dennoch bleibt die Optik schief, dass nun ausgerechnet Sie in jenen Destinationen die Neupositionierung übernehmen, die sich ohnehin am stärksten gegen die Neuorganisation der Tourismusorganisationen gewehrt haben.
Sie hätten uns ja nicht holen müssen. Wir sind darauf nicht angewiesen, also ich muss das nicht machen. Ich habe so viel zu tun, dass ich mich nicht um Südtirol kümmern müsste.

Warum tun Sie es trotzdem?
Weil wir gerufen worden sind, weil es einen großen Sinn macht und weil ich glaube, dass wir auch einen hohen Wert stiften. Es geht hier sicher nicht darum, sich der Idee der IDM zu entziehen. Vielmehr werden vor Ort zentrale Ansprechpartner geschaffen, die nun im Fall von Alta Badia oder Drei Zinnen auch schon klar abgegrenzte Themen und Produkte haben. Und Fakt ist auch, dass die Leute der DME ohnehin in unseren Workshops sitzen.

Doch nicht von Beginn an. Vielmehr heißt es, man habe sie dazu eingeladen, nachdem man von der IDM irgendwann einmal nachfragte, was da eigentlich abgeht.
Nein, überhaupt nicht. Es gab nur lange keinen Ansprechpartner. Thomas Plank, mein ehemaliger Mitarbeiter, ist erst seit wenigen Wochen als Leiter der DME Ost aktiv. Solange dort niemand sitzt, kann ich niemanden einladen und mitnehmen.

"Ich weiß schon, dass es im Moment den Anschein hat, Christoph Engl würde nicht mehr an die Marke Südtirol glauben. Doch das ist ein totaler Quatsch."


Und Thomas Plank hat eine Freude mit den Marken Alta Badia oder Drei Zinnen?
Ja , weil er erkennt, dass wir nichts machen, das gegen die Interessen der DME verstößt, sondern dass wir genau das machen, das die DME dringend braucht.

Sie erleichtern ihm also die Arbeit?
Richtig. Wir bauen thematische Konzepte, die die IDM braucht, weil sie ansonsten wieder in der Geografie stecken bleibt. Insofern kann ich sagen, wir antizipieren etwas, das die DME sicher morgen tun muss. Ich schaue dabei auch immer auf das Gesamte, und das würde jemand anderer von außen vielleicht nicht so machen. Also darauf, dass es beispielsweise innerhalb des Gesamtkonstrukts Dolomitenraum unterschiedliche thematische Ausrichtungen gibt.

Wie viele solcher Projekte sind Sie noch bereit zu machen? Bzw. denken Sie, dass nun mit der Abschaffung von Tourismusverbänden  wie der Marketinggesellschaft Meran eine Lücke entsteht, die Geschäftschancen für Unternehmen wie Ihres bietet?
Das kann sein. Doch jeder kann das auch selber machen, wenn er es kann. Sicher ist, dass es Aufgabe der Stadt Meran wie auch vieler anderer Destinationen sein wird, sich der Frage zu stellen, was ihre Rolle innerhalb dieses Konzepts, innerhalb einer größeren Einheit sein soll.  Und wichtig ist, dass sie im Kopf haben: Wenn wir Erfolg haben wollen, brauchen wir nicht mehr von Gleichem, sondern mehr von Verschiedenem. Denn wenn alle das gleiche anbieten, dann reduziert sich alles auf den Preis, dann gewinnt das günstigste Angebot.

Doch wer soll diese Frage für die Stadt Meran beantworten?
Das weiß ich nicht. Sicher ist nur, dass es zu machen ist. Im Hochpustertal hat Franz Senfter dazu die Initiative ergriffen, in Alta Badia ebenfalls Private, es kann aber auch die DME initiieren. Und wenn die DME sagen würde, wir brauchen dabei fachliche Unterstützung, können wir das tun. Und sonst eben nicht.

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Mr Hausverstand Wed, 12/27/2017 - 19:56

Herr Engl unterstellt Herr und Frau Südtiroler und speziell der Tourismuswirtschaft eine ordentliche Portion Naivität. Fakt ist, Herr Engl spukt in den Teller aus dem er 12 Jahre fürstlich gegessen hat und tretet die Dachmarke Südtirol mit Füßen. Mit schulbuchmäßigem Marketingblabla wird nun ein Alibi herbeigeredet, das diese unlauteren Machenschaften für die Lokalmarken rechtfertigen sollte. Und die Markeninhaber, sprich die Landesregierung, bzw. die Verantwortlichen der Markenführung, sprich die IDM, üben sich in Schweigen. Ein Schelm wer böses dabei denkt..... Ein Steuerzahler.

Wed, 12/27/2017 - 19:56 Permalink