Society | Jahreswechsel

Auf dem richtigen Weg?

Die großen Themen 2017, ein Ausblick auf 2018 – samt einer gewollt provokanten Wunschschlagzeile des Landeshauptmannes.
Arno Kompatscher, Jahreswechsel
Foto: Salto.bz

Wenn Arno Kompatscher auf 2017 zurückblickt, sieht er viel Gutes: die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenquote in Südtirol ist eine der niedrigsten in Europa, ja, man kann sogar von Vollbeschäftigung sprechen; die Unternehmer sind zuversichtlich wie lange nicht mehr, “Aufbruchstimmung” herrscht im Land, sagt der Landeshauptmann.

 

Nicht nur Gutes

Den Landeshauptmann und die Menschen im Land daran erinnern, dass Südtirol keine Provinz ist, in der nur Milch und Honig fließen, das ist mit eine Aufgabe der Journalisten. Manches Mal überspitzt, gerne provokativ, häufig unangenehm ist die Arbeit derer, die tagtäglich Information und Nachrichten liefern – und dabei nicht immer auf einer Linie mit den Regierenden und Mächtigen im Land. Das lässt auch der Landeshauptmann durchklingen als er am Freitag Vormittag Vertreter aller Südtiroler Medien im Palais Widmann begrüßt. Er hat zum Gespräch gebeten. Zu Jahresende will Arno Kompatscher die Themen, die 2017 geprägt haben, Revue passieren lassen – und die eine oder andere medial verbreitete Wahrnehmung zurecht rücken.
Etwa jene, dass der Autonomiekonvent “gescheitert” sei. “Sehr einseitig” sei dieser Eindruck, meint der Landeshauptmann, der das “absolut nicht” so sieht, “gerade weil kontroverse und extreme Positionen diskutiert” worden seien und weil es am Ende doch einen Grundkonsens gegeben habe: “Nämlich, dass die Autonomie und ihre Weiterentwicklung in einer europäischen Perspektive der richtige Weg ist.”

“Nicht wahr” seien viele Berichte im Zusammenhang mit dem Tod des kurdischen Flüchtlingsbuben Adan gewesen. Auch wenn Kompatscher eingesteht, dass “leider im System etwas nicht funktioniert” habe. “Größere Gelassenheit” wünscht sich der Landeshauptmann beim Thema Wolf und Bär, mehr Sorgfalt bei der “demokratischen Abbildung von Meinungen” in Sachen Impfen. Dort fordert er auch mehr Solidarität der Bürger ein – und die Einsicht, dass eine hohe Durchimpfungsrate insbesondere dem Schutz der Schwächsten zugute kommt.

Solidarität ist ein Wort, das mehrmals fällt: Einmal als Kompatscher von den Naturgewalten spricht, die Südtirol 2017 heimgesucht haben: Hagel, Regen, Muren, Frost – doch das System Südtirol mit seinen Schutz- und Präventionsmaßnahmen und dem gesellschaftlichen Engagement hält. Ein weiteres Mal als die Themen Migration, Flüchtlinge, Aufnahme und Integration zur Sprache kommt: “Wenn alle, Landesverwaltung, Gemeinden und Bürger die Herausforderung gemeinsam und solidarisch angehen, ist sie absolut zu bewältigen.”

 

Verkannte Auftritte

Versäumt hätten die Medien und manch politische Kommentatoren, die Bedeutung der Veranstaltung zu 25 Jahren Streitbeilegung in Meran zu erkennen, stellt Arno Kompatscher in den Raum. “Ein völkerrechtlich relevantes Ereignis” sei der 11. Juni 2017 gewesen, da die Anwesenheit der beiden Staatspräsidenten Sergio Mattarella und Alexander Van der Bellen sowie deren Reden bewiesen hätten, “dass Italien die Schutzmachtfunktion Österreichs nicht mehr in Frage stellt”.

Es seien diese Auftritte, die für die Zukunft Südtirols und seiner Autonomie von Bedeutung seien, “und nicht die Frage ‘doppelte Staatsbürgerschaft, ja oder nein’”, sagt der Landeshauptmann. Der Auftritt von Werner Neubauer in Bozen hingegen habe “mehr Schaden als der Elefant im Porzellanladen” angerichtet, antwortet er auf eine Frage der Journalisten. “Bis 2018 wäre es nie und nimmer möglich, die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtirol umzusetzen.” Die der FPÖler Neubauer ohnehin in einem nationalistischen Geist verstehe – ganz anders als die SVP, die bereits 2009 festgelegt habe, dass man das Ziel Doppelpass (Kompatscher vermeidet das Wort in diesem Zusammenhang – “das hat mit Fußball zu tun”) nur “in einem europäischen Geist” anvisieren könne.

 

Große Spiele und große Tiere

Wenn also nicht für den Doppelpass, wofür wird sich Südtirol 2018 rüsten müssen? Die Wunschschlagzeilen für das kommende Jahr haben der Landeshauptmann und seine Mitarbeiter in den Redaktionen des Landes nachgefragt. Eher visionär und vermutlich nicht ganz ernst gemeint flimmern Titel wie “Pass vergessen: Sebastian Kurz bei Ausreise am Brenner kontrolliert und zurückgewiesen”, “Alexander Schiebel wird neuer Landesrat für Landwirtschaft”, “Elezioni 2018: Governo provinciale a guida SVP, Freiheitliche e M5S” oder “Geburtenstation am Krankenhaus Sterzing feierlich wiedereröffnet” über die Bildschirme. Doch zumindest zwei der ausgesuchten Schlagzeilen ringen dem Landeshauptmann mehr als ein Schmunzeln ab.

“Olimpiadi 2026: alleanza fatta con Trentino e Veneto” lautet die erste. Ihm gefällt die Idee, dass sich Südtirol, Trentino, Veneto, Friaul-Julisch Venetien und Tirol gemeinsam für die Austragung der Olympischen Winterspiele 2026 bewerben könnten, gesteht Kompatscher. Unter einer Voraussetzung: die Winterspiele kehren in die Wiege des Wintersports zurück, wo keine Milliarden für neue Anlagen und Infrastrukturen ausgegeben werden müssen und es keiner landschaftszerstörerischen Eingriffe bedarf. Und dann verrät der Landeshauptmann, dass er den Vorschlag einer “Olympiade der Dolomiten” bereits Sportminister Luca Lotti und dem CONI-Präsidenten Giovanni Malagò unterbreitet hat.

Mit Neuigkeiten weiß Kompatscher auch in Sachen Wolf und Bär aufzuwarten. “Wir werden Lösungen finden”, verspricht er. In Brüssel und in Rom seien gemeinsam mit dem Trentino alle Hebel in Bewegung gesetzt worden – und man sei auf offene Ohren gestoßen: einerseits mit dem Anliegen, Bär und Wolf von “absolut” auf “relativ” gefährdet abzustufen, andererseits mit der Forderung, dass der italienische Staat einen Managementplan für die Großraubtiere erstellt – und andernfalls die Zuständigkeit dafür mittels Durchführungsbestimmung an das Land übergibt.

 

Recht(s) besorgt?

Zwischen die positiven Nachrichten über die wirtschaftliche Lage Südtirols ganz am Anfang seines Rückblicks platziert Arno Kompatscher die Ankündigung, dass am im Oktober eröffneten Technologiepark NOI eine Fakultät der Freien Universität Bozen entstehen wird: für Ingenieurswissenschaften. Doch an diesem Tag, kurz nach der Auflösung der beiden Parlamentskammern, keine zwei Wochen nach der Angelobung der neuen österreichischen Bundesregierung und wenige Tage vor dem Wahljahr 2018 brennen den Journalisten andere Fragen unter den Nägeln. Wie wird Südtirol, das heißt Landeshauptmann und Landesregierung, mit der neuen Regierungskoalition in Österreich umgehen? Wie wird man in Südtirol den (Wahl-)Kampf mit Rechtspopulisten aufnehmen?
Ganz einfach, meint Arno Kompatscher: “Mit rationaler und realistischer Politik” und nicht indem man “Themen hinterherlaufen” wird. Schließlich habe sich gezeigt, dass “unser Weg”, sprich jener der amtierenden Regierungsmehrheit, “erfolgversprechend und richtig ist, um Sicherheit, Frieden und Wohlstand zu garantieren”.

Beim Blick über den Brenner gibt sich der Landeshauptmann gelassen: “Unsere Ansprechpartner bleiben Bundeskanzler Sebastian Kurz, seine Partei und die Sozialdemokraten – all jene, die in der Vergangenheit unseren Weg unterstützt haben.” Wohin dieser Weg führen soll, steht für Arno Kompatscher außer Zweifel: in Richtung mehr Europa. “Die Antwort auf die heutigen Herausforderungen kann nur eine immer engere Zusammenarbeit in Europa sein”, ist der Landeshauptmann überzeugt – und beweist, dass nicht nur Journalisten provokante Titel produzieren. Arno Kompatschers ganz persönliche, “symbolische”, Wunschschlagzeile für 2018 lautet: “Brüssel: Südtirols Vorschlag für europäische Staatsbürgerschaft wird angenommen.”

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Karl Trojer Sat, 12/30/2017 - 10:21

Ich habe den Eindruck, dass die Regierung mit Arno Kompatscher als Landeshauptmann sehr gute Arbeit geleistet hat und die hier angesprochenen Themen, insbesondere jene vom Wunsch von "mehr Europa" und einem europäischen Pass, treffend dargelegt sind. Viel gute Zeit für´s 2018 wünscht dieser Regierung
Karl Trojer, Terlan

Sat, 12/30/2017 - 10:21 Permalink