Politics | Deutsche (Volks-)-Kultur

Erneuerungsschub nötig

Die deutschsprachigen Medien richten z. Z. ihre Aufmerksam stark auf die Ermittlung des Landeshauptmannkandidaten durch Vorwahlen. Meines Erachtens soll es dabei nicht nur um Gesichter und Sympathien gehen, sonder vor allem um die brenzligen Themen unserer so komplexen Gesellschaft. Von einem zukünftigen Landeshauptmann erwarte ich, dass er Visionen hat bezüglich Zusammenleben der Volksgruppen und deren Bildungs- und Kulturpolitik, bezüglich die künftigen Beziehungen zum Staat und was er zu einer Autonomiestatut- und Verfassungsreform denkt.
In diesem Beitrag befasse ich mich mit dem Thema Kulturpolitik, in einem zweiten mit Bildungspolitik, konkret mit der zweisprachigen Schule.

Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Da ich ein Musik-Liebhaber bin, möchte ich mich in diesem Beitrag vorwiegend auf die Auseinandersetzung mit der Volksmusik und deren Präsentation beschränken. Als Bergbauernkind bin ich mit der Volksmusik groß geworden. In den 50-er Jahren hat man u. A. auch den Schweizer Mittelwellensender Radio Beromünster, sowie den Schweizerischen Kurzwellensender gehört. Neben dem Wetterbericht hörte man auch Schweizer Volksmusik. Weiters empfing man Radio Ljubljana, bei uns „Tschech“ genannt, der Oberkrainer- und Slowenische Volksmusik brachte. Also war die Volksmusik, die ich damals hörte, eine viel breitere, als die, die ich im Sender Bozen unter der Marke „Alpenländische Volksmusik“ zu hören bekomme. Bei den Volksmusiksendungen genannten Senders sind gerade die schweizerische und die Oberkrainer-Volksmusik Tabu. Wie begrenzt die Radiomacher das Alpenland sehen, zeigt sich darin, dass es im Westen und Süden bei der Landesgrenze aufhört. Ich habe noch nie mitgekriegt, welche Volksmusik man im Val Müstair, im Engadin, hinterm Stilfser Joch, am Sulz- und Nonsberg, im Fersen- oder im Fleimstal, geschweige weiter südlich im Welschtirol spielt und hört. Bei Sonntagsreden wird aber ständig die kulturelle Einheit Tirols beschworen. Ebenso habe ich - außer im vergangenen Jahr in Lana - noch nie eine Veranstaltung in Südtirol mitbekommen, wo es um Gemeinsamkeiten bzw. Besonderheiten der Süd- und Welschtiroler Volksmusik und Volkskultur gegangen ist.
Außer um den volksmusikalischen Tellerrand geht es mir auch um die Musealität der bei uns gepflegten, dargebotenen und verbreiteten Volksmusik. Dabei geht es vor allem um die Lieder. Nachwievor wird vom Wildschütz, der Sennerin, vom Wetzstuanhons, vom Fensterlen und vom zu engen Mieder gesungen. Dinge oder Situationen, die erzählte Vergangenheit sind, die sich junge Leute so aber nicht mehr vorstellen können. Volksmusik muss lebendig sein! Volkslieder und Balladen müssen auch vom Jetzt erzählen; müssen also immer wieder neu entstehen und nicht in ihren Inhalten um 1914 oder 1919 stehen bleiben. Außerdem scheint mir in vielen Sendungen ein Übergewicht an religiöser Volksmusik zu bestehen und fast ein Manko an humorigen Volksliedern, an Wirtshaus- und Scherzliedern  sowie aktuellen Stanzeln zu herrschen. Diesbezüglich finde ich Volksmusiksendungen des Bayrischen Rundfunks oder z.B. von Radio Oberösterreich viel interessanter.
Was mich bei den Sendungsmachern von Radio Bozen zudem oft stört ist, dass sie einerseits das authentisch Bodenständige bei der Musik betonen, sich selber aber gar nicht so verhalten. Welcher bodenständige, im Dialekt redende und der Tradition verpflichtete Mensch sagt schon „meine Wenigkeit“? Oder der Hannes, der konsequent sein Sarnerisch redet, geht um 20 Uhr zum Konzert? Ich glaube, der bodenständige Saranar „„dr sel geat um Ochte“. Bereits an anderer Stelle hat man beim Sender Bozen wieder angefangen 7 oder 9 Uhr zu sagen, wie es z.B. in der Schweiz oder in Bayern allgemein gebräuchlich ist. Der Zuhörer versteht schon selbst, dass das angekündigte Konzert nicht am Morgen stattfindet; im Zweifel kann man dann ja „um Ochte znochts“ sagen.

Südtirol hat viele Museen, vieles lässt sich dort erhalten und zeigen. Erhalten lassen sich Noten, Liedtexte, Schallplatten und CDs. Volksmusik und Volkskultur muss aber aktuell sein und gelebt werden.
In unseren Musikschulen werden viele junge Menschen gut ausgebildet, jedoch landen dann wenige bei der Volksmusik. In Bayern z. B., wo die Situation der Grundausbildung ähnlich ist, gibt es ausgesprochen viele junge Volkmusikgruppen, die einerseits sehr selbstbewusst traditionelle Volksmusik spielen und singen, andererseits auch experimentieren, Texte improvisieren und Spaß daran haben. Dabei schaffen sie sehr interessantes Neues. Ich glaube, das ist der Weg. Bei uns hat mein Passeirer Landsmann Herbert Pixner ähnliches vorgemacht und dabei den musealen und geografischen „Tellerrand“ gesprengt. Er spielt zwar nur noch wenig traditionelle Volksmusik, begeistert aber viele - auch junge - Menschen.

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Benno Kusstatscher Sat, 04/06/2013 - 20:21

ob jetzt ausgewiesener Volksmusikfreund oder nicht, aber über den Tellerrand zu hören, ist mit DAB+ deutlich einfacher geworden und ich kann nur jedem raten, das gute alte UKW-Radio mit einem DAB-Radio auszutauschen. Bayern 1-5, Schweizer etc alles empfangbar. An dieser Stelle einmal einen Dank der RAS und den Unterstützern. DAB-Empfang ist wenigstens bei uns in der Stadt im Vergleich zu anderen Ländern vorbildlich und wird doch relativ wenig genutzt.

Sat, 04/06/2013 - 20:21 Permalink
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Sepp Bacher Sun, 04/07/2013 - 19:45

Hallo Benno, dem Dank möchte ich mich anschließen. Ich habe DAB+ im Auto: ein wirkliches Hörerlebnis. Zu Hause empfange ich genannte Sender über das Sat-TV-Gerät. Mir geht es aber um Grundsätzliches was die Ausrichtung der Kulturpolitik und der entsprechenden Radio-Programme, die diesbezüglich einen großen Einfluss haben.

Sun, 04/07/2013 - 19:45 Permalink
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Benno Kusstatscher Sun, 04/07/2013 - 22:29

Hallo Sepp, mir ist schon bewusst, dass mein Beitrag nur indirekt zu Deinem Thema führt, aber doch: solange wir nur mit Autoradio und SAT-TV aufbegehren, werden wir nicht ernst genommen. Beides sind keine Quotenbrecher. Das begrenzte UKW-Band ist voll von traditionell besetzten Medien und Low-Budget-Sendern, nicht zu sprechen von der Frequenzvergabepolitik. DAB+ ist aber ein Bisschen unser "salto" im Äther. Via Küchenradio zur Pressespiegel- oder Mittagsjournal-Rush-Hour gibt uns DAB+ endlich die Möglichkeit, uns als Hörer zu wehren. Zu wehren, in dem wir wählen. Konkurrenz ist der erst Schritt zur Besserung.

Sun, 04/07/2013 - 22:29 Permalink