Politik | Hausärzte

Erster Zug an der Friedenspfeife

Hausärzte-Gewerkschaften und Land haben das Kriegsbeil vorerst tief begraben. Nach monatelangen Verhandlungen ist man sich beim Landeszusatzvertrag einig geworden.

Zwölf Monate und 35 Sitzungen hat es gebraucht bevor Martha Stocker am 28. Juli vor die Medien treten und folgenden Satz sagen kann: “Es waren durchaus bewegte Zeiten, aber jetzt befinden wir uns in ruhigen Gewässern.” Flankiert wird die Gesundheitslandesrätin am Donnerstag Vormittag von vier Personen, die sie im vergangenen Jahr häufiger zu Gesicht bekommen hat als ihr lieb sein dürfte. Susanna Hofmann, Domenico Bossio, Eugen Sleiter und Gianni Pontarelli vertreten die vier Gewerkschaften der Südtiroler Hausärzte. Die langen und zähen Verhandlungen, zwischen Gewerkschaftern und Gesundheitsressort haben nun endlich das zutage gebracht, was nach einem gewonnenen Rekurs der Fimmg notwendig geworden war: ein überarbeiteter Landeszusatzvertrag, in Ergänzung zum staatlichen Kollektivvertrag der Hausärzte.

Mit am Tisch sitzt auch Michael Mayr. Als Stockers Ressortleiter hat er die Verhandlungen für die öffentliche Seite geführt – und ist dabei gar einige Male heftig unter Beschuss geraten. Er vergleicht die nun erfolgte Einigung mit der Heuernte: “Wir haben das Heu ins Trockene gebracht. Nun können wir weiterarbeiten.” Denn vorbei sind die Verhandlungen beileibe noch nicht. Doch mit dem Papier, das Land und Hausärzte bereits am Dienstag (26. Juli) unterzeichnet haben, ist “ein wichtiges Zwischenergebnis” erzielt worden, wie Mayr betont.


Mehr Geld, mehr Dienste

Ausschlaggebend für den Wendepunkt in den schwierigen Verhandlungen war das Bewusstsein auf beiden Seiten, dass zusätzliche Vergütungen für zusätzliche Leistungen der Hausärzte schließlich und endlich zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen wird. Dass es nicht “einfach so” mehr Geld für die Hausärzte geben würde, die nach dem Rekurs der Fimmg (der die Anwendung des nationalen Kollektivvertrags auch in Südtirol erwirkt hatte) auf bis zu 20 Prozent ihrer Einnahmen verzichten mussten, stand für die öffentlichen Verhandlungsführer von Anfang an klar. Für mehr Geld sollten die Allgemeinmediziner auch mehr Leistungen anbieten.

Der Erfolg, zu dem wir jetzt mit Mühe endlich gekommen sind, kommt in erster Linie den Patienten zugute.
(Domenico Bossio, Fimmg)

Die sechs Punkte, auf die sich Land und Gewerkschaften nun geeinigt haben, und die zum Teil im Vorfeld bekannt wurden, sind folgende:

  • die wohnortnahe Betreuung von chronisch kranken Patienten wird mit einem landesweit vereinheitlichten Tarif von 2,50 Euro pro Patient vergütet
     
  • eine einheitliche Stundenvergütung von 22,72 Euro gibt es auch für den Sonn-, Feiertags- und Vorfeiertagsdienst, im Sinne der Betreuungskontinuität (ein Punkt, über den laut Stocker “sehr lange verhandelt” worden sei)
     
  • die kostenlose Ausstellung von ärztlichen Zeugnissen für Ehrenamtliche, die etwa bei Rettungsorganisationen oder der Freiwilligen Feuerwehr tätig sind sowie für die nicht wettkampfmäßige außerschulische sportliche Tätigkeit von Kindern und Jugendlichen bis zu 18 Jahren
     
  • zudem gibt es einen Beitrag von 80 Euro im Monat für die Promemoria, die im Zuge der Umstellung auf die elektronische Verschreibung ausgestellt werden – vor allem aufgrund höherer Büromaterialkosten
     
  • die noch nicht verwendeten Mittel für die Grippeimpfkampagne 2015 werden unter allen Hausärzten aufgeteilt
     
  • darüber hinaus wurden allgemeine Anpassungen im Hinblick auf den Rekurs der Fimmg durchgeführt, um deren gerichtliche Behandlung abzuwenden sowie einige formelle Fehler korrigiert

Laut vorsichtigen Schätzungen des Gesundheitsressorts belaufen sich die zusätzlichen Vergütungen auf insgesamt 2,4 Millionen Euro im Jahr. Zu Erinnerung: Die Hausärzte hatten in etwa dieselbe Summe gefordert, das Land hatte sich lange Zeit quer gelegt. “Damit dürften die Einbußen der Hausärzte in etwa wettgemacht werden”, sagt Michael Mayr. Genau sagen kann er das allerdings zum heutigen Tag noch nicht, dafür müssten die ersten Zahlungen, die jeweils am 27. des Folgemonats getätigt werden, abgewartet werden, so Mayr.


Nach den Verhandlungen ist vor den Verhandlungen

Es ist also geschafft. Vorerst zumindest. Denn wie insbesondere die vier Gewerkschaftsvertreter betonen: “Die Arbeit ist noch nicht fertig.” Es gibt noch einige offene Punkte, die es untereinander und mit dem Land zu klären gilt. Darunter fällt etwa die Höchstgrenze für die Patientenanzahl pro Arzt ebenso wie die Förderung von Gruppenpraxen oder Unterstützungsmaßnahmen für Jungärzte. Weil ihm letztere in der jüngst erzielten Vereinbarung fehlten, hat Eugen Sleiter von der Cisl Medici das Papier nicht unterzeichnet – obwohl er es grundsätzlich gutheißt. “Ich bin zuversichtlich, dass das bei den nächsten Verhandlungen Thema sein wird”, sagt Sleiter am Donnerstag.

In den ersten sechs, sieben Monaten hat es sehr großen Widerstand von öffentlicher Seite gegeben. Hätten wir von Anfang an so verhandelt wie in der letzten Zeiten, hätten wir innerhalb weniger Monate alles unter Dach und Fach gehabt.
(Susanna Hofmann, SNAMI)

Mit Zuversicht gehen auch die restlichen Verhandlungsteilnehmer in die Sommerpause. Im September gehen die Treffen und Gespräche dann weiter. “Hoffentlich mit demselben Verhandlungsklima wie in den letzten Wochen und Monaten”, meint Susanna Hofmann in Richtung Gesundheitslandesrätin Stocker und Ressortleiter Mayr. Dieser bemüht ein weiteres Mal das Bild, das er bereits einmal gezeichnet hat: “Wir werden das Gras nun wachsen lassen und das Heu weiter ernten.”