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Maria Kuenzer: „Die SVP hat die Geschichte vergessen“

Die Botschaft der WählerInnen ist klar. Etwas fehlt bei der SVP. Doch was ist es? Die Emotion, sagt die Pusterer Landtagsabgeordnete Maria Kuenzer, und eine hungrige Jugend.

Maria Kuenzer (10.367 Vorzugsstimmen) sagt es, wie es ist: „Ich hab irgendwann im Wahlkampf den Boden unter den Füßen verloren. Ich hab gemerkt, dass ich zu viel im Auto unterwegs war. Zu viel vorne gestanden bin.““ Der Kontakt mit den Leuten hat gefehlt.“ Das Reden, wie Bernhard Zimmerhofer von der Südtiroler Freiheit unterstrichen hat. Das Zuhören. Das Dasein. Da hat es gehapert, sagt Kuenzer: „Die SVP redet zu viel über die Zukunft, doch es geht in erster Linie um die Gegenwart und ganz wichtig ist die Vergangenheit.“

Super Pustertal, doch halt!

Sie, die Kandidatin der Bäuerinnen und Albert Wurzer (6.998 Vorzugsstimmen) sind sich einig. Super Ergebnis für das Pustertal, fünf KandidatInnen des SVP-Bezirks plus der ladinische Vertreter, Florian Mussner, konnten platziert werden. Doch ein Verlust für die Partei sei es allemal: „Als Bezirksobmann bin ich schon betroffen“, sagt Wurzer. „Wir haben 5,6 Prozent verloren. Und ja, wir haben an die Südtiroler Freiheit und die Freiheitlichen abgeben müssen.“ Zehn Mandate halten die Freiheitlichen, die Südtiroler Freiheit und das Bündnis Bürgerunion-Wir Südtiroler-Ladins gemeinsam im künftigen Südtiroler Landtag. 17 der SVP stehen ihr gegenüber. Rechts rückt vor, in der SVP herrscht gähnende Leere in diesem Eck, vereinsamt steht es da. Kein Auffangbecken mehr, nur schönes Lächeln. Keine derben Atz-Sprüche mehr, keinen Franz Pahl, der polarisiert hatte. Dafür beerben Eva Klotz und Sven Knoll einen SVP-Großen: Alfons Benedikter. Martha Stocker bleibt noch, dementsprechend satt ist ihr Zugewinn. 21.177 Stimmen gehören ihr, auf Platz vier ist sie zu finden, ein Plus von 4.506 Stimmen im Vergleich zu 2008.

Da ist Bedauern und Betroffenheit spürbar, bei Wurzer, „das ist sehr genau zu analysieren“, sagt er und kurz spricht ihn an, den Wermutstropfen: „Die Jungen haben wir nicht platzieren können, das tut mir sehr leid.“ Hans Christian Oberarzbacher ist gemeint, 3.024 Stimmen vor der Kandidat der SVP-Jugend ein, „weiter als über den Bezirk hinaus, kam er nicht“, befindet Maria Kuenzner.

Geschichte vergessen

Ja, die Jugend: Wohin hat sie sich bewegt, bei diesen Landtagswahlen? „Das muss uns zum Nachdenken bewegen, diese Stimmen für die Freiheitlichen und die Südtiroler Freiheit“, sagt Kuenzer und präzisiert: „Die Südtiroler Freiheit hat die Geschichte des Landes in den Mittelpunkt gestellt, das ist uns nicht gelungen.“ Selbstbestimmung für Südtirol – das zieht, Vollautonomie, Europaregion Tirol, „das sind inhaltsleere Begriffe, mit denen Jugendliche oder junge Erwachsene nichts anfangen können.“ Und dann der Satz: „Ich weiß nicht, warum die Jungen so hungrig nach der Geschichte sind, aber wir als SVP müssen sie darin unterstützen. Ich hab den Eindruck, wir trauen uns fast nicht, zu unserer Vergangenheit zu stehen.“

„Ich weiß nicht, warum die Jungen so hungrig nach der Geschichte sind, aber wir als SVP müssen sie darin unterstützen. Ich hab den Eindruck, wir trauen uns fast nicht, zu unserer Vergangenheit zu stehen.“ (Maria Kuenzer)

Emotion – nicht Sachpolitik

Zu nah an Italien? Ist es das, was die WählerInnen sagen wollen. Auf Tageszeitung Online postete am 20. August 2013 ein User: „Wie lange will uns diese scheinheilige Partei noch für dumm verkaufen? Mit der Kompatscher-SVP fliegt Süd-Tirol wohl endgültig in den italienischen Abgrund.“  Was fehle sei die Identität, die Identifikation, das dazu Gehören zur SVP, „das muss uns ganz klar zum Nachdenken bewegen“, urteilt Kuenzer. „Die Jugend braucht von der SVP sinnstiftende Ziele, Sachpolitik reicht nicht.“

Jetzt soll Schluss sein, mit dieser Zurückhaltung, „warum jemand gleich ins rechte Eck drängen, wenn er über die Geschichte des Landes spricht?“ Kuenzer schweben konkrete Projekte für Wirtschaft, Forschung und Kultur vor. „Wir müssen den Austausch stärker fördern und dafür gibt es die Europaregion Tirol.“ Kuenzer ist sich sicher. Ein Volk muss um seine Wurzeln wissen, „dann gibt es auch Visionen für die Zukunft.“ Hier soll die SVP, sagt die Pustererin, ansetzen. Populärer werden, näher am Puls sein. Und zuhören. Und stark sein. Und vielleicht ein bisschen frecher?

Doch wie weit kann sich eine Sammelpartei verbiegen, was ist ihr Kern und was ihre Grundausrichtung? Braucht es ein Feindbild um Emotion zu transportieren? Wenn der Kampf gekämpft ist, was bleibt einer SVP noch, wenn sie schon so gut wie alles hat?