Gesellschaft | Aus dem Netz

Femen: Veränderung durch nackte Brüste?

„Sie fanden uns 2013 schon provokant, warten Sie erst mal auf 2014“: Die in der Ukraine gegründete Gruppe Femen will heuer mit ihren Oben-Ohne-Protesten so richtig durchstarten. Warum diese auch ins Lächerliche ausarten können, ist in der Süddeutschen nachzulesen.

Sie bemalen ihre nackten Oberkörper mit Protestparolen, nennen sich "Sextremisten" und wollen in alle Länder der Welt expandieren: In zehn gibt es bislang bereits Ableger der 2008 in Kiew gegründeten Gruppierung Femen, die mit ihren Oben-Ohne-Protesten immer häufiger gegen gesellschaftliche Missstände auftreten. Doch taugt diese Protestform wirklich dazu, universell Veränderung zu bewirken, fragt die Süddeutsche Zeitung am Freitag in einem Kommentar. 

Femen wurde durch provokante Aktionen in der Ukraine zu einer Marke. Vor der Fußball-EM 2012 im eigenen Land (und in Polen) warnten die jungen Aktivistinnen mit dem aussagekräftigen Spruch „Die Ukraine ist kein Bordell" auf nackten Brüsten davor, dass mit den Fans die Freier ins Land kommen würden. Zwar hat der Nacktprotest eine lange Tradition - etwa im Tierschutz -, doch diese Form war neu: Die Brust wurde nicht verschämt verdeckt, sondern offensiv ausgestellt. Auch die Ästhetik war wichtig. Es handelte sich um schöne Frauen, die ihren Oberkörper mit einer prägnanten Botschaft zur Plakatfläche umfunktionierten. Sie präsentierten sich aggressiv, rissen ihre Arme nach oben, standen breitbeinig da, um nicht umgeworfen zu werden. Lächelten nicht, sondern schrien ihre Slogans heraus. Protestform und Inhalt passten gut zusammen.

Obwohl sich nicht zuletzt Feministinnen über die Wirkung der entblößten Brüste entzweiten – zementieren oder dekonstruieren sie das patriarchale Frauenbild? – schaffte es Femen, Sextourismus und Zwangsprostitution zum Thema zu machen. Auch die Herkunft der Aktivistinnen aus einem autoritär regierten Land steigerte ihre Glaubwürdigkeit. Doch mit dem inflationären und undifferenziertem Einsatz der provokanten Aktionen stoßen die Femen-Aktivistinnen viele Frauen vor den Kopf und laufen Gefahr, lächerlich zu werden, findet die Autorin.

Gefühlt wurde hier im vergangenen Jahr andauernd gegen irgendwas nackt demonstriert. Allein die Aktivistin, die beim Weihnachtsgottesdienst auf den Altar des Kölner Doms sprang, stürmte außerdem in Hannover auf Russlands Präsident Putin zu, demonstrierte in Tunis gegen die Festnahme einer tunesischen Femen-Aktivistin (und saß danach vier Wochen im Gefängnis), störte eine Rede des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz über Flüchtlingspolitik und unterbrach eine Sendung von Markus Lanz, um gegen die Fußball-WM in Katar zu protestieren. Deutsche Femen-Frauen protestierten außerdem gegen das neue Barbie-Haus in Berlin. Nicht immer gelang es ihnen dabei auch, ihre Botschaft rüberzubringen. Vieles wirkte beliebig, manchmal läppisch.

Botschaft oder Selbstdarstellung – das ist hier die Frage. Selbst wenn frau jedoch das ehrliche Anliegen, gesellschaftliche Veränderung bewirken zu wollen, gelten lässt, legt sie den Aktivistinnen gezielte Dosen nahe:  

Je radikaler die Protestform, desto sorgfältiger muss sie eingesetzt werden. Wenn die Femen-Frauen ihre Aktionen in 2014 nicht wirkungsvoller dosieren, verkommt der Protest zur bloßen Geste. Mit der Folge, dass sie am Ende keiner mehr ernst nimmt.