Wirtschaft | Freihandel

“CETA ist das trojanische Pferd für TTIP”

Zur Debatte in Rom über CETA, Schwester von TTIP, nach den USA Freihandel auch mit Kanada und ein Interview mit Parlamentarier Kronbichler.

Nach der Diskussion zu TTIP, dem Freihandelsabkommen mit den USA, bestimmt nun auch das CETA die Diskussionen zu den Grenzen der Freiheit der Europäischen Wirtschaft. CETA ist das Pendent des TTIP mit Kanada.

Gestern haben sich dazu im Parlament in Rom Politiker, Unternehmer und Experten zu einer Debatte. Grünen-Parlamentarier Florian Kronbichler, ein TTIP-Gegner, zeigte sich im Anschluss auf Facebook zuversichtlich. Kurz vor Beginn der Tagung ließen die Medien einen überraschenden Kurswechsel der Europäischen Kommission verlauten: Ab sofort müssen, sowohl TTIP als auch CETA, erst von den Parlamenten der europäischen Nationen genehmigt werden bevor sie unterschrieben und in Kraft treten können. Eine verblüffende Neuigkeit, wenn man bedenkt, dass Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, gerade noch vor einer Woche, CETA (wie auch schon TTIP) als „ausschließliche Zuständigkeit des europäischen Parlaments“ bezeichnete. Dies sorgte so kurz nach dem Brexit, für eine Empörung in der Öffentlichkeit.

 

 

Auch Laura Boldrini, Präsidentin der italienischen Kammer, äußerte sich gestern etwas offener bezüglich eines möglichen Freihandelsabkommen mit Kanada. Sie betonte vor allem „die nicht zu stoppende Globalisierung, an welche man sich anpassen müsse“ und verwies in diesem Zusammenhang auch auf darauf, dass Handelswege im Zeichen der Demokratie, konzipiert und überdacht werden müssen. Besonders die letzen Ereignisse, wie der Brexit und das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei, sorge dafür, dass sich immer mehr Bürger und Bürgerinnen von der EU wegbewegen. Die Präsidentin der Kammer bezeichnete den Verlust Englands als groß, jedoch müsse man nach vorne schauen und das kommende Jahr gut nutzen. „Es ist wichtig, ein noch demokratischeres Europa zu konzipieren, in welchem die nationalen Parlamente ihren direkten Beitrag zu europäischen Entscheidungen zusteuern dürfen und auch müssen.“

Der Südtiroler Grünen-Politiker und, laut eigenen Aussagen, aktivste TTIP- und CETA-Gegner im italienischen Parlament, Florian Kronbichler, bezeichnete das Freihandelsabkommen mit Kanada als ein „ein trojanisches Pferd für TTIP“. Denn auch wenn das Freihandelsabkommen mit dem vermeintlich kleineren Übel in Kraft treten würden, könnten auch die zahlreichen Unternehmen mit Niederlassung in Kanada davon profitieren. Somit wäre es inhaltlich dasselbe. Italien sei, so Kronbichler, das „unterwürfigste Land“ was die Verhandlungen in Bezug auf das Inkrafttreten von CETA anbelangt und den amerikanischen Interessen anbelangt. Sowohl der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, als auch der italienische Entwicklungsminister befürworteten bis vor Kurzem das transatlantische Freihandelsabkommen, sowie das Freihandelsabkommen mit Kanada „total und bedingungslos“, so Kronbichler. Calendo zeigte sich nach der ersten großen Anti-TTIP und CETA- Tagung im italienischen Parlament, durchaus „aufgeschlossener“, laut eigener Aussage, in Bezug auf Kritik. Auch derVersuch, durch sogenannte „reading rooms“, in welchen Parlamentariern und Parlamentarierinnen ein Blick auf das Freihandelsabkommen mit Kanada gewährt werden soll, bringe nichts, da wichtige Informationen fehlen. „Es ist das Gegenteil von Transparenz“, so der in Bruneck geborene Grünen-Parlamentarier. Prinzipiell zeige er sich aber zuversichtlich, denn der Widerstand würde auch weit nach Ende der Amtszeit des aktiven TTIP-Befürworters und derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Obama, nicht so schnell abklingen.


Florian Kronbichler, Südtiroler Parlamentarier der Grünen mit Sinistra Ecologia Libertà
 

Salto.bz.: Herr Kronbichler, gibt es schon Länder welche sich bereits offiziell gegen CETA ausgesprochen haben?
Florian Kronbichler: Die Aussagen sind bisher formlos. Frankreich, die Niederlande, Dänemark und auch Österreich, vor allem unter dem neuen Bundeskanzler Kern, äußerten sich jedoch bereits in diese Richtung.

Nachdem auch das Freihandelsabkommen mit Kanada von mehreren Seiten auf große Kritik gestoßen ist. Wie wahrscheinlich ist es noch, dass CETA in Kraft treten wird?
Ich denke nicht, dass es dazu kommt. Es ist ein großes vorhaben von der amerikanischen Administration. Frankreich hat schon gesagt, es wird nicht mehr die Zeit sein das durch zu handeln. Der Widerstand wird auch nach Obamas Amtszeit nicht abklingen. Für Italien sind die USA, nach der EU, bereits jetzt schon der zweitgrößte Handelspartner.

Wie würde ein Handelsabkommen mit Kanada oder Amerika unseren beruflichen sowie persönlichen Alltag beeinflussen? Insbesondere auch in Bezug auf Südtiroler und Italien?
Während die EU beim Handelsabkommen vor allem am amerikanischen Automarkt interessiert ist, konzentriert sich Amerika besonders auf die europäische Lebensmittelproduktion. Unsere Bauern wären die ersten die blöd schauen würden, wenn sie Amerika ausgeliefert wären. Auch Veränderungen gewerkschaftlicher Standards und besonders die Einrichtung eigener Gerichte für größere Konzerne, wären gegen unser Demokratieverständnis.