Politik | Reaktionen

Sterzinger Belastungsprobe

Es hagelt Kritik für die Landesregierung: Die Geburtenstation in Sterzing müsse nicht geschlossen werden, die Voraussetzungen für eine Rettung seien durchaus gegeben.

Dass eine eventuelle Schließung der Geburtenstation in Sterzing eine unpopuläre Maßnahme sei, das ist Landeshauptmann Arno Komaptscher sehr wohl bewusst, wie er gestern (28. Juni) betonte. Wie unpopulär, zeigen die ersten Reaktionen. Die offizielle Presseaussendung der Landesregierung zur Zukunft der Geburtenstationen war noch nicht verschickt, da trudelten am Dienstag Nachmittag bereits die ersten Kritiken an der wohl kaum mehr abzuwendenden Schließung der Sterzinger Geburtenabteilung ein. Die Opposition im Land ist in Aufruhr, am Ende musste am Dienstag sogar die Landtagssitzung frühzeitig beendet werden, da die Fraktionssprecher eine Aussprache mit der Landesregierung gefordert hatten.

Erst vor wenigen Wochen hat sich der Gemeinderat von Sterzing geschlossen für die Aufrechterhaltung der Geburtenstation und weiterer Einrichtungen am Krankenhaus von Sterzing ausgesprochen”, erinnern die Freiheitlichen in einer Aussendung. Dass der kleinen Geburtenstation, die im Vorjahr 460 Geburten verzeichnet hat, nun das Aus droht – die Landesregierung sieht die Chancen, die Qualitäts- und Sicherheitsstandards dort erfüllen zu können, als “sehr gering” – ist für die Freiheitlichen eine “Bankrotterklärung der Landesregierung”. Als “K.O. für die Glaubwürdigkeit der Landesregierung” bezeichnen die Grünen die drohende Schließung. Sie klagen an: “Das Sicherheitsargument ist ebenso schwach wie die Kosten überschaubar, zudem würde die geforderte ärztliche Versorgung laut interner Auskunft rundum garantiert.” Außerdem hinge “das Selbstbewusstsein und die Identität einer durch ihre Lage nicht verwöhnten, strukturell belasteten Region wie dem Wipptal an der Geburtenstation Sterzing, deren Verlust von vielen Talbewohnern als persönlicher Schlag empfunden würde”. Ziehe die Landesregierung ihren Kurs durch, würden das “zahllose Frauen, Mütter und Pflegerinnen (…) mit vielen Bürgerinnen und Bürgern des ganzen Landes weder begreifen noch (…) jemals verzeihen”.


In den sozialen Medien wird bereits der Ruf nach dem Rücktritt von Gesundheitslandesrätin Martha Stocker laut.

Ähnlich die Stellungnahme der Süd-Tiroler Freiheit (STF): “Die SVP hinterlässt verbrannte Erde, denn die voraussichtliche Schließung der Sterzinger Geburtenstation ist ein großer Rückschritt für das Wipptal und die dortige Bevölkerung.” Die drei STF-Landtagsabgeordneten befürchten, dass damit nur ein erster Schritt Richtung endgültiger Schließung des Wipptaler Krankenhauses gesetzt werde und zeigen sich “schwer enttäuscht” von der Landesregierung. Den betroffenen Mitarbeitern des Krankenhauses Sterzing spricht die STF “die volle Solidarität und Unterstützung” aus. “Auf die Barrikaden gehen” lautet das Motto der Stunde für Andreas Pöder. Selbst will der Landtagsabgeordnete der Bürgerunion das allerdings nicht machen. Vielmehr fordert er die Arbeitnehmer in der SVP auf, ihrer Partei den Marsch zu blasen. Sollte es nötig sein, sollten die Arbeitnehmer der Landesregierung auch die Mehrheit verweigern anstatt “in Partei und Landtag alles abzunicken” oder “nicht viel dagegen” zu tun.

Auf keinen Fall werden wir das zulassen!!!! Sterzing HAT genügend Ärzte auf der Geburtsabteilung. Sollen wir für die Fehler anderer bezahlen, obwohl wir unsere Hausaufgabe gemacht haben?
(die Initiativgruppe “Pro Krankenhaus Sterzingeten Region wie dem Wipptal an der Geburtenstation Sterzing, deren Verlust von vielen Talbewohnern als persönlicher Schlag empfunden würde auf Facebook)

Kritik kommt auch vom Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbund ASGB. Im Gegensatz zur Landesregierung ist man dort überzeugt, dass Sterzing “die allerbesten Voraussetzungen zur Weiterführung der Geburtenstation” erfülle. Der Vorsitzende des ASGB, Tony Tschenett, erklärt: “Wenn man von effektiv ca. 110 Kliniken italienweit ausgeht, die weit weniger als 500 Geburten aufweisen und die Sicherheitsstandards nicht einhalten, dann müsste Sterzing eine der letzten von der Schließung betroffenen Kliniken sein. Zumal Sterzing es als einziges Krankenhaus geschafft hat, das Personal (Hebammen, Gynäkologen, Pädiater)  beizubehalten bzw. auszubauen. Die Ausrede der Sanitätslandesrätin, dass der Fachkräftemangel Schuld an einer möglichen Schließung wäre, verwundert nicht. Wer würde sich bei einem Krankenhaus, dessen mögliche Schließung der Geburtsabteilung monatlich diskutiert wird, gerne bewerben?” Tschenett empfiehlt, einen Blick nach Trient zu werfen. Dort habe es die Landesregierung geschafft, die Geburtenstationen zweier Krankenhäuser – Cles und Cavalese – zu retten, die “bei weitem nicht die Voraussetzungen von Sterzing erfüllen”. Für kommenden Donnerstag, 7. Juli, kündigt der ASGB-Vorsitzende ein Treffen mit dem Personal des Krankenhaus Sterzing an “und alles in unserer Macht Mögliche zu unternehmen, die drohende Schließung zu verhindern”.