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Am unmöglichen Berg

Reinhold und Simon Messner verarbeiten in ihrer Bergfilmdokumentation neue Erkenntnisse zur umstrittenen Cerro Torre-Erstbesteigung. Ein Gespräch mit Vater und Sohn.
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Foto: Salto.bz

salto.bz: Bei der stark angezweifelten Erstbesteigung der berühmten Felsnadel Cerro Torre waren Sie 15 Jahre alt. Wie erinnern Sie sich an diese Nachricht?
Reinhold Messner: Ich war damals ein junger Kletterer und es war ein großer Hype, dass eben dieser unmögliche Berg von Cesare Maestri bestiegen worden ist. Es wusste damals niemand, dass diese „Erstbesteigung“ ein Fake war. Ich bin mit der Geschichte dann in den 70er Jahren konkret in Berührung gekommen. Da hatte Cesare Maestri in Padova einen Vortrag gehalten. Ich bin dorthin und habe sogar mitdiskutiert und gesagt, dass die zweite Besteigung Maestris, der Beweis dafür ist, dass er bei der ersten Besteigung nicht am Gipfel war. Er lieferte selbst den Beweis für sein Fake.

Die Frage bleibt: Wo und wie ist Toni Egger ums Leben gekommen?

Für den Cerro Torre-Film Schrei aus Stein des Regisseurs Werner Herzog aus dem Jahr 1991 haben Sie die Geschichte für das Drehbuch geliefert, 2009 haben Sie ein Buch zur Cerro Torre-Geschichte geschrieben. Dieser patagonische Bergmythos scheint Sie nicht loszulassen?
Reinhold Messner:
Die Geschichte ist einfach zu gut, um sie auf der Straße liegenzulassen. Ich habe für Herzog eine fiktive Geschichte für den Spielfilm geschrieben, die er in veränderter Form verfilmt hat. Beim Buch komme ich der Tatsache schon sehr nahe.

Was gibt es Neues zum Fall Cerro Torre?
Reinhold Messner:
Maestri behauptet zwar auf dem Gipfel des Cerro Torre gewesen zu sein, aber er und der beim Abstieg verunglückte Kletterpartner Toni Egger, waren in Wirklichkeit ganz woanders. Die Frage bleibt: Wo und wie ist Toni Egger ums Leben gekommen?

Wo wird gedreht?
Simon Messner: Wir haben im Dezember am Cerro Torre fantastische Bergbilder gedreht, auch Landschaftsbilder und Spielszenen. Für die Kletterszenen drehen wir in Sulden und teilweise auch in den Dolomiten.

Man weiß nicht, wie lange lineare Medien noch Bestand haben und ob sie überhaupt Bestand haben. 
(Simon Messner)

Dieser Film ist nicht Ihr erstes Bergfilmprojekt. Was fasziniert Sie am Medium Film?
Simon Messner: Ich habe schon einige Produktionen gemacht, wo ich mit meinem Vater zusammengearbeitet habe. Mein Interesse gilt eben den Berggeschichten und wie sie über das Medium Film erzählt werden können. Für die nächsten Jahre, möchte ich in diesem Bereich arbeiten. Es gibt eine Menge Ideen, die ich umsetzen will.

War die Faszination Berg immer schon da?
Simon Messner: Nein, eigentlich hat sie erst mit 16 oder 17 Jahren begonnen. Vorher hat mich das überhaupt nicht interessiert, eher Gegenden die flach sind. Mittlerweile hat sich das geändert, da mich einfach das Klettern begeisterte. Auch wenn ich etwas unter Höhenangst leide, habe ich das relativ gut im Griff.

Wie am Berg kann man auch beim Film tief fallen? Wie finden Sie sich in dem schwierigen Business zurecht?
Simon Messner: Ja, die Branche ist im Umbruch. Man weiß nicht, wie lange lineare Medien noch Bestand haben und ob sie überhaupt Bestand haben. Es verlagert sich viel ins Internet.

Wie war die Annäherung an diesen legendären Gipfelkrimi?
Simon Messner: Wir haben viele Interviews geführt, auch in Patagonien. Spannend finde ich dabei den Kletterer und Patagonienhistoriker Rolando Garibotti und der Geschichte mit ihm und einem Foto in der Wand, welches einst von Cesare Maestri gemacht wurde und Toni Egger zeigt. Das Foto widerspricht den Aussagen Maestris, denn es stammt von der Rückseite des Berges.

Das klassische Bergsteigen ist das Unterwegssein in einer archaischen Welt, nach anarchischen Mustern...
(Reinhold Messner)

Wie beurteilen die Leute um den Cerro Torre, etwa in El Chaltén, die Maestri-Geschichte? Auch dessen zweiten Anlauf mit Bohrmaschine in den 1970ern?
Simon Messner: Den meisten ist es egal ob Maestri am Gipfel war, oder nicht. Als Person ist er auf seine Weise dennoch Teil der Geschichte.

Reinhold Messner: Die Menschen, die dort leben, schätzen ihn, sagen aber auch zynisch: Es ist eine riesige Leistung eine Bohrmaschine von 75 Kilogramm auf den Cerro Torre zu ziehen und es ist relativ einfach mit einer batteriebetrieben, handgroßen Bohrmaschine, Löcher in die Wand zu bohren und hinaufzusteigen. El Chaltén wäre ohne die Geschichte von Cesare Maestri und ohne den Cerro Torre nicht möglich. Natürlich auch nicht ohne den Berg Fitz Roy, dessen Geschichte wir im Film ebenfalls erzählen, weil dort 1952 der französische Bergsteiger Lionel Terray, von oben auf den Cerro Torre schauend meinte: Das ist der unmögliche Berg, den wird nie jemand besteigen.  
Im Film folgen wir präzise der Geschichte und der Zuschauer soll sich auf unsere Frage, selbst eine Antwort geben. Ich gebe keine Antwort, ich bin nicht Hollywood.

Wie schlimm ist es, wenn man mit einem Film nur ganz knapp an die Wahrheit gelangt?
Simon Messner: Im Grunde ist ja klar, dass etwas nicht stimmt. Die von Maestri angegebene Route wurde erst vor wenigen Jahren von der absoluten Top-Elite geklettert. Die hätte man früher unmöglich meistern können. Das Ereignis ist aber so festgeschrieben, auch wenn die Beweise eindeutig sind. Die Geschichte wurde zum Mythos.

Reinhold Messner: Das Ende des Films ist ein Scheitern meinerseits, denn ich bin ja der Detektiv, der den Fragen nachgeht und mit vielen Fachleuten spricht, die genauen Einblick in die Materie haben. Aber am Ende scheitere ich mit meiner Frage, die Maestri nicht beantworten will, beantworten muss, beantworten kann. Wir lassen das offen. Am Cerro Torre herrscht Anarchie.

Wie meinen sie das? Anarchie? Da denken die Leute gleich wieder an Böses und Schlimmes…
Reinhold Messner: Nein Anarchie ist überhaupt nichts Böses und Schlimmes. Anarchie ist eine Form, wie der Mensch vor etwa 10.000/15.000 Jahren gelebt hat. In Clans nach einem archaischen Regelwerk mit auswechselbaren Leaderships.
Das klassische Bergsteigen ist das Unterwegssein in einer archaischen Welt, nach anarchischen Mustern – keine Macht für niemand, ich entscheide selbst. Unterwegssein ist etwas Eigenverantwortliches.