Umwelt | Euregio

Gemeinsam gegen Transit

Südtirol, Trentino und Tirol sollen zusammen gegen schlechte Luft und gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastung vorgehen, fordern die Natur- und Umweltschützer.

Beim Dachverband für Natur- und Umweltschutz nimmt man sich kein Blatt für den Mund wenn es um die schlechte Luftgüte und die für die Umweltschützer offensichtlichen Versäumnisse der Politik geht, die Schadstoffbelastung zu mindern: “Würden sich die drei Landeshauptleute mit derselben Vehemenz für den Gesundheitsschutz ihrer MitbürgerInnen einsetzen wie letzthin zum Thema Neue Brennergrenze, würden sie sicherlich auch in Rom und Brüssel Erfolge zur signifikanten Verringerung des gesundheitsschädlichen Transitverkehrs erzielen.” So die harsche Kritik, mit der der Dachverband am Freitag vor die Presse getreten ist. Man ist sich sicher: “So kann es nicht weitergehen!” Denn während Verkehr und Gewinn auf der A22, der Brennerautobahn zunähmen, steige auch die Schadstoffbelastung – “dies alles auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung”, bemängeln die Natur- und Umweltschützer. Sie fordern nun die Landeshauptleute der Euregio auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen.


Ohne Lobby ist's schwer

Eigentlich existiert bereits ein Maßnahmenkatalog zur Reduzierung der Schadstoffbelastung, den die Landesregierung auf Vorschlag der Landesagentur für Umwelt 2010 genehmigt hat. Allerdings liege dieser seit mehreren Jahren bei den zuständigen Ministerien für Umwelt und Verkehr in Rom, erinnert der Dachverband. “Passieren tut in dieser Angelegenheit leider nichts.” Doch dass dringend Handlungsbedarf besteht, hat nicht zuletzt die jüngst in dem vom Amt für Luft und Lärm vorgestellten Jahresrückblick der Schadstoffbelastungen bewiesen. Stickstoffoxide, Feinstaub und Ozon – all diese Werte sind 2015 im Vergleich zum Jahr davor angestiegen. Zudem wurden die von der EU vorgeschriebenen Grenzwerte an vielen Messstellen überschritten. “Immer noch”, so der Vorwurf des Dachverbands.

Gerade entlang der stark befahrenen Verkehrsachsen sei es nicht von der Hand zu weisen, dass zwischen Schadstoffbelastung sowie schlechter Luftqualität und der konstant überschrittenen Grenzwerte ein kausaler Zusammenhang bestehe: “Etwa drei Viertel der Schadstoffbelastungen entlang der Brennerautobahn stammen vom Verkehr, insbesondere aus dem Schwerverkehr.” Und dieser nimmt auf der Brennerachse unvermindert zu, wie letzthin der Verkehrsclub Österreich bestätigte. So nutzten 2015 insgesamt 2,1 Millionen LKW den Alpenübergang über den Brenner – eine Summe, die jener des gesamten Schwerverkehrs über die vier Schweizer Alpenpässe entspricht. Die Gewinne, die die Frächter über den Umwegverkehr über den Brenner erzielten, gingen allerdings auf Kosten der Gesundheit der Anrainer, beklagen die Natur- und Umweltschützer.

Dazu hat man am Freitag einen Experten geladen. Der Allgemeinmediziner Wilhelm Seppi kann auf über 30 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Und bestätigt Studien, die die exzessive Luftverschmutzung für frühzeitige Todesfälle verantwortlich machen. Umweltfaktoren wie Lärm und Schadstoffe spielten “eine nicht unerhebliche Rolle” bei der objektiven Zunahme von Krebserkrankungen, so Seppi: “Betroffen von den negativen Auswirkungen der Schadstoffbelastungen wie Stickoxiden sind in erster Linie kranke Mitmenschen, Senioren und Kinder – Personengruppen also, die keine Lobby haben.”


Selbst ist das Land

Dafür nimmt nun der Dachverband die Politik in die Pflicht. Gestützt auf die EU-Richtlinie 2008/50, die besagt, dass sich EU-Staaten zur Erstellung eines Luftqualitätsplans, aber auch zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte innerhalb vorgesehener Fristen verpflichten müssen. Dazu der Präsident des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, Klauspeter Dissinger: “Es ist zu wenig, lediglich auf die dynamische Geschwindigkeitsbegrenzung und auf eine mittelfristige Einführung der Eurovignette zu verweisen um die gesundheitlichen Belastungen zu reduzieren.” Denn auch LKW der Euroklasse 6 stießen statt der vorgesehenen 80 Gramm Stickoxide pro Kilometer “in etwa das Siebenfache aus”.

Außerdem sei es “auch scheinheilig, dass die Landeshauptleute von Südtirol und Trentino die Nordtiroler Landesregierung in ihrem Bestreben, das sektorale Fahrverbot umzusetzen zwar moralische unterstützen, selbst aber nichts dergleichen unternehmen und keine konkreten Maßnahmen setzen”, fährt Dissinger fort. Daher fordert man mit Nachdruck, Landeshauptmann Arno Kompatscher auf, in Zusammenarbeit mit den Landeshauptleuten von Trentino und Nordtirol konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um etwas für die Gesundheit der durch Schadstoffe belasteten Bevölkerung zu tun: Sofortmaßnahmen gegen den Umwegverkehr von 600.000 LKW pro Jahr über den Brenner; sektorales Fahrverbot für sperrige Güter mit gleichzeitiger Verbesserung des Rollmaterials um die Lärmbelästigung zu reduzieren; die Gewinne der A22 für Ausgleichszahlungen verwenden, um die negativen Effekte der Autobahn zu minimieren und “damit der Bevölkerung die zu ihren Lasten erwirtschafteten Gewinne zugute kommen zu lassen”, schließt Dissinger.