Gesellschaft | Taxi-Skandal

„Ich mache da nicht mit“

Der AGB/CGIL-Gewerkschafter Agostino Accarino über die skandalöse Entscheidung der Bozner Taxikommission, das Zustandekommen und seinen unmittelbaren Rücktritt.
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Foto: CGIL
Salto.bz: Herr Accarino, Sie sind Mitglied der Bozner Taxikommission, die eine skandalöse Entscheidung getroffen hat...
 
Agostino Accarino: Ich war Mitglied dieser Kommission. Denn ich habe inzwischen dem Bürgermeister und der zuständigen Stadträtin schriftlich meinen unwiderruflichen Rücktritt zukommen lassen. Es soll ein Zeichen des Protestes sein.
 
Was aber ist am Mittwoch in der Kommission passiert?
 
Es gab eine ganz klare Tagesordnung mit einem sehr deutlichen Punkt. Die Kommission hat weder über Schuld noch Unschuld zu entscheiden, sie hat keine strafrechtlichen Fragen zu beurteilen. Unsere Aufgabe war es zu beurteilen, ob das Verhalten dieses Taxifahrers gegen die entsprechende Gemeindeverordnung verstoßen hat oder nicht. Ich habe im Laufe der Sitzung aber merken müssen, dass man über ganz andere Dinge diskutiert hat...
 
Über was wurde geredet?
 
Man hat plötzlich herausgezogen, man müsse abwarten, bis dieser Taxifahrer einen Ermittlungsbescheid bekommt. Damit war man auf einer ganz anderen Ebene. Als es dann zu diesem Abstimmungsergebnis gekommen ist, war für mich Schluss. Diese Entscheidung geht gegen meine persönliche Ethik, gegen alles, was ich denke. In Anbetracht eines so schwerwiegenden Falles kann man doch nicht so tun, als sei nichts passiert.
 
Sie waren unter den drei Mitgliedern, die für die Suspendierung des Taxifahrers gestimmt haben?
 
Natürlich. Ich habe die zuständige Stadträtin Maria Laura Lorenzini in ihrem Ansinnen voll unterstützt, eine vorläufige Suspendierung der Lizenz dieses Taxifahrers zu beschließen. Ich wundere mich, dass man darüber überhaupt reden muss. Man kann alle nur möglichen Argumente herausziehen und natürlich geht es hier auch um einen Menschen, der seine Arbeit verliert. Aber die Schwere des Falles ist doch augenscheinlich. Die Tatsachen und die Dynamiken lassen – nach meinem Empfinden – keinerlei Spielraum. Eine Suspendierung wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen. Damit hätte man alle geschützt. Die Kategorie der Taxifahrer aber auch die Bürgerinnen und Bürger.
„Diese Entscheidung geht gegen meine persönliche Ethik, gegen alles, was ich denke. In Anbetracht eines so schwerwiegenden Falles kann man doch nicht so tun, als sei nichts passiert.“
Sie sagen: Eine Suspendierung wäre auch für die Taxifahrer besser gewesen?
 
Auf jeden Fall. Die Taxifahrer sind öffentliche Dienstleister. Gerade für sie wäre es wichtig gewesen, dass man ihren Berufsstand vor solchen Auswüchsen schützt. Hier geht um eine vorläufige Aussetzung, bis das Ganze geklärt ist. Die Gerichtsbarkeit wird ihren Weg machen. Aber die Kommission hätte hier eingreifen müssen.
 
Die Mehrheit hingegen hat sich auf Formalismen berufen?
 
Das ist ja das absurde. Man hat sich Dinge aus den Fingern gesaugt, die absolut nichts mit der Kommission zu tun haben. Es gibt eine Taxiverordnung der Gemeinde, die genau festlegt, wie sich der Taxifahrer dem Fahrgast gegenüber zu verhalten hat. Man hätte nur diese Verordnung anwenden müssen und die Suspendierung wäre augenscheinlich gewesen.
„Natürlich geht es hier auch um einen Menschen, der seine Arbeit verliert. Aber die Schwere des Falles ist doch augenscheinlich.“
Sie scheinen immer noch überrascht über das Abstimmungsergebnis?
 
Ja. Überrascht und erschüttert. Wobei man auch sagen muss, dass ein Kommissionsmitglied es vorgezogen hat, kurz vor der Abstimmung zu verschwinden. So haben eben sechs Kommissionsmitglieder gegen die Suspendierung und nur drei dafür gestimmt.
 
Für Sie ein Grund, persönliche Konsequenzen zu ziehen?
 
Ja. Ich habe am Mittwochnachmittag dann meinen Rücktritt eingereicht. Ich kann nicht mehr Mitglied einer solchen Kommission sein. Das widerspricht einfach meinen Prinzipien und meiner Weltanschauung.
 
Die Kommission ist formal ein beratendes Organ, das ein Gutachten abgibt. Sollte Bürgermeister Renzo Caramasci die Mehrheitsentscheidung umwerfen?
 
Das könnte er. Ich gehe davon, dass schon in den nächsten Tagen etwas passieren wird. Denn mein Rücktritt ist auch ein Akt des Protestes, um aufzuzeigen, dass es auch Menschen gibt, die so nicht mehr mitmachen.