Politik | Richtung Rom

“Die SVP ist heute schon Siegerin”

Für Ulli Mair sind die Parlamentswahlen “Scheinwahlen” – dank neuem Wahlgesetz und SVP, die die Frontfrau der Freiheitlichen scharf kritisiert.
Ulli Mair
Foto: Die Freiheitlichen

salto.bz: Frau Mair, haben Sie bereits entschieden, ob und wen Sie am 4. März wählen?

Ulli Mair: Die Lust, an Scheinwahlen teilzunehmen, hält sich in Grenzen.

Wegen des neuen Wahlgesetzes, des Rosatellum, das auch die Freiheitlichen kritisieren?

Die SVP soll jetzt die Suppe auslöffeln, die sie sich und den Südtirolern eingebrockt hat. Als demokratiepolitisches Feigenblatt für die SVP geben wir uns nicht her.

Die Freiheitlichen haben beschlossen, bei den diesjährigen Parlamentswahlen nicht zu kandidieren. Nichtsdestotrotz meldet sich Ihre Partei kräftig zu Wort. Heftige Kritik gibt es vor allem für die SVP, ihr Abkommen mit dem PD und ihr Kandidaten-Recycling. Hätten die Freiheitlichen nicht zeigen können, dass sie es besser können – und am 4. März antreten?

Dagegen spricht ganz einfach das neue Wahlgesetz, das uns a priori keine reale Chance einräumt. Sicher hätte man sich zählen lassen können und mangels Alternativen wäre ein Achtungserfolg sicher möglich. Es ist aber an der Zeit, der Bevölkerung die Auswirkungen des Wahlgesetzes bewusst zu machen. Auch die Präsentation neuer Personen hätte einen positiven Begleiteffekt gehabt, allerdings hätte man uns sicher wieder den Vorwurf gemacht, dass jede Stimme für die Freiheitlichen eine verlorene Stimme wäre.

Was passiert, wenn der PD diese Wahlen verliert? Dann hat die SVP aufs falsche Pferd gesetzt und liefert Südtirol dem freien Spiel der Kräfte aus.

Wie bewerten Sie die Manöver der kandidierenden Südtiroler Parteien? Die SVP hat auf parteiinterne Vorwahlen gesetzt, um ihre Kandidaten zu ermitteln.

Grundsätzlich steht es jeder Partei frei, nach welchen Kriterien sie ihre Kandidaten aussucht. Allerdings, was die SVP anbelangt, die sich ja den Alleinvertretungsanspruch einbildet, dort schaut man natürlich näher hin, weil sie ein entsprechendes Wahlgesetz erreicht hat, das ihr alle Mitbewerber aus dem deutschen und ladinischen Parteienspektrum vom Leibe hält. Daher waren die so genannten Basiswahlen nicht nur eine Farce, sondern eine regelrechte Verhöhnung.

Der Bündnispartner PD wird keine lokalen Vertreter nominieren.

Was den PD anbelangt, so ist es bedenklich, dass die Kandidaten von außen kommen, Provinzfremde sind, und von Renzis Gnaden ernannt werden. Dass sich der lokale PD dies gefallen lässt, sagt sehr viel über die Führungskräfte aus. Es ist allerdings bekannt, dass das Triumvirat Bressa, Costa und Magnago das gute und das schlechte Wetter machen und vor allem auf Postenbeschaffung im Lande aus sind. Damit scheinen alle zufrieden.

Von den deutschsprachigeen Oppositionsparteien werden auch Süd-Tiroler Freiheit und Bürgerunion nicht kandidieren, die Grünen treten im Bündnis mit “Liberi e Uguali” an, die 5-Sterne-Bewegung schickt weitgehend unbekannte Kandidaten ins Rennen.

Was die Kandidatenerstellung des M5S anbelangt, so hat das mit Demokratie und Transparenz wenig zu tun. Das Wahlbündnis der Grünen spricht für sich und bedarf meinerseits keines Kommentars.

Ihre Partei hat bei den Parlamentswahlen 2013 landesweit eine bedeutende Anzahl an Stimmen bekommen: über 42.000 sowohl in der Kammer als auch im Senat, was jeweils über 15,5 Prozent entspricht. Für diese Wähler gibt es 2018 keine wirkliche Alternative, oder?

Ja, das ist so. Das ist auch bedauernswert, aber wie gesagt, der Vorwurf geht in Richtung neues Wahlgesetz, von den Herren Bressa und Zeller wohl nicht umsonst so gewollt.

Die Freiheitlichen beteiligen sich an einem Rekurs gegen das Rosatellum.

Die Freiheitlichen haben bereits gegen das alte Wahlgesetz Verfassungsklage erhoben. Leider wurde das Gesetz geändert, noch bevor der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen hat. Was hingegen das Rosatellum betrifft, so hat Pius Leitner als Privatperson gemeinsam mit anderen Rekurs dagegen eingereicht. Es geht vor allem um die 20-Prozent-Hürde, gleichbedeutend mit einer 40-Prozent-Hürde in Südtirol. Was die SVP als Minderheitenschutz bezeichnet, ist in Wahrheit eine reine Machterhaltungsmaßnahme für sich selbst.

Auch der ehemalige SVP-Senator Oskar Peterlini räumt den Rekursen gute Chancen auf Erfolg ein. Wie lautet Ihre Einschätzung?

Dem schließe ich mich an, nicht nur weil Oskar Peterlini in Sachen Wahlgesetze viel Erfahrung hat, sondern weil es ganz einfach meinem Demokratieverständnis entspricht. Was schlussendlich herauskommt, steht natürlich in den Sternen. Vergessen wir aber nicht, dass der Verfassungsgerichtshof bereits das bisherige Wahlgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte, das Parlament jedoch trotzdem in Amt und Würden blieb. In Italien ist vieles möglich, schließlich hatten wir ein illegales Parlament und bereits den vierten nicht gewählten Ministerpräsidenten.

Teilen Sie die Befürchtung, dass es dieses Mal große Wahlenthaltung geben wird? Weil die Wähler keine wirkliche Wahl haben, da die Kandidaten von den Parteien vorgegeben werden und keine Vorzugsstimmen möglich sind? Und vor allem weil in Südtirol die SVP sich schon siegessicher gibt?

Was heißt siegessicher? Die SVP ist bereits heute schon Siegerin – sie hat ja keinen Gegner. Eine Wahlenthaltung ist natürlich zu befürchten, diese hat jedoch ausschließlich die SVP zu verantworten.

Wird es eine Wahlempfehlung für Freiheitliche Wähler geben? Falls ja, für wen?

Damit wird sich der Landesparteivorstand noch befassen.

Was die SVP als Minderheitenschutz bezeichnet, ist in Wahrheit eine reine Machterhaltungsmaßnahme für sich selbst.

Abgesehen von parteipolitischen Scharmützeln: Welche Themen gälte es für Ihre Partei in Rom voranzubringen?

Für uns geht es in Rom um die Festigung und den Ausbau der Autonomie bis hin zum Freistaat. Die Autonomie ist für uns nicht das Ende der Geschichte. Wichtige Schwerpunktthemen sind für uns Freiheitliche selbstverständlich die Kompetenz in der Einwanderungs- und Flüchtlingsfrage, bei der Sicherheit (Landespolizei), die Abschaffung des Regierungskommissariats, die primäre Zuständigkeit im Schul- und Bildungsbereich, in der Sanität und eine wirkliche Steuer- und Finanzhoheit. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass wir nicht einmal die Mindestpensionen für jene Menschen erhöhen können, die unser Land aufgebaut haben oder Familien durch Steuersplitting und zusätzliche Abschreibemöglichkeiten nicht unterstützen können. Weiters würden wir natürlich für eine Änderung des Wahlgesetzes mit Wiedereinführung des reinen Verhältniswahlrechtes und mit Vorzugsstimmen für Südtirol als einzigen Wahlkreis ebenso eintreten, wie für die Wiedereinführung der abgeschafften christlichen Feiertage. Die Anerkennung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten sowie die Gleichstellung der Bediensteten im öffentlich und privaten Bereich ist für uns seit jeher auch ein wichtiges Thema.

Und wer ist der Ansprechpartner der Freiheitlichen für diese Themen in Rom?

In Rom geht es für Südtiroler Abgeordnete ausschließlich um die Interessensvertretung des Landes. Parteipolitische Anbiederungen an gesamtstaatliche Parteien sind wenig nützlich, weil sich die Mehrheitsverhältnisse immer wieder ändern. Was passiert, wenn der PD diese Wahlen verliert? Dann hat die SVP aufs falsche Pferd gesetzt und liefert Südtirol dem freien Spiel der Kräfte aus.

Hätten Sie persönlich kein Interesse gehabt, nach Rom zu gehen?

Klar. Ich habe bereits mehrmals kandidiert und damit mein Interesse bekundet. Angesichts der Tatsache, dass die Landtagsmehrheit unseren Antrag auf die Einführung des Verhältniswahlrechtes wie bei den Landtagswahlen abgelehnt hat und dieses unsägliche Rosatellum wollte, gibt es keine Chancengleichheit: Ein Mandat ist dann reizvoll, wenn es im  Wettstreit der Ideen errungen wird und nicht wenn es dem einen per Gesetz geschenkt und dem anderen verhindert wird.