Politik | SVP

Der Gummiparagraph

Die Abwahl von Christoph Perathoner ist in die Hosen gegangen, und die geplante Statutenänderung wird kaum dazu beitragen, einen Fall Gatterer in Zukunft zu vermeiden.
SVP-Sitz in Bozen
Foto: Hannes Prousch
Am Ende wird sich Philipp Achammer irgendwie aus der Affäre ziehen können. Der junge SVP-Obmann kann darauf verweisen, etwas getan zu haben.
Dabei ist das, was herausgekommen ist, je nach Standpunkt entweder als mager anzusehen oder als völliger Rohrkrepierer. Sicher ist: Das Ergebnis dürfte kaum das sein, was sich Philipp Achammer auf die Fahnen geschrieben hat.
 

Der Konflikt

 
Ausgangspunkt ist eine Never-ending-Story: Der Konflikt zwischen SAD-Eigner und CEO Ingomar (laut digitaler Unterschrift der richtige Name) Gatterer und der Landesregierung. Immer wieder poltert der ehemalige Pfalzner SVP-Ortsobmann in Sachen Nahverkehr gegen die Landesregierung und Landesverwaltung. Gatterer zieht vor Gericht, feuert verbale Kanonaden gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher ab und benimmt sich wie der sprichwörtliche Elefant im Prozellanladen.
In die Schusslinie dieses Streits geraten verständlicherweise auch zwei hohe SVP-Funktionäre, die für die SAD tätig sind: Altlandeshauptmann Luis Durnwalder und der Bozner SVP-Bezirksobmann und Sprecher der Bezirksobmänner Christoph Perathoner. Durnwalder ist seit vier Jahren bezahlter Berater der SAD AG und Perathoner seit 2006 Präsident des privaten Nahverkehrsunternehmens. Beide haben sich in diesem Konflikt bisher im Hintergrund gehalten.
 
Weil man sich an der SVP-Spitze nicht traut, gegen Luis Durnwalder vorzugehen, und Philipp Achammer den Altlandeshauptmann als publikumswirksamen Joker im Landtagswahlkampf einsetzen will, sollte jetzt wenigstens Christoph Perathoner zum Handkuss kommen.
Im Jänner 2018 stellte SVP-Obmann Philipp Achammer über die Medien ein Ultimatum. Christoph Perathoner müsse sich entscheiden, auf welcher Seite er steht. Entweder SAD oder SVP. Seitdem ist die Rede davon, dass Christoph Perathoner entweder als SAD-Präsident zurücktreten muss oder als SVP-Bezirksobmann.
Zwei Monate lang hat sich danach nichts mehr getan.
 

Gescheiterte Abwahl

 
Weil Christoph Perathoner so tut, als gehe ihn das alles nichts an, wurde die SVP-Zentrale tätig. Seit rund einem dreiviertel Jahr ist eine Neuwahl fällig. Im vergangenen Frühjahr wurden die Organe der SVP-Bezirke für die nächsten drei Jahre bestellt. Christoph Perathoner wurde als Obmann des SVP-Bezirkes Bozen Stadt und Land dabei einstimmig wiederbestätigt. Perathoner ist seit 2005 aber auch Sprecher der SVP-Bezirksobleute. Der Sprecher wird von den sieben Bezirksobleuten gewählt.
Diese Wahl stand jetzt an. Einberufen werden muss die Wahl vom amtierenden Sprecher, deshalb forderte der SVP-Obmann von Perathoner die Neuwahl anzusetzen.
Am Montag war es soweit. Perathoner teilte mit der Einberufung aber mit, dass er „aus Arbeitsgründen“ für das Sprecheramt nicht mehr zur Verfügung stehe. Der Plan Achammers schien damit aufzugehen.
 
Als sich die sieben Bezirksobleute, der Parteiobmann und der Landessekretär am Montag um 13 Uhr am SVP-Sitz zur Neuwahl trafen, bekräftigte Christoph Perathoner seinen Verzicht auf das Sprecheramt. Der Eisacktaler Bezirksobmann Herbert Dorfmann schlug daraufhin den Pusterer Bezirksobmann und Neosenator Meinhard Durnwalder als neuen Sprecher vor. Durnwalder wurde auch einstimmig gewählt.
Damit schien das Problem Perathoner zumindest zum Teil erledigt. Doch dann gab es eine unerwartete Wendung.
Laut Statut hat der Sprecher auch einen Stellvertreter. Bisher hat der Unterlandler Bezirksobmann Oswald Schiefer dieses Amt bekleidet. An der Parteispitze ging man davon aus, dass das auch in den nächsten drei Jahren so sein wird. Weil Oswald Schiefer aber - nach dem Abgang Dieter Stegers in den Senat - neuer SVP-Fraktionssprecher im Landtag werden soll, erklärte der Kurtatscher SVP-Politiker, für das Stellvertreteramt nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
 
Zudem schlug Meinhard Durnwalder ausgerechnet Christoph Perathoner als seinen Stellvertreter vor. „Ich brauche jemand, der kurzfristig einspringen kann, wenn ich verhindert bin“, erklärt Meinhard Durnwalder gegenüber salto.bz, und der Christoph sitzt in Bozen und weiß, was zu tun ist.
Christoph Perathoner wurde daraufhin einstimmig zum stellvertretenden Sprecher der Bezirksobleute gewählt.
Ein Abwahl sieht wohl anders aus.


Der neue Paragraph

 
Nach dieser Wahl traf sich am Montag die Parteileitung. Dabei stand neben einer Weichenstellung für die Landtagswahlen auch eine Änderung des Parteistatutes zur Diskussion.
SVP-Obmann Philipp Achammer legte dem obersten Parteigremium dabei eine neue Bestimmung vor, die ebenfalls im Lichte der SAD-Auseinandersetzung gesehen werden kann.
Der neue Paragraph:
 
„Die Funktionäre/innen der SVP üben ihre Aufgabe mit höchstem Verantwortungsbewusstsein aus. Die Ausübung der beruflichen und privaten Tätigkeiten der Funktionäre/innen der SVP hat nach der Maßgabe zu erfolgen, dass diese nicht im Widerspruch zur politischen Ausrichtung der SVP stehen, Interessenskonflikte vermieden werden und jedenfalls das Ansehen der Partei nicht geschädigt wird.“
 
Es ist ein sehr dehnbares Konzept, das in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommt.
Das ist heiße Luft“, spottet ein prominentes Mitglied des SVP-Parteiausschusses.
Karl Zeller, der am Montag bei der Sitzung nicht anwesend war, verteidigt hingegen die Neuerung: „Eine Partei braucht gewisse Maßnahmen zum Selbstschutz“, sagt der stellvertretendes SVP-Obmann.
 
In der Parteileitung wurde die Neuerung so erklärt: Man habe derzeit keinerlei Handhabe, etwa gegen einen Parteifunktionär vorzugehen, der sich in oder bei einer anderen Partei betätigt.
So ganz stimmt das nicht. Denn bereits 2009 wurde eine Statutenänderung in diesem Sinne vorgenommen. So wurde unter den Aufgaben der Parteileitung ein Punkt eingefügt:
 
„Entscheidung über den Parteiausschluss sowie die Verhängung von Sanktionen im Falle von Vorkommnissen, die das Ansehen der Partei beeinträchtigen“.
 
Zudem gibt es im SVP-Statut das Schieds- oder Ehrengericht, das auch bei „Streitigkeiten betreffend das Verhalten von Mandataren/innen, Kandidat/innen bei Wahlen, Funktionär/innen sowie betreffend Vorkommnisse, die das Ansehen der Partei beeinträchtigen können“ entscheidet.
Für Karl Zeller ist das Schiedsgericht keine echte Lösung, weil die Urteilsfindung zu lange dauert. Auch die von ihm 2009 eingebrachte Zusatzklausel für die Parteileitung sei zu weitmaschig. „Wir brauchen genauere politische Vorgaben auch für die Parteifunktionäre“, begründet der SVP-Vizeobmann die geplante Änderung. Die neue Bestimmung soll auch eine Art Wink mit dem Zaumpfahl sein.
Philipp Achammer hat am Montag den neuen Passus in der Parteileitung vorgestellt. Zuständig für die Statutenänderung ist die SVP-Landesversammlung. Sie soll am 9. Juni im Meran über den Paragraphen abstimmen.
Dann wird sich zeigen, ob dieser Gummiparagraph gegen ein(en) Gatter(er) nützt.
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alfred frei Di., 20.03.2018 - 17:42

Die Partei sollte vor der Abhaltung der Landesversammlung eine Kautschuk-Kommission einsetzen. Wie bekannt fördert die Kautschukverwendung unter anderem auch die "technologische" Entwicklung der SVP-Mitglieder und kann durch Gummiparagraphen das alltägliche Parteileben sogar erleichtern. Ein direkter Bezug zu der Bereifung der SAD-Busse und dem Nahverkehr zwischen den verschiedenen Entscheidungsgremien wäre auch gegeben. Oder nicht ?

Di., 20.03.2018 - 17:42 Permalink