Politik | SVP

Steife Ostbrise

Gert Lanz will in den Landtag, womöglich in die Landesregierung. Dem SVP-Bezirk Pustertal wird das Spiel zu bunt – man begehrt gegen die Parteispitze in Bozen auf.
SVP-Sitz in Bozen
Foto: Salto.bz

Noch bis vor wenigen Tagen war seine Kandidatur nicht sicher – und auch zum Zeitpunkt als Gert Lanz vor die Medien tritt, um seine Kandidatur zu verkünden, ist er noch nicht offiziell für die Landtagswahlen am 21. Oktober gesetzt. Dennoch: Der lvh-Präsident ist im Wahlkampfmodus. Ganz offiziell. Denn der lvh-Vorstand hat am Freitag grünes Licht gegeben. Einstimmig sei der Beschluss gefallen, ihn als Landtagskandidaten mitzutragen, unterstreicht Lanz.
Der Zeitpunkt für den Gang an die Öffentlichkeit ist klug gewählt. Die SVP, für die Lanz antreten will, hat ihn noch nicht abgesegnet. Und wenige Stunden später findet in Lanz’ Heimat, im Pustertal, eine Dringlichkeitssitzung statt. In der dortigen SVP goutiert man es gar nicht, dass im letzten Moment ein Kandidat aus dem Hut gezaubert wird, der die Karten in einer bereits beendet geglaubten Partie neu mischt. Und kurz vor 23 Uhr steht fest: Das Spiel geht in die nächste Runde.
Doch inzwischen hat sich der lvh-Präsident selbst ins Rennen geschickt. Angeschoben vom Landeshauptmann.

 

Wenn der Landeshauptmann anklopft...

“Es braucht wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen für Betriebe, damit diese motiviert nach vorne schauen können.” Es gelte, “die Herausforderungen der Zukunft möglichst optimal zu gestalten”, betont Gert Lanz am Freitag Nachmittag. Und dafür will er, der Präsident des Handwerkerverbandes, in den Landtag einziehen. Gemeinsam mit Reinhard Zublasing. Das bekräftigen beide mehrmals. “Im Team können wir mehr erreichen und unsere Durchschlagekraft erhöhen”, sagt Zublasing. Der Eppaner Unternehmer befindet sich seit er am 19. Mai vom SVP-Bezirk Bozen Stadt und Land nominiert wurde, im Wahlkampf. Lange sah es so aus, als ob er der einzige Kandidat sein würde, der sich der Unterstützung des lvh gewiss sein konnte – als Sieger einer internen Befragung unter den über 13.500 Mitgliedsbetrieben und zumal Verbandspräsident Lanz mehrmals dankend abgelehnt hatte.

Von mehreren Seiten war versucht worden, Lanz von einer Kandidatur zu überzeugen. Der ehemalige Toblacher Gemeinderat und -assessor sollte den Sprung auf die Edelweiß-Liste über die Nominierung durch den SVP-Bezirk Pustertal machen. Bezirksobmann Meinhard Durnwalder, der scheidende Landtagsabgeordnete Albert Wurzer, Vertreter der Pustertaler Wirtschaft bekamen allesamt Absagen. “Ich habe ständig abgelehnt”, erinnert sich Lanz. Und dann kam Kompatscher.

 

Überfluss bringt Verdruss

Vor wenigen Wochen habe es Gespräche “mit dem Landeshauptmann und der Parteispitze” gegeben, bei denen er gefragt worden sei, ob er sich vorstellen könnte, doch zu kandidieren – und dabei sei ihm bewusst geworden, “dass es durchaus Gestaltungsspielraum” gebe, berichtet der lvh-Präsident. “Nicht, wer mich gefragt hat, war ausschlaggebend” für sein Ja zur Kandidatur, betont Lanz als er am Freitag Nachmittag demonstrativ im Duo mit Zublasing auftritt. Der hatte noch vor wenigen Tagen angekündigt: “Wenn Lanz antritt, ziehe ich mich 100-prozentig zurück.” Die Konkurrenz des mächtigen Verbandspräsidenten würde Zublasing gar einige Stimmen kosten. Doch nicht nur ihn.

Auch im Pustertal ist man aufgeschreckt, als man von Lanz’ Kehrtwende Wind bekommen hat. Die SVP hat dort am 22. Mai vier Bezirkskandidaten ermittelt: Manfred Vallazza, Waltraud Deeg, Christian Tschurtschenthaler und Maria Hochgruber Kuenzer. Der durchgerasselte Joachim Reinalter, der vom Bauernbund unterstützt wird, soll dennoch einen Startplatz als SVP-Kandidat am 21. Oktober bekommen. Parteiobmann Philipp Achammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher sollen ihn in ihren Blockvorschlag aufnehmen, mit dem sie laut Parteistatut zehn der 35 Edelweiß-Kandidaten bestimmen können. So der Wunsch des Bezirks. Auch der Nominierung von Ulrike Oberhammer über die so genannten “Landesliste” hat man im Pustertal nichts zu entgegnen. Auch, weil sie als Frau einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der vom Statut vorgesehenen Quote leistet.
Doch mit Gert Lanz einen achten Kandidaten (auch der Ladiner-Kandidat Daniel Alfreider fällt gebietsmäßig in den SVP-Bezirk Pusteratl) unterstützen? Der noch dazu die Anfragen aus dem Bezirk selbst stets dankend abgelehnt hat? Das war vielen in der Pusterer SVP zu viel – allen voran Bezirksobmann Meinhard Durnwalder. “Damit würde man die Bezirkskandidaten, die sich einer Vorwahl gestellt haben, vor den Kopf stoßen”, warnt er. Die Gefahr ist nämlich: Je mehr SVP-Kandidaten im selben Bezirk antreten, desto mehr splitten sich die Stimmen auf und desto schwieriger wird es, bei den Landtagswahlen gewählt zu werden.

“Ich sehe mich gar nicht so sehr als Bezirkskandidaten”, gesteht Gert Lanz. Diesen Stempel wolle er nicht aufgedrückt bekommen. “Ich komme aus der Wirtschaft, habe Familie und großes Interesse an Sport, Sozialem und dem Ehrenamt – sollen die Leute entscheiden, wie sie mich sehen!”

 

Landesrat Lanz?

Nichtsdestotrotz sollte auf einer Sondersitzung der Bezirksleitung am Freitag Abend geklärt werden, wie man mit der Kandidaten-Schwemme, die Landeshauptmann und Obmann dem Pustertal zu bescheren droht, umgeht – und insbesondere, ob man die Kandidatur von Gert Lanz unterstützt. Über dessen Sinneswandel ist man in der Bezirksleitung nicht durchwegs amused. Insbesondere, weil man dort nicht vorab informiert worden sei, heißt es.

Ohne Absprache mit dem Bezirk sei der Landeshauptmann vorgeprescht und habe Gert Lanz zur Kandidatur bewegt, ärgert man sich im Pustertal. Die Vermutung, dass dem lvh-Präsident Zusagen gemacht worden seien – etwa, als nächster Wirtschaftslandesrat in die Landesregierung einzusteigen –, verhärtet sich am Freitag. “Unser Ziel ist es, stark in den Landtag gewählt zu werden, danach muss man schauen. Aber unser Ziel ist, Politik mitzugestalten, was natürlich auch bedeutet, sie mitdefinieren zu wollen”, sagt Lanz, auf seine Ambitionen als Landesrat angesprochen, selbstbewusst.

 

Kein Pusterer Placet

Doch er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Mit Reinhard Zublasing – der, wie er gesteht “a bissl überrascht” war, als Lanz zugesagt hat – habe er sich zusammengesetzt  Ja, es habe ein Gespräch mit dem Bezirksobmann gegeben, bestätigt Lanz. Und dabei sei der Missmut , den es im Pustertal wegen seiner Kandidatur gegeben hat – den der lvh-Präsident aber nicht als solchen empfinden will – ausgeräumt worden. “Es war allen von vornherein bewusst, dass die Kandidaten auf der Liste von Obmann und Landeshauptmann aus dem einen oder anderen Bezirk stammen werden. Eine mögliche Überhäufung von Kandidaten in einem Bezirk kann niemand ausschließen.”

Alles schön und gut, erwidert der Pusterer SVP-Bezirksobmann Meinhard Durnwalder, aber dass gleich drei der zehn Kandidaten aus ein und demselben Bezirk kommen, will man nicht hinnehmen. Das sieht auch die Bezirksleitung so. Die hat am späten Freitag Abend eine Entscheidung gefällt: Acht Pusterer Kandidaten sind zu viel. Die Gefahr, dass sich die Stimmen bei den Wahlen verzetteln und der Bezirk am Ende weniger Kandidaten durchbringt, ist zu groß. “Ich habe den Auftrag erhalten, mit der Parteispitze noch einmal deren Vorgehen zu diskutieren”, berichtet Durnwalder nach der Sitzung am Freitag. “Ich werde ihr unseren Wunsch mitteilen, dass die Kandidaten der Landesliste gleichmäßig territorial aufgeteilt werden sollten”, meint er diplomatisch. Übersetzt heißt das: Die in Bozen sollen auf zumindest einen Pusterer Kandidaten verzichten. Am liebsten auf einen, der in letzter Minute aus dem Sack gezogen wurde, die Anfragen aus dem Bezirk stets verschmäht hat und anderen Wirtschafts-Kandidaten– wie etwa Christian Tschurtschenthaler – gefährlich werden könnte: Gert Lanz.

Was aber, wenn man in Bozen nicht mitspielt? Werden die Pusterer Vertreter im SVP-Ausschuss, der die gesamte 35-köpfige Kandidatenliste absegnen muss, dann dagegen stimmen? Das lässt Durnwalder offen. “Sollte es zu keinem positiven Ergebnis kommen, wird das in der Bezirksleitung besprochen und wir werden schauen, was wir tun.” Für Gert Lanz jedenfalls kommt nach dem öffentlichen Auftritt ein Schritt zurück nicht mehr in Frage: “Ich gehe davon aus, dass ich nominiert werde.”

Unter diesen Vorzeichen hätte wohl auch ein gemeinsam entzündetes Herz-Jesu-Feuer, wie es beim kurzfristig abgesagten SVP-Fest auf der Plose am Sonntag hätte lodern sollen, die zunehmend verhärteten Fronten in der SVP nicht versöhnlich stimmen können. Im Gegenteil: Der scharfe Gegenwind aus dem Osten des Landes hat mit dafür gesorgt, dass es erst gar nicht erst entfacht wurde.

Fest steht: Zwischen dem starken SVP-Bezirk Pustertal und der Parteiführung in Bozen ist ein Kräftemessen im Gange. Es ist das alte Spiel um Macht, um Einfluss, um Reviermarkierung. Ob die Wähler auf die Duftmarken anspringen oder nicht vielmehr davon abgeschreckt werden, ist eine andere Frage.