Politica | Meran

Misses 34 Stimmen

In Meran wird nicht nur über den Bürgermeistersessel gestritten: Wie dem Wahlbündnis von Freiheitlichen und BürgerUnion am Ende ein Sahnehäubchen aufgesetzt wurde.

Muss unser Wahlrecht neu geschrieben werden, fragte Verfassungsrechtler  Francesco Palermo nach den Gemeindewahlen 2015 auf salto.bz. „Ohne Zweifel“ antwortet Rita Mattei von der Lega Nord in Meran. Ihr geht es in dem Fall allerdings weniger um die Garantie von Mehrheiten, sondern um die Frage, wie viele Mandate einer Minderheit zustehen. Konkreter: „Wie kann es sein, dass zwei Parteien, die beide unter dem Quorum bleiben, gleich zwei Mandate abkassieren?“

Die Rede ist vom umstrittensten Mandat in der Meraner Gemeindepolitik – sieht man vom Bürgermeisterstuhl selbst ab, um den noch bis kommenden Sonntag Gerhard Gruber und Paul Rösch buhlen.  437 Stimmen brauchte es bei diesen Gemeinderatswahlen um eines der 36 Mandate im Meraner Gemeinderat zu ergattern. Im Normalfall wohlgemerkt. Denn im Fall von Josefa Brugger von der BürgerUnion sieht derzeit alles danach aus, dass auch 34 Stimmen ausreichen. Zumindest laut den bis zur Stichwahl inoffiziellen Hochrechnungen von Region und Gemeinde hat die BürgerUnion dank ihrer Meraner Wahlallianz mit den Freiheitlichen in Meran ihr landesweit fünftes Gemeinderatsmandat erobert. „Je mehr Tage vergehen, desto mehr Zweifel bekomme ich“, sagt die frischgewählte Gemeinderätin selbst, „doch es sieht alles danach aus, als hätte in dem Fall alles nur Mögliche zu unseren Gunsten mitgespielt.“  Und so geht Josefa Brugger laut aktuellem Stand zumindest zu 80 Prozent davon aus, dass sie mit 34 Stimmen in den Meraner Gemeinderat einziehen wird. Wie genau sie zu ihrem Restmandat gekommen ist, ist auch laut Brugger „so kompliziert, dass ich mir die Unterlagen noch einmal rausholen müsste.“

Fakt ist, dass die BürgerUnion in Meran insgesamt gerade einmal 74 Stimmen erhalten hat. Die Freiheitlichen wiederum schnitten mit insgesamt 359 Stimmen auch nicht gerade glorreich ab. Doch nicht zuletzt dank des gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten Sigmar Stocker, der 52 Stimmen als Bürgermeisterkandidat und 433 Listestimmen erhielt, schauten mit dem komplizierten Reststimmenmechanismus am Ende zwei Mandate für die Bündnispartner heraus. Eines für die BürgerUnion und Josefa Brugger und eines für die Freiheitlichen, wobei dort in den vorläufigen Prognosen des Wahlamtes Sigmar Stocker als Gemeinderat aufscheint. Der Freiheitliche Landtagabgeordnete selbst weiß allerdings nichts von seinem Glück – und würde das Mandat ohnehin an den bisherigen Meraner Freiheitlichen Gemeinderat Otto Waldner weitergeben, der übrigens selbst 94 Stimmen erhalten hat. „Ich bin nur als chancenloser Bürgermeisterkandidat angetreten, um ein wenig zu helfen“, sagt er. Eine Strategie, die voll aufgegangen sei. „Und dass Josefa Brugger nun auch noch ein Mandat erhält, ist natürlich das Sahnehäubchen“, sagt Landtagsabgeordneter Stocker.

"Dann geht bald niemand mehr wählen..."

Anders sieht das naturgemäß Rita Mattei. Die Bürgermeisterkandidatin der Lega Nord hat in Meran 1102 Stimmen für sich gewinnen können. Als Liste hat die Lega 1048 Stimmen erhalten.  Dennoch werden entgegen ersten Hochrechnungen, in denen von drei Mandaten die Rede war, aller Voraussicht nach nur zwei Mandate für die Bewegung herausschauen.  „Dabei bleiben auch uns noch 228 Restimmen übrig, wenn man unsere zwei Mandate abrechnet“, sagt die frischgewählte Meraner Gemeinderätin.  Also mehr als sechs Mal so viele Stimmen wie Josefa Brugger erhalten hat. Definitive  Gewissheit, ob das Mandat dennoch an die Kandidatin der BürgerUnion geht, wird Mattei erst nach der Stichwahl zu Pfingsten haben. Bereits jetzt macht sich die Lega-Nord-Exponentin aber schlau, was sie im Fall einer Bestätigung unternehmen könnte. Wahrscheinlich ist ein Rekurs; möglich aber auch eine parlamentarische Anfrage in Rom über ihre Mutterpartei. „Sicher ist, dass solche Ungerechtigkeiten nicht einfach zugelassen werden können“, sagt sie. „Denn wenn der Wille der WählerInnen bei der Zuteilung der Stimmen nicht respektiert wird, wird bald überhaupt niemand mehr wählen gehen.“

Josefa Brugger schaut vorerst einmal gelassen den künftigen Entwicklungen entgegen. „Sofern die Rechnung laut Wahlgesetz tatsächlich stimmt, bleibe ich auch im Fall eines Rekurses zumindest so lange Gemeinderätin bis das Gesetz geändert wird“, sagt sie. Und wenn nicht? „Dann bin ich vielleicht die erste Gemeinderätin, die niemals in den Dienst getreten ist – und würde so in die Geschichte eingehen.“

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pérvasion Lun, 05/18/2015 - 17:49

"Die Freiheitlichen wiederum schnitten mit insgesamt 359 Mandaten auch nicht gerade glorreich ab." Also bitte, wenn man in einem Gemeinderat mit 36 Sitzen 359 Mandate erreicht ist das doch mehr als nur glorreich ;)

Lun, 05/18/2015 - 17:49 Collegamento permanente
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pérvasion Lun, 05/18/2015 - 17:51

Ich habe nicht ganz verstanden, warum hier mit den 34 Vorzugsstimmen argumentiert wird. Vorzugsstimmen dienen doch nur der Gewichtung von Kandidaten derselben Liste untereinander — oder? Rein theoretisch könnte eine Partei auch die absolute Mehrheit im Gemeinderat gewinnen, ohne eine einzige Vorzugsstimme für ihre Kandidaten erhalten zu haben...

Lun, 05/18/2015 - 17:51 Collegamento permanente