Politik | Meran

„Das war ein Fiasko“

Die Vorstellung des Mobilitätsplans im Meraner Kursaal endete gestern Abend mit Buhrufen. Viele hatten vergebens auf eine Debatte zur Standseilbahn nach Schenna gehofft.
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Foto: Gemeinde Meran
Eigentlich hätte die Bürger*innenversammlung zum nachhaltigen städtischen Mobilitätsplan (PUMS) im Meraner Kursaal gestern Abend, am 31. Jänner, der Auftakt eines partizipativen Prozesses sein sollen. Schließlich war in der Pressemitteilung der Gemeinde Meran genau davon die Rede gewesen: „Der partizipative Prozess wird von der Agentur Helios aus Bozen gestaltet.“ Das Interesse der Bevölkerung aus dem Burggrafenamt war groß, rund 500 Personen waren der Einladung gefolgt.
Die Präsentation des PUMS sowie der Verkehrsdaten aus dem Burggrafenamt und eine online durchgeführte Live-Umfrage hinterließen beim Publikum allerdings nicht den Eindruck, dass die Politik tatsächlich an den Meinungen der Bevölkerung interessiert war. „Für die Gemeinde war das ein skandalöser Abend. Viele Bürger*innen erwarteten sich Informationen zur Standseilbahn und eine offene Diskussion“, sagt Martin Kirchlechner, der als Sprecher des Initiativkomitees „Standseilbahn Meran – Schenna so nicht!“ bei der Versammlung war.
 
 

Das Programm

 
Der Verlauf des Abends: Patrick Kofler von der Agentur Helios gab zu Beginn Einblicke in den Verlauf der PUMS-Erstellung, der auf 10 Jahre angelegt ist. Bereits nach einer halben Stunde verließ die erste Person den Raum. Der nächste Programmpunkt war eine Bestandsaufnahme des Verkehrsplaners Stefano Ciurnelli.
Unter anderem erklärte Ciurnelli, dass der meiste Autoverkehr nach Meran von Lana und Algund kommt: 13.400 Autofahren täglich aus Lana und 6.000 aus Algund, aus Schenna sind es 2.800 und aus Dorf Tirol 3.100 Autofahrten pro Tag. Die Verkehrsdaten wurden an einem Wochentag im Herbst erhoben. Ob die Standseilbahn nach Schenna inklusive der Schnellbusverbindung durch die Stadt dennoch die versprochene Reduzierung des Autoverkehrs um 26 Prozent in Meran und Umgebung bringt, ist angesichts dieser Zahlen fraglich.
„An dem Abend wurde klar, dass Meran sich die grundlegende Frage stellen muss, wie sich die Stadt weiterentwickeln will“, so Kirchlechner. Denn der konstante Verkehr zwischen den umliegenden Gemeinden und der Stadt hänge aus seinen Augen auch mit den hohen Mieten in Meran, dem Geschäftesterben in der Innenstadt und dem Tourismus zusammen.
„Es fehlt die Transparenz und auch der Wille, über die Standseilbahn zu diskutieren. Ein Großteil der Menschen im sehr heterogenen Publikum wollte wissen, was vor der eigenen Haustür passiert“, sagt auch die Fraktionssprecherin der Grünen im Meraner Gemeinderat, Madeleine Rohrer. Neben ihr waren viele weitere Mitglieder aus dem Gemeinderat anwesend, aber auch Hoteliers aus Schenna und interessierte Bürger*innen, die mehr Informationen über das große Infrastrukturprojekt erfahren wollten.
 
 
Doch anstatt einer offenen Diskussion wurden dem Publikum im Kursaal über eine online durchgeführte Umfrage am Smartphone Fragen gestellt, die für viele einer Provokation gleichkamen. „Man hat sich als dumm verkauft gefühlt“, so Kirchlechner. Die Fragen waren suggestiv gestellt und die Teilnehmer*innen konnten ihre Zustimmung von 1 bis 5 angeben.
Es waren Fragen wie: Wünschen Sie sich den Ausbau des Radnetzes in Meran? Soll der Verkehr reduziert werden? Unterstützen Sie eine straßenunabhängige Mobilitätslösung für den Tourismus? Am Ende der Umfrage konnten noch eigene Anmerkungen eingetippt werden. Sie wurden anschließend als Wortwolke auf die Leinwand projiziert. „Das Ergebnis war für uns erfreulich, denn in der Mitte der Wolke stand ‚keine Standseilbahn‘“, so Kirchlechner vom Initiativkomitee. Allerdings seien die Ergebnisse nicht repräsentativ.
 

Aufgebrachte Stimmung

 
Als sich Bürger*innen während der Versammlung zu Wort melden wollten, wurde ihnen das verwehrt. Moderator Patrick Kofler machte während der Vorträge von Helios und Ciurnelli klar: Wortmeldungen aus dem Publikum sind nicht gewünscht. Gegen Ende der Veranstaltung kam es schließlich zu Buhrufen und Beschimpfungen. Ein Mann aus dem Publikum wollte sich äußern und erhielt das Mikrofon nicht.
Als das Publikum begann aufzustehen, um nach draußen zu gehen, richtete Vizebürgermeisterin Katharian Zeller sich ans Publikum und bot an, Fragen zu beantworten. Sie erntete Beschimpfungen. „Das war kein Meraner Niveau, das war ein Fiasko. Die Politik hat nicht verstanden, was die Bürger*innen wollen“, sagt Rudi Defranceschi vom Meraner HGV-Ortausschuss im Nachhinein.
 
 
„Es ist schade, dass der Auftakt zum PUMS so verlaufen ist“, so Rohrer. Als Grüne Stadträtin für Verkehr hatte sie sich selbst nicht nur für mehr Radmobilität eingesetzt, sondern auch das Projekt der Standseilbahn nach Schenna vorangetrieben. „Es ist eine straßenunabhängige Verbindung, die ein großes Potential für die nachhaltige Mobilität hat“, sagt sie.
Auch Landesrat Daniel Alfreider und Bürgermeister Dario Dal Medico waren bei der Versammlung im Kurhaus anwesend, sie hielten sich allerdings mit Wortmeldungen zur Standseilbahn zurück. Nur der Ressortdirektor von Alfreider, Martin Vallazza, teilte bei der Versammlung mit, dass Interessierte am 15. Februar in den Gemeinden Meran, Dorf Tirol und Schenna die Pläne zur Standseilbahn einsehen können. Außerdem hat die Gemeinde Meran eine weitere Umfrage angekündigt: Um allen Meraner Bürger*innen die Möglichkeit zu geben, sich am PUMS zu beteiligen, wird die Stadtverwaltung in Kürze eine von Ciurnelli und Helios erstellte Umfrage starten.