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Unsere Hoffnung - euer beherztes Handeln

Es wird Zeit, dass wir unsere Tagespolitik nicht aus unserer Alltags-Logik betrachten und aus dieser Ohnmacht ausbrechen. Wir brauchen einen Perspektivwechsel, um diese Entwicklungen besser zu verstehen und neue kollektive Lösungen zu erkennen und zu leben.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Rede Peter Aichner Speakers Corner 31.01.2024 in Bozen
Foto: Peter Aichner
  • Anlässlich der Inauguration einer neuen Mitte-Rechts-Regierung in Südtirol veröffentlicht Peter Aichner diese Botschaft seiner Enkelin am "Speakers Corner" am Magnago Platz. 

  • Lieber Opa,

    nach so vielen Jahren melde ich mich bei dir, aus einer Zukunft, die für uns beide einmal so weit entfernt schien: dem Jahr 2103. Hier stehe ich nun, im hohen Alter, umgeben von Erinnerungen und Unsicherheit, und habe die einmalige Gelegenheit, durch die Zeit dir eine Botschaft zu übermitteln.

    Mir geht es gut, aber unser Alltag ist anstrengend geworden und das Wetter ist überall unberechenbar. Schöne Tage sind selten und ich erinnere mich gerne an meine Kindheit - da war alles irgendwie anders und friedlicher. Heute verwenden wir sehr viel Zeit und Mühe, um unseren Grundbedürfnissen nachzukommen.

    In deiner Zeit lebten die meisten Menschen ja hinter diesen verschossenen Wänden und beschäftigen sich ja hauptsächlich mit sich selbst, mit ihren persönlichen Interessen und diese Sehnsucht nach diesen materiellen Dingen. Ja das gibt es heute auch noch, es ist aber eine kleine Minderheit.  Zuerst kam das Individuum, dann erst die Menschlichkeit. Wir sind nicht mehr so getrieben von der Anziehungskraft des Geldes, des Kommerzes. Dieser Homo Ökonomikus war schon so ein sehr herzloses Wesen - macht- und profitorientiert - Das Leben auf Kosten der anderen. „Autonomie“ war ein Vehikel der Geldbeschaffung. Woher es kam, war ihnen egal.

  • Lieber Opa,

    Diese Logik war auf Dauer nicht zu halten. Sie hat sich selbst abgeschafft. 

    Aber leider hat es sehr lange gedauert und es war kein friedlicher Prozess - es hat zu viel Leid, Leben und Natur gekostet.

    Aber Opa, du darfst jetzt nicht verzweifeln, wenn du das liest. Du lebst in einer Zeit, wo sich was ändert. Die Menschen im Land sehen das und spüren das. Sie sind enttäuscht von dieser Politik - aber im Sinne von Ent-Täuscht - das Ende einer Täuschung. Aber auch das Ende einer Selbsttäuschung. Sie möchten nicht mehr als Business Objekte gesehen und behandelt werden. Sie fühlen sich als selbstständige Subjekte und handeln selbst.

    Ja es ist schwierig für euch in diesen Tagen, 

    aber für uns ist diese Zeit ein Moment der Hoffnung,

    dieser Nebel lichtet sich 

    endlich können die Menschen klarer sehen.

    Demokratie bedeutet ja nicht, mach hier ein Kreuzchen bei einer Partei, und du delegierts dein Schicksal für 5 Jahre an dir mehr oder weniger fremde Personen - mit denen du eigentlich keine persönliche Beziehung pflegst. Und der Gewinner bestimmt alles, der Verlierer bestimmt nichts. Regierung gegen Opposition. Das gegeneinander ausspielen wertvoller Ideen und Menschen.

    Lieber Opa,

    die Menschen verstehen - dass das nicht so einfach funktioniert. Diese Form der Demokratie möchten sie verbessern und sich einbringen!

    Die Menschen verstehen, dass jeder Mensch für sein eigenes Schicksal und das der anderen auch nach besten Kräften selbst Verantwortung übernehmen muss. Nicht allein, sondern alle gemeinsam.

     

    Lieber Opa,

    Es ist nicht ein Moment der Enttäuschung, sondern ein Moment der Hoffnung. Du musst nur genau hinsehen.

    Da, auch in eurer Umgebung stehen Menschen auf, diese Kooperativen und Genossenschaften, Solidarische Landwirtschaften, Open Source Projekte, Protest Bewegungen, Initiativen für mehr Demokratie, Vereine und Verbünde aller Art.

    Weltweit sind es hunderttausende, die produktiv tätig sind, gemeinsame Ziele verfolgen oder bestimmte Probleme lösen. Sie alle agieren bewusst selbstorganisiert ohne kommerzielles Interesse. Es ist pure Intuition, die sie antreibt. Es ist diese Sehnsucht nach einem besseren Leben für alle - diese solidarische Kraft - es ist diese kollektive Intelligenz, die aktiv wird.

  • Aber Opa, wenn du genau hinschaust, erkennst du auch, dass diese ganzen Initiativen irgendwie beginnen und sich nicht so entwickeln, wie diese kommerziellen Unternehmungen. Es ist wichtig, genau zu beobachten und zu verstehen, warum sie nicht so erfolgreich sind. Sie sind doch nicht so exklusiv oder elitär, sie müssten sich doch natürlich verbreiten und wachsen, genau so, wie das die Natur vorsieht.

    Ja Opa, was hält sie also zurück?

    Es liegt nicht an ihrer Natur, sondern an dem von Menschen geschaffenen System, in dem sie wachsen.

    Bei dem Vernetzen mit anderen Menschen, verfällt ihr Immer wieder in diese Verhaltensmuster des Marktes.

    Das Denken in Hierarchien und zentralen Strukturen funktioniert nicht, wenn es diese nicht gibt. Rentabilität und Gewinne machen keinen Sinn, wenn das nicht das Primäre Ziel ist.

    Diese kommerzielle Denkweise hat auch zu vielen Gesetzen geführt, die eine natürliche Ausbreitung dieser Initiativen blockieren, weil sie nicht gewinnorientiert und wettbewerbsfähig erscheinen. In unserer Zeit, wo Lebensqualität so rar geworden ist, haben wir ganz andere Kriterien entwickelt, die für unser Handeln wichtig und maßgeblich sind.

    Und es ist ja so einfach,

    es ist eine Frage der Methodik, diese müsst ihr einfach lernen - wie in der Grundschule.

  • Lieber Opa,

    Jetzt muss ich dir gestehen, dass ich dir den Brief nicht nur aus persönlichen Gründen schreibe, nein - wir haben nicht so viel Zeit, bis ihr das selbst erkennt, ich muss es euch auf diesem Wege einflüstern. 

    Ja sorry, aber wenn ihr das einfach schneller verstehen würdet, hätten wir einfach ein besseres Leben.

    Deswegen möchte ich dir und deinen Zeitgenossen ein bisschen auf die Sprünge helfen:

    Es gab da wichtige Wissenschaftler*Innen in eurer Zeit. Schon in den 1990er Jahren hat die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Elinor Ostrom besonders langlebige Sozial-Genossenschaften und Organisationen des Commons erforscht und diese "Verfassung der Allmende" formuliert. Dafür hat sie auch 2009 mit anderen den Nobelpreis bekommen und dort in ihrer Rede 8 einfache Designprinzipien dieser Commons definiert.

    Opa, ich möchte dir noch von Silke Helfrich erzählen, die dieses Konzept des Commons ins Deutsche übertragen und weiterentwickelt hat. Und sie würde auf die Frage “Was ist dieses Commoning?“ antworten, es ist die falsche Frage - die richtige Frage ist, "Aus was wird Commoning gemacht?"

    Es geht einfach darum, dass Menschen auf Augenhöhe zusammenarbeiten, um miteinander gut auszukommen und gemeinsam selbstbestimmt etwas nützliches für sich und andere zu machen.

    Sie hat weltweit viele dauerhafte Gemeinschaftsinitiativen und Kooperativen besucht, kleine aber auch sehr große, wo tausende Menschen für hunderttausende eine Lebensgrundlage schaffen - schon abgestimmt aber vor allem in kleinen selbstorganisierten Gruppen.

    Zusammen mit anderen Forschern und vielen Sitzungen haben sie gemeinsame Muster erkannt diese sogenannten “Pattern des Commoning“, diese „Muster gemeinsamen Handelns“ entwickelt.

    Es sind nicht viele. Es gibt zunächst mal 30 solche Handlungsmuster die ein soziales Miteinander fördern, das auf Selbstorganisation, Selbstbestimmung und fürsorglichem Wirtschaften basiert.

  • Ja Opa, warum erzähle ich dir das?

    Weil diese Muster so einfach und logisch sind - wir erlernen sie bei uns schon im Kindergarten. Aber in Wahrheit wissen die Kinder das bereits instinktiv von Geburt an. Sie lernen, ihr natürliches Verhalten nur besser zu verstehen und zu schätzen. Das bildet die Grundlage ihres Selbstbewusstseins und ihres Bewusstseins für andere, für selbstbestimmtes Handeln und den Mut, Verbindungen mit anderen Menschen und der Natur einzugehen.

    Opa, unsere Gehirne funktionieren hauptsächlich nach Mustererkennung. Wenn wir für eine Sache oder eine Handlung ein Muster erkennen, dann können wir sie uns nicht nur erlernen, dann können wir sie verstehen. Unser Gehirn ist dann in der Lage ähnliche Handlungen durch ähnliche Muster sofort zu erkennen und sie auf andere Situationen des Lebens zu übertragen, ganz Intuitiv, ganz ohne nachzudenken.

    Warum ist das Verstehen dieser Muster beim Umgang mit diesen Initiativen so entscheidend?

    Indem wir die Beweggründe dieser Initiativen offenlegen und die gemeinsamen Verhaltensmuster den Menschen näherbringen, ermöglichen wir ihnen, diese zu begreifen und sie von den üblichen Mustern der kommerziellen Welt zu unterscheiden. Dann können sich die Initiativen ungehindert ausbreiten, weil Menschen sie einfach richtig verstehen und anwenden.

    "Mehr Commoning tun" heißt einfach "weniger Kapitalismus tun" - das versteht bei uns jedes Kind - sie können das unterscheiden.

    Lieber Opa,

    Warum ist das in eurer politischen Lage so wichtig?

    Ihr erlebt ja gerade einen Rechtsruck, das ist im Grunde ein typisches kapitalistisches Verhaltensmuster im Kampf um die Verteilung der immer knapper werdenden Ressourcen. Als nächstes werden Schuldige gesucht.

    Es ist entscheidend, dass die Politik jetzt einfach mal Platz macht, den Menschen jetzt den Raum gibt, alle an der Gestaltung der Zukunft zu beteiligen. Egal welcher politischen Einstellung. Einfach das Gemeinsame erleben und sehen und sich schätzen lernen. Es geht nicht nur um das gerechte verteilen von Eigentum oder Status, sondern hauptsächlich um die Kraft des gemeinsamen Handelns, das Vertrauen aufbaut. Dieses gegenseitige Vertrauen ist es, das wir benötigen, um die wachsenden Gegensätze und den Wettbewerb zu überwinden und eine friedliche, von Menschen geführte Veränderung zu ermöglichen.

  • Lieber Opa,

    Du bist ja Software Architekt - ich auch. Ich hätte dir in einem  "Tech Talk" noch so viel zu erzählen:

    Wie sich die Menschen im Internet auf Augenhöhe ganz ohne zentrale Server vernetzten und so diese Geschäftsmodelle dieser Big Techkonzerne einfach austrockneten.

    Wie sich im Internet solidarische Menschen und Orte durch die Muster des Commoning weltweit erkannt und gefunden haben.

    Wie wir mit dieser „Künstlichen Intelligenz“ diese rasanten Entwicklungen von Technologie und Wirtschaft und ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen frühzeitig verstanden und uns entsprechend geschützt haben.

    Wie wir kollektiv lernten, sinnloses und sinnvolles Wissen zu unterscheiden und sich eine gute Idee blitzschnell über den ganzen Globus verteilen und so zu kollektivem Wissen werden konnte.

    Wie wir die Menschen in das politische Leben so eingebunden haben, dass Public und Goverment eine Einheit bildeten, die zusammen und nicht gegeneinander agierten.

    Wie wir diese exklusive Welt der Business Logic durch Einbettung in eine Human Logic und Nature Logic gebändigt haben. Kurzum dieses System der Ungleichheit, diese Monopole, diese Ausbeutung ausgehebelt haben.

    Wie wir am Ende diese vernetzte Welt nur noch so als pädagogisches Instrument verwendeten, mit der sich die Menschen kollektiv wieder das beigebracht haben, was sie in den letzten Jahrhunderte durch diese falschen Verhaltensmuster verlernt haben.

    Wir brauchen diese Vernetzte Welt heute nur noch selten, weil wir einfach autonom sind und im persönlichen Austausch wissen warum und wie wir handeln.

     

    Lieber Opa,

    Such dir einfach einige interessierte Leute und tüftle es mit ihnen aus - ich bin mir sicher, du hast da Ideen :)

  • Lieber Opa,

    Zum Abschluss möchte ich dir aber noch das Allerwichtigste mitteilen. So eine Botschaft sende nicht nur ich an meinen Opa. Es sind alle Nachkommen auf der ganzen Welt die ihre Anliegen versenden - an ihre Omas und Opas und an jene, die sich gerne Nachkommen wünschen. Du stehst damit nicht allein. Unsere gemeinsame Aufgabe ist nicht mühevoll, sie erfordert keine große Anstrengung. Man kann sie auch nicht per Gesetz vorschreiben - sie ist einfach eine Sache des Geistes und des Willens. Es ist unsere abgestimmte Handlung, die Vertrauen aufbaut, uns von der Last des Sinnlosen befreit und uns allen große Freude und ein besseres Leben bringt.

    Lieber Opa, unsere Hoffnung ist euer beherztes Handeln.

    Lebe Wohl!

    Deine Enkelin A.

  • Foto: Peter Aichner
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Salto User
wartl Do., 01.02.2024 - 18:46

"Ihr erlebt ja gerade einen Rechtsruck, das ist im Grunde ein typisches kapitalistisches Verhaltensmuster im Kampf um die Verteilung der immer knapper werdenden Ressourcen. Als nächstes werden Schuldige gesucht." Richtig erkannt, dass Kapitalismus und autoritäre Regimes zwei Seiten der gleichen braunen Sache sind.

Do., 01.02.2024 - 18:46 Permalink
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Salto User
nobody Do., 01.02.2024 - 20:34

Bestes Beispiel sind die republikanischen Mr. President - allen voran Trump. Er lässt das Capitol stürmen und wird wieder Mr. President. Das alles wird mit dem Pickerle Demokratie versehen. Wahnsinn.

Do., 01.02.2024 - 20:34 Permalink
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Salto User
wartl Sa., 03.02.2024 - 18:28

Antwort auf von nobody

Nun, für die anhängige Vergewaltigungsklage muss Trump 92 Mio. $ hinterlegen, wenn er berufen will .
Es könnte sein, dass ihm reaktionäre Superreiche (wie Peter Thiel, der Brötchengeber von Sebastian Kurz) das tatsächlich ermöglichen, um ihn als politische Marionette zur Demontage der Demokratie zur Verfügung zu haben.

Sa., 03.02.2024 - 18:28 Permalink
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Salto User
Günther Alois … So., 04.02.2024 - 07:33

Wir befinden uns in einem sehr schwierigen Rechtsruck in ganz Europa,Orban ,Meloni Galateo ,BIanchi ( alle Wölfe im Schafspelz)usw.das Schlimmste ist,auch in unserem schönen,angeblich unberührten ,nichtkapitalistischen ,politisch gemässigtem SÜDTIROL,dank Svp und Kompatscher alles billig für die "Wiederherstellung der Autonomie,welche? BILLIG VERKAUFT!

So., 04.02.2024 - 07:33 Permalink