Politik | Bettenstopp

Wo sind Südtirols Klima-Helden?

Die Umweltorganisationen Südtirols kritisieren das politische Feilschen um die Bettenobergrenze. So geraten das Klima und der hohe Ressourcenverbrauch aus dem Blickfeld.
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Foto: Chris Henry on Unsplash
Südtirols Umweltorganisationen bewerten das Feilschen zwischen dem Rat der Gemeinden und der Landesregierung um Hotelbetten angesichts der Energie- und Klimakrise als fahrlässig. Anstatt gemeinsam den bedeutenden Wirtschaftssektor Tourismus fit für die Zukunft zu machen, werden die Entscheidungen für ein lebenswertes Land und einen sozial-ökologischen Tourismus auf den Nimmerleinstag verschoben.
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der Heimatpflegeverband Südtirol fordern von der Landesregierung und dem Rat der Gemeinden, das Feilschen um Betten und noch mehr Kapazität im Tourismus endlich zu beenden. Da ist zum einen die Forderung an die Landesregierung, weitere 7.000 Betten zu den bereits bestehenden bzw. genehmigten 250.000 Betten realisieren zu wollen. Diese 7.000 Betten sollten zwar in zehn Jahren wieder „zurückgebaut“ werden. Den Entscheidungsträger:innen der Zukunft wird damit aber eine unnötige und schwere Bürde aufgetragen. Da ist zum anderen die Forderung nach Durchführungsbestimmungen, die allesamt ausschließlich die Verteilung der Betten betreffen. Als fahrlässig bewerten die Umweltverbände diese Forderungen des Rats der Gemeinden und fordern die Landesregierung ein weiteres Mal auf, mutig zu sein und endlich zu handeln. Jetzt muss der Klimaschutz und Ressourcenverbrauch ernst genommen werden – nicht erst in der nächsten Amtsperiode.
 
 

Forderungen an die Politik

 
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der Heimatpflegeverband Südtirol fordern:
 
  • Der Tourismus Südtirols muss endlich ressourcen- und landschaftsschonend gestaltet werden, denn bereits heute befinden sich mehr als 50 Prozent der Betten außerhalb des Siedlungsgebiets. Tendenz steigend. Die Landesregierung muss verbindliche Kriterien, Indikatoren und ein Monitoring für die Landschafts- und Ressourcenverträglichkeit des Tourismus in einer Durchführungsverordnung festschreiben. So sprengt zum Beispiel der Wasserverbrauch oft jede Vorstellung, nicht nur in Tourismushochburgen wie Kastelruth oder Hafling generiert Tourismus akuten Wassermangel. Wie soll eine Bürgermeister:in den Bewohner:innen ihrer Gemeinde vermitteln, dass das Bewässern des Gartens eingeschränkt werden muss, wenn gleichzeitig Hotels mit Malediven-Feeling und einem eigenen Swimmingpool für jede Suite werben?
  • Der Tourismus in Südtirol ist laut einer Studie der EURAC für ca. 18 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Die Emissionen pro Gast sind bei weitem zu hoch. Mit einem ‚weiter wie bisher‘ schaffen weder die einzelnen Gemeinden noch das Land Südtirol die eigenen Klimaziele. Die Umweltverbände fordern daher eine verpflichtende und systematische Klimazertifizierung für jedes Hotel ein, sei es bei Neubau, sei es bei größeren Umbauarbeiten des Betriebs. Die Klimahaus Agentur führt seit kurzem solche Zertifizierungen durch. Zurzeit sind gerade einmal 15 Hotels zertifiziert und weitere 15 Hotels befinden sich gerade in der Phase der Bewertung und Prüfung. Es braucht daher dringend eine Durchführungsverordnung zum Klimaschutz im Tourismus.
  • Die Mehrheit der Gäste kommt mit dem eigenen PKW nach Südtirol. Die Umweltverbände fordern daher, den öffentlichen Verkehr massiv auszubauen. Die Anreisen mit Bus und Bahn müssen innerhalb 2030 von heute 10 Prozent auf 20 Prozent steigen. Damit wird das Klima geschont, vor allem aber werden die Menschen entlang der Autobahn, Schnellstraße und Durchzugsstraßen entlastet. Die Debatte um die Zukunft des Tourismus in Südtirol muss gemeinsam mit dem Wie einer raschen Mobilitätswende geführt werden.
Die Umweltverbände fordern die Landesregierung und den Rat der Gemeinden auf, nicht als Sprachrohr der Partikularinteressen zu handeln, sondern für ein enkeltaugliches Südtirol zu arbeiten. Südtirol braucht jetzt mehr denn je Klima-Helden.
 
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Profil für Benutzer Dietmar Nußbaumer
Dietmar Nußbaumer Mi., 01.06.2022 - 22:27

In allen Bereichen werden Anstrengungen gemacht werden müssen, um die CO2-Ziele zu erreichen, so auch im Tourismus. Genauso sehe ich kaum nennenswerte Veränderungen, die diese Ziele in greifbare Nähe rücken. Ausnahme: Die Autoindustrie, die muss rigorose Ziele umsetzen; die Autoindustrie allein wird aber auch nicht die Welt retten.

Mi., 01.06.2022 - 22:27 Permalink
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Klemens Riegler Do., 02.06.2022 - 23:14

Die Ausbau-Lobby wird sich wohl schon in einigen Wochen eines besseren besinnen ... Nach einigen weiteren Stau-Wochenenden, überrannten Hotspots, verärgerten Touristen usw. dürfte das Thema hoffentlich vom Tisch sein. Oder mit welchem Personal sollen die zusätzlichen Betten bedient werden?
Ich denke eine Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung steht hinter dem Vorschlag von Landesrat Schuler ... ohne Kompromisse und ohne Ausnahmen für irgendwelche Sektoren oder Bereiche. Ich persönlich kenne jedenfalls gar einige Hoteliers, die mit dem Schuler-Vorschlag sehr gut leben können. Und keinen der das nicht kann.
"Genug kann auch genügen!"

Do., 02.06.2022 - 23:14 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 03.06.2022 - 06:10

Antwort auf von Klemens Riegler

Die für den Tourismus ermittelten 18 % CO2 Emissionen der E U R A C-Studie, sind "die Wirtschaft hofierent," viel zu tief angesetzt.
Schon allein die Flugreisen und die S U Vs mit "passender Geschwindigkeit wenn es geht und sonst im Stau," verbraten fossile Treibstoffe für die zunehmend kürzeren Urlaube. Dazu kommen noch die vielen Baustellen, um die Infrastrukturen dem Ansturm der Gäste anzupassen, die "Alles eher als Klima-optimierten 4 und 5 Sterne-Betriebe" und alle Gastbetriebe die das Gas mit stark reduzierten Preisen verheizen dürfen.
Der sich abzeichnende Arbeitskräftemangel im Gastgewerbe, wird hoffentlich dazu führen, dass hauptsächlich Jahresarbeitsplätze angeboten werden von denen eine Familie auch leben kann, statt die satten Gewinne "in die von den Verbänden geforderten 7.000 weiteren Gästebetten zu verbraten."

Fr., 03.06.2022 - 06:10 Permalink