Kultur | 10 Jahre Alps Move

"So freue ich mich aufs Älterwerden"

10 Jahre, 165 Aufführungen, 63 Premieren und 4 Eigenproduktionen. Doris Plankl ist seit Beginn beim Tanzfestival Alps Move dabei. Gedanken übers Älterwerden als Tänzerin.

Doris Plankl, das Südtiroler Tanzfestival AlpsMove feiert sein zehnjähriges Bestehen – was waren rückblickend prägnante Ereignisse?

Hierzu fallen mir unsere 4 Eigenproduktionen ein, die alle sehr lebendig waren. Vor 10 Jahren haben wir das Thema Identität tänzerisch erforschen wollen und sind dazu nach Afrika gefahren, um mit den Touareg Schüttelbrot zu essen, das war sehr abenteuerlich. Ein weiteres Tanzstück haben wir der Jugend gewidmet, sehr tanztheatralisch, wenn auch von den Jugendlichen nicht einfach zu verstehen, doch ist ja genau das die Herausforderung: ein Thema nicht fertig abgepackt vorgesetzt zu bekommen, sondern selber herausfinden, was es ist. In der dritten Eigenproduktion ging es um uns selbst, da haben wir 6 Wochen zusammen im Pfeiferhaus in Stilfs gewohnt und haben natürlich alles voneinander mitbekommen, unser Thema lautete, was passiert mit einer alternden Tanztruppe die auf engstem Raum miteinander lebt und arbeitet. Wie gesagt, sehr kabarettistisch.

Welche Rolle ist die deine bei diesen Tanzproduktionen?

Für mich stehen vor allem die Recherche und der Entwicklungsprozess zu den Tanzproduktionen im Vordergrund, diese Zusammenarbeiten können eine enorme Bereicherung sein. Das wichtigste für mich ist es, mich ganz und gar in die kreative Befragung einzulassen, allein oder zusammen mit den Tanzpartnern. So wie jetzt im neuen Stück, unserer 4. Eigenproduktion, das sich mit dem Alter und dem Älterwerden in unserer Gesellschaft auseinandersetzt. Wir, bzw. ich, bin jetzt in einem Alter, wo ich den Jungen auch Platz machen möchte, gleichzeitig aber sehe, wie schwer sie es haben werden in einer Welt, die sie sich wahrscheinlich nicht so gewünscht haben, mit all den komplexen Problemen und den schwindenden Arbeitsperspektiven.

Was bedeutet das Altern für eine Tänzerin, die ja vor allem mit ihrem Körper und dessen Leistungsfähigkeit arbeitet?

Wir sehen den Tanz gerne als Jungbrunnen, als Ort, wo junge geschmeidige Menschen akrobatischste Körperübungen absolvieren. Genau diesem Bild wollen wir in unserem neuen Stück „Zeitsprünge“ entgegenwirken.  Der Körper ist auch im Alter interessant, warum sollte man also einen zerfallenden, alternden Körper nicht auch zeigen dürfen. Wir werden langsamer, vielleicht auch innerlicher und tiefer, das was empfunden und ausgedrückt werden kann, erhält eine andere Qualität. All dem sind wir auf der Spur.

Im zeitgenössischen Tanz sieht man zunehmend nicht mehr nur die tadellosen Ballettkörper auf der Bühne, sondern auch ganz individuelle, schlaksige oder pummelige Figuren, was hat sich da geändert?

Eben genau dieser Blick auf den menschlichen Körper, der nicht mehr perfekt stromlinienförmig sein muss, denn das ist zwar ästhetisch und schön, kann aber auch langweilig sein, das hängt auch von der Inszenierung ab. Dass mehr und mehr ganz normalgewichtige Tänzer und Tänzerinnen zu sehen sind, verstehe ich als Einladung an das Publikum, den zeitgenössischen Tanz mit anderen Augen zu sehen.

Wenn ich auf der Bühne einen Körper wie den meinen sehe, kann ich mich dann leichter auf das Stück einlassen?

Durchaus, der fragile durchtrainierte Balletttänzer ist ein Idol und damit weit weg, währenddessen ein Tänzer mit kleinem Bauch gleich viel näher bei mir als Zuseherin ist, das ist menschlicher, humaner. Gerade der zeitgenössische Tanz zeigt wieder dieses Humane.

Ist das ein Anliegen eurer Tanzkooperative, die hinter dem AlpsMove-Festival steht, authentisch-körperliche Tanzgeschichten zu erzählen?

Wir sind, glaub' ich, sehr unterschiedlich, wir haben die akademisch trainierten Tänzer wie Franz Weger und Tullia Pedrotti, wir haben das leiblich-körperliche Tanztheater wie ich es mache, wir haben die Performer im öffentlichen Raum oder die Konzeptorientierten. Das ist spannend und vielfältig, allerdings muss man diese Vielfalt auch vereinen können.

Vor 10 Jahren habt ihr das mit der Gründung von AlpsMove ja auch getan - weil es der zeitgenössische Tanz schwer hat in Südtirol?

Ich finde, dass sich Südtirol in künstlerisch-kultureller Hinsicht in den letzten 25 Jahren enorm entwickelt hat; auch haben wir mit Tanz Bozen, die ja unser Partner sind, das größte Tanzfestival Italiens hier, auch wenn es ein eingekauftes ist. Mir ist wichtig, dass getanzt wird, denn ich finde, dass man an seinem Körper und seinen Bewegungen einfach nicht vorbeikommt, man wird in dieser Hinsicht immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, über Tanz und Bewegung kann ich mich selbst erfahren.

Im diesjährigen Programm von AlpsMove findet man viele zeitkritische Themen…

Ja klar, wir bleiben dran an den Fragen der Zeit und fragen beispielsweise was geschieht, wenn wir ständig wachsen wollen und was es hingegen heißt zurückzustecken, oder seine Ansprüche herunter zu schrauben. Ist das nur negativ bzw. sind Rückschritte zulässig? Unsere Stücke beschäftigen sich auch mit Ernährung oder mit dem Ecological Footprint, sehr kritisch und zeitgemäß.

Doris Plankl, wo stehst du heute als Tänzerin, als Performerin?

Ich arbeite nach wie vor in Schulen, wie bereits seit über 25 Jahren und bin mit dem Festival hier organisatorisch ziemlich ausgelastet. Dieses Jahr stelle ich mich zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auf die Bühne; das ging letzthin nicht mehr, weil mein Herzfehler leider sehr akut wurde, wohl durch den ständigen Druck und Stress, dem ich mich ausgesetzt habe. Deshalb bin ich auch selbst sehr gespannt, wie ich auf der Bühne sein werde, denn gewisse Dinge kann ich einfach nicht mehr machen. Aber das gehört ja auch zum Älterwerden dazu und ich finde es kann einem nichts Besseres passieren, als auch noch im Alter seine Kreationsfreude und Leidenschaft zu erhalten, so wie der Butohtänzer  Kazuo Ohno, der mit 95 seine Performance zeigte oder meine Lehrerin Anna Halprin, die mit 85 Jahren noch ein Solo auf der Bühne tanzte. Das ist wunderschön und beispielhaft und wenn das Altwerden heißt, dann freue ich mich darauf.