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Max Castlunger ist Perkussionist. Und er ist neugierig. Das führt dazu, dass er ständig nach neuen Klangquellen sucht, die er zu Instrumenten formt, ob dies am Ende nun Trommeln sind, Saiteninstrumente, Schlaginstrumente oder Flöten aus Metallrohren. In der seit heute laufenden Ausstellung „Upcycling Music” zeigt er eine umfangreiche Auswahl dieser klanglichen Expeditionen. Dabei hat er sich stets – wie der Titel der Ausstellung unmissverständlich wiedergibt – auf Material basiert, das aus dem Alltag stammt, oder das er im Metallcontainer eines Recyclinghofes findet.
Entsprechend breit und unterschiedlich sind nicht nur die Klänge und die einzelnen Instrumente, die sich in den fünf Ausstellungsräumen im Kulturzentrum Grand Hotel in Toblach wiederfinden, denkbar unterschiedlich ist auch das Ausgangsmaterial und reicht vom Horn bis zur Aluminiumplatte. Die Instrumente wurden, wenn man das so sagen kann, thematisch gruppiert. So gibt es einen Raum mit Instrumenten aus Naturmaterialien oder einen Raum, in dem „Möbelinstrumente” zu finden sind, mit Tische die bespielt werden können, eine zum Saiteninstrument umfunktionierte Wiege oder ein Stuhl, der wie ein Cajon gespielt werden kann.
Die Ausstellung ist so angelegt, dass die BesucherInnen die Instrumente selbst ausprobieren können. Einem Großteil der Instrumente ist ein QR-Code beigefügt, über den ein kurzes Video verlinkt ist, auf dem Castlunger das betreffende Instrument vorführt. Und: Castlunger wird während der gesamten Dauer der Ausstellung vor Ort sein, um bei Bedarf als Expeditionsleiter durch seine Klangwelt zur Verfügung zu stehen.
Es ist nicht nur dieser Umstand der zeigt, wie ernst ihm diese inspirierende Suche nach Klängen ist, wie tief die Begeisterung Castlungers geht. Castlunger verwendet seine Instrumente natürlich auch selbst im Konzertkontext. So etwa die große, aus einem 500-Liter-Weinfass geschaffene Trommel, die bei der Tour (und bei den Aufnahmen) zum Einsatz kam, die Castlunger mit dem Herbert Pixner Projekt in Begleitung eines großen klassischen Orchesters gespielt hat.
Oder: Mit Unterstützung der Firma Rubner arbeitet Castlunger zur Zeit an der Fertigung einer kleinen Serie seines Maxicubes, einem dem Cajon nachempfundenen Holzwürfel, der auf allen vier Seiten bespielt werden kann. Dadurch, dass jede Seite unterschiedlich klingt, kann der Maxicube als Perkussion-Set eingesetzt werden.
Die fünf Ausstellungsräume wurden so ausgestattet, dass sie dank der schweren schwarzen Vorhänge Bühnenflair atmen. Das und die mitunter bizarr anmutenden Instrumente, verbunden mit den kurzen prägnanten Erklärungen und ihren mitunter sehr bildhaften Namen, ergibt eine wirkungsvolle emotionale Erfahrung.
Als bestes Beispiel dafür mag die Spina de Mül dienen.
Spina de Mül ist ein bösartiger Zauberer aus den ladinischen Sagen, die vom Reich der Fanes erzählen. Sein Schrei treibt jene in den Wahnsinn, die das Unglück haben ihn zu hören. Unheimlich. Und mutig all jene, die es wagen, dem Instrument diesen schrillen Klang zu entlocken.
Als zweites Beispiel sei die Oxybell angeführt, eine Reihe von ausgedienten Sauerstoffflaschen aus Südtirols Krankenhäusern, die auf den Stahlrahmen eines Trampolins fixiert wurden und dadurch wie eine Art Xylophon gespielt werden können.
Ein derart unterschiedliches, reichhaltiges Repertoire an Instrumenten lässt sich nicht in wenigen Monaten aus dem Boden zaubern, und auch wenn Castlunger wegen Corona endlich die Zeit gefunden hat, einige seiner Ideen in die Tat umzusetzen, liegen die ersten diesbezüglichen Schritte doch weit zurück. Castlunger hat bereits vor etwa fünfzehn Jahren mit dem Bau von eigenen Instrumenten begonnen. Die ersten dieser Instrumente waren ausgehöhlte alte Baumstämme, die in der Ausstellung auch zu sehen sind. Nachdem er Trommeln aus der ganzen Welt bereits gehört und gespielt hatte, hatte er sich überlegt, etwas Eigenes zu schaffen, etwas, das ihm und seiner Herkunft entspricht: eine Alpen-Trommel. Zu hören sind diese klingenden Baumstämme, oder wie Castlunger sie nennt, Tapi, bei den regulären Konzerten mit seiner aktuellen Band Jemm Music Project.
Ich habe immer versucht jene Instrumente zu bauen, die in meiner Sammlung fehlen.
Auch das „Detail”, auf Materialien zurückzugreifen, die im Alltag verwendet werden oder eben nicht mehr verwendet und deswegen weggeworfen werden, hat einen klaren Grund. Castlunger: „Ich habe bei den Trommeln in meiner Sammlung, bei den Trommeln traditioneller Kulturen, sehr oft gesehen, dass sie von Gegenständen aus dem Alltag abgeleitet wurden. Wie beispielsweise die afrikanische Udu war zuerst eine Vase, oder das Cajon war anfangs eine Arbeitskiste der Sklaven, die sie als Trommel verwendet haben, oder die Steel Drum wurde aus den Erdölfässern entwickelt. Ich habe immer versucht jene Instrumente zu bauen, die in meiner Sammlung fehlen.”
Aktuell hat Max Castlunger seine Instrumente als Theatermusik für das Stück „Richard III.” im Theater in der Altstadt in Meran eingesetzt und damit die evozierende Kraft dieser Klangwelt ausgelotet. Castlunger kann sich sehr gut vorstellen, dass viele der Klänge seiner Upcycling Music sich für Soundtracks eignen würden und sähe eine Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten/Komponistinnen als eine sehr reizvolle Möglichkeit.
„Upcycling Instruments” soll zum Jahresende in Brixen und im nächsten Jahr auch in Bozen zu erleben sein. Darüberhinaus kann „Upcycling Instrument” als interaktives Live-Set gebucht werden, bei dem Max Castlunger an einem Abend diese Klangwelt mit dem Publikum erkundet.
Die Eröffnung findet heute um 17 Uhr statt, mit einer Eröffnungsrede des Musikologen Luciano Bosi, einem der größten Sammler perkussiver Instrumente Italiens.
Links:
YouTube Kanal zu „Upcycling Music”: https://www.youtube.com/channel/UCkK5P3LnAXOM7hrTcwlifXA
Öffnungszeiten: https://www.kulturzentrum-toblach.eu/de/upcycling-music--4-79.html
Jemm Music Project: http://www.jemm.eu
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