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„Es war eine geile Zeit“

Der Südtiroler Radiomacher und DJ, Peter Obexer, lässt in seinem neuen Buch die wilden 1970-er und 1980-er Jahre in Südtirol wiederauferstehen. Ein Auszug.
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Foto: peter obexer
Stichtag: 1. Oktober 1978: 
Dieser Tag, es war ein Sonntag, sollte mein Leben verändern. Es war der Tag, an dem ich vom Elektrofach- bzw. Musikartikelverkäufer zum Discjockey wurde. Es war mein erster Tag, besser gesagt meine erste Nacht im Nörder Club, dem Treffpunkt netter Freunde. Hausherr und Disko-Boss Hans Waldner, damals wohl der gefragteste Junggeselle im Burggrafenamt, hat mich für eine Monatsgage von 600.000 Lire fix engagiert.
Das waren schon mal über Nacht 200.000 Lire mehr als ich im Elektrofachgeschäft verdient hatte. Dazu volle Verpflegung mit Übernachtung, kostenlosen Longdrinks, Damen, Tussis und Trallalala. Ich war gerade mal 17 Jahre jung. „Mit 17 fängt das Leben an“, heißt ein bekannter Schlager, oder noch besser: „Mit 17 hat man noch Träume, da wachsen noch alle Bäume ...!“
Die Baumschule meines geilen Lebens hat begonnen. „Hereinspaziert“, hieß es nun jeden Abend ab 21.00 Uhr durch mein Sennheiser- Mikrofon:
 
„Ich bin Peter Obexer und darf Ihnen jetzt das beste Team der Welt, das Nörder-Team vorstellen: Hinter der Theke: die galant-charmante Baristin ‚Edith’ mit der Lizenz zum Verlieben (Edith Hofer wurde übrigens 2005 zur Misses Südtirol gekürt).
Neben ihr ein wahrer Cocktailzauberer mit dem Herz in der Hosentasche ‚Günter’. Dazwischen der junge und immer geile Barkeeper alias Mister Sexmachine Man ‚Ossi’.
Vorne, der schnellste Oberkellner Südtirols, sorry, Europas, nein, der Welt ‚Rudi’ (ein gestrenger Herr, bei dem es ohne Trinkgeld keinen Sitzplatz gab). Hinten läuft der Champion im Lotto, Oberkellner Otto (der nie ein Wort zu wenig oder zu viel sagte und alles auf ein Pferd setzte). Anche un muratore sa far l’amore, cameriere ‚Gigi’ (ein Italiener, der seit 40 Jahren in Meran lebt und immer noch kein Wort Deutsch spricht oder sprechen will).  Und zu guter Letzt der stramme Mann am Eingang, Türsteher Charly (der niemanden mit Stallgeruch und Turnschuhen reinließ).
Allen Gästen wünschen wir viel Spaß und eine verkehrsreiche Nacht!“
 
 
Dann ging’s los mit der ersten Scheibe: „Love is in the Air“ von John Paul Young. Und keiner tanzte. Was für eine Blamage! Dann versuchte ich es mit „One for me, one for you“ von La Bionda. Wieder rührte sich nichts. Das Lokal voll – die Tanzfläche leer. Alle starrten mich an. So langsam wurde ich nervös und zweifelte an meinem Können. Doch aller guten Dinge sind drei. Mit der dritten Schallplatte hatte ich endlich alle(s) im Griff: „Rivers of Babylon“ von Boney M. Ein Song, der im Jahr 1978 siebzehn Wochen lang den ersten Platz der deutschen Charts belegte und rund um die Welt ging. „Ahahahahahaha, by the Rivers of Babylon, there we sat down, yeah, yeah, we wept, when we remembered Zion ...!“
Ein Paar sprang auf, ein zweites folgte und ... schwupps war der Tanzboden binnen weniger Sekunden voll. Ich hab’s geschafft. Der Laden lief ... ganze zehn Jahre lang bis zum 12. Juli 1988, meinem letzten Tag als DJ im Nörder. Doch dazu später.
 

Schlager, Tussis & Trallala

 

Marmor, Stein und Eisen bricht, nur die Liebe zum Schlager nicht.
Während andere Diskotheken wie das Dancing Exclusiv in Lana mit DJ Peter Irsara, der Après Club in Gargazon mit DJ Gerd Wilhelm, später dann mit DJ Goofy, der Römerkeller in Algund mit DJ Harry Reich usw. mit knallhartem Disko-Sound oder Rockmusik das Publikum begeisterten, war der Nörder für seine Schlager- und Foxmusik bekannt. Ob Mireille Mathieu, „Mama Leone“-Sänger Bino, ABBA, Donna Summer, Bee Gees oder Neil Diamond, der Nörder war für seine bunte und schnulzige Musikmischung auch weit über Südtirol hinaus beliebt.
 
 
DJ Charly hat mir den Takt vorgegeben: Drei bis vier Foxplatten, dann übergehen auf Disko (Shake), bei Bedarf, je nach Publikum, ein, zwei Rocknummern („Satisfaction“ von den Rolling Stones oder „Nutbush City Limits“ von Ike & Tina Turner), zu guter Letzt einen Twist („Let’s Twist again“) oder einen Rock’n’Roll von Little Richard.
„Wop-bop-a-loo-mop alop-bom-bom,Tutti frutti, oh rutti, Tutti Frutti“
Dann startet die Lento-Welle zum Kuscheln und ...
„Je t’aime ... moi non plus“ von Jane Birkin & Serge Gainsbourg war so der größte Renner, nicht nur hinter dem Brenner.
Während dieser Kuschelnummer wurde gegrapscht und geknuscht, bis zum Umfallen.
Übrigens: In dem Lied haucht Birkin zu einer eingängigen, sanften Hammond-Orgel-Melodie ein zärtliches „Je t’aime“ (ich liebe dich), das sich im Verlauf des Liedes immer mehr zu einem Luststöhnen mit hoher Atemfrequenz steigert. Das Lied wurde in vielen Ländern von den Radiostationen boykottiert – was die Popularität nur noch steigerte – und von wertkonservativen Institutionen so sehr bekämpft, dass der Protest des Vatikans sogar zur kurzzeitigen Verhaftung des Verantwortlichen der Plattenfirma führte.
Der zuständige Vertriebsleiter der italienischen Plattenfirma wurde sogar exkommuniziert. Aber all diese Widerstände schienen die Verkaufszahlen nur zu fördern und auch im Nörder stöhnte man, was das Zeug hielt.
Vor allem die aufgetakelten Sennerinnen aus Hafling, dem Ulten- und Passeiertal zeigten sich voller Stolz, wenn sie wieder einmal einen neureichen Hotelier aus Schenna oder Dorf Tirol abschleppten – oder auch umgekehrt. Schlager, Tussis und Trallala! Jede Nacht, das gleiche Spiel mit nur einem Ziel.
 

Wie angle ich mir einen Millionär?

 
Damals gab es sie ja noch, die Lire-Millionäre. Natürlich verkehrten im Nörder Club in Marling auch anständige Liebespärchen. Da kam schon mal die Sekretärin mit ihrem Chef, einem Landtagsabgeordneten, ein TV-Intendant mit seiner Ansagerin oder ein Großunternehmer als Frauenversteher bzw. Frauenflachleger.
Alles war da, was in Südtirol Rang und Namen hatte. Hinter der Theke, mit bestem Ausblick auf das bunte Treiben, saßen meistens Leo Gurschler, der Chef der Schnalstaler Gletscherbahnen, direkt gegenüber Paul Hanny, der für das Skigebiet Sulden kräftig die Werbetrommel rührte, oder Tausendsassa Werner von Spinn, der beste und schnellste Autoverkäufer Europas, um nur einige beim Namen zu nennen. Ein weiterer Möchtegern-Playboy aus Meran wollte auch zur Elite gehören und fiel vor allem durch seine großen Sprüche (und-nichts-dahinter) auf. Einmal ließ er hinter der Theke vor allen Leuten eine 100-Lire-Münze fallen, zündete dann einen 100.000-Lire Schein an, um die verlorenen 100 Lire zu suchen.
Wer angibt, hat angeblich mehr vom Leben.

Doch der Angeber kommt in der Regel nicht weit, es fehlt ihm ja die Sicherheit, mit der, ganz ohne anzugeben, die wahrhaft Fortgeschrittenen leben. Heute kreist er als Pleitegeier über Meran.
 

Ich will Spass – ich gebe Gas.

 
Es war eine geile Zeit, vielleicht die „geilste“ in meinem Leben. Von Oktober 1978 bis Juli 1988 wirbelte ich jeden Abend, außer freitags an meinem freien Tag, hinter dem Mischpult mit zwei Plattentellern im Nörder Club, Marling. Von unten aus betrachtet sah mein Arbeitsort aus wie ein Altar, an dem so manch eine/r auf die Kommunion warten würde. Manchmal kam ich mir auch vor wie ein Beichtvater. Mädels, die sich über weiß Gott was alles ausweinten oder Alpen-Playboys, die ihren letzten Aufriss bereuten. Ich tröstete, vergab und verzieh, was es zu verzeihen gab.
In Gedanken war ich aber immer schon bei der nächsten Platte: Was könnte ich jetzt auflegen? Was passt nach Boney M.? Kann ich die nächste Scheibe unterlegen bzw. reinmixen oder muss ich dazwischen was sagen? Wenn es einen Richtungswechsel gab, dann griff ich zum Mikrofon und plapperte: „Auf besonderen Wunsch für Angelika aus Oberplars (oder kam sie aus Unterplars? Ich weiß es nicht mehr!) gibt es nun ‚Born to Be Alive’ von Patrick Hernandez.“
Ein Hit, den ich meistens zweimal hintereinander auflegte, weil er so gut ankam. Ich kaufte dazu einfach eine weitere Singleplatte von „Born to Be Alive“ und mischte sie am Ende nochmals rein, ohne dass jemand was bemerkte. Eine Maxi-Version also, die dann rund sieben Minuten lang lief. In der Zwischenzeit konnte ich mit den reuigen Schäfchen den Rosenkranz weiterbeten und auf das tanzende Volk runterblicken.
Es war die Zeit der Dauerwelle und „Neuen Deutsche Welle“. Nena („99 Luftballons“), Peter Schilling („Major Tom“), Hubert Kah („Rosemarie“), Trio („Da, Da, Da, ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht“) oder Markus („Ich will Spaß“).
Spaß hatten wir auf jeden Fall. Onkel Taa zupfte schon mal 10.000 Lire für ein Wunschlied. Es hieß „Angela“ von Peter Maffay. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Angela, wer immer sie auch war – sie wird es heute wohl nicht mehr wissen! Und der Onkel so und anders nicht. Oder vielleicht doch? Dann rauschte der immer streng blickende Oberkellner Rudi mit einem Cocktail vorbei: „Das wurde von Dem und Dem offeriert. Er wünscht sich dafür den neuen Hit von Falco ‚Rock me Amadeus’.“
„Ok, mach ich“, und so ging es weiter. Schlag auf Schlag. Hit auf Hit. Gefühlte sex Minuten später tanzte mein Chef Hans Waldner mit einer Auserwählten an. Ein Augenzwinkern genügte und ich wusste, was zu tun war.
Das Licht dämmen, den Sound wechseln – alles Lento, hieß es jetzt. Dean Martin („Everybody Loves Somebody“), Tom Jones („Green Green Grase of Home“) oder Fats Domino („Blueberry Hill“) waren bei ihm angesagt. Jeder Griff auf der Tanzfläche saß und nach wenigen Minuten ging’s von den unteren Stockwerken in die oberen Jagdgründe.
 
 
Das lief einige Jahre so, bis schlussendlich Marlene kam. Miss Quelenhof aus dem Passeiertal. „Die wird den Hansi schon zurechtbiegen“, wussten einige „Psairer“ Stammgäste zu berichten.
So war es dann auch.
Auf der Tanzfläche ging das Spiel indes weiter. „Kannsch net amol an Wolzer auflegn?“, bettelte der Sepp aus Lana. „Na, ich will liabr an Fox“, zwitscherte seine lockig-flockige „Dancing Queen“ mit dem Charme im Darm.
Es war schon verrückt manchmal, was sich in dieser Taverne so alles abspielte.
 

„Walsche Fighetti“

 
Kurz darauf verzog der nach außen hin immer brav wirkende Kellner Otto seine Miene: „Olm de gleichen, de nix trinken“, „walsche Fighetti!“ Ihr Statement: „Beviamo più tardi!“ Für diese Papagalli gab es aber kein nächstes Mal.
Eintritt verboten! Nach weiteren 3,54 Minuten, einer herkömmlichen Singleplatten-Dauer, knallte auf besonderen Wunsch „Darlin“ von Frankie Miller aus den Boxen, der absolute Lieblingssong von Elisabeth Waldner, der immer fröhlichen und immer lachenden Schwester unseres Nörder- Chefs.
Wer ihr damaliger „Darling“ war, weiß nur sie. Einer der meistgewünschten Dauerbrenner in den 80ern war „Live is Life“ von Opus. Ich kann diesen Gassenhauer bis heute nicht mehr hören. Auch „The Final Countdown“ von Europe, „Words“ von F.R. David oder „You’re my Heart, You’re my Soul“ von Modern Talking, sprich Dieter Bohlen und Thomas Anders, liefen jede Nacht rauf und runter.
Gruselig!
Aber Geschmack und Ohrenschmalz sind bekanntlich ja verschieden. Sicher ist: Eine Weltformel für eine Musik, die auf alle Menschen die gleiche Wirkung hat, kann es nicht geben. Insofern hatte der französische Schriftsteller Victor Hugo schon im 19. Jahrhundert die Schwierigkeiten beim Versuch, die Wirkung von Musik zu verstehen, gut auf den Punkt gebracht: „Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“
Einmal im Jahr kam der „Hofmann-Sepp“ aus Lana (Gott habe ihn selig!) mit einigen gleichgesinnten Brüdern vorbei. Er leitete eine gutgehende Baumschule und war für seine Macho-Sprüche bekannt: „Morgn kemmen so viele Bam, dass es in Oberlana finschter wird“, prahlte er im blauen Schurz.
 
 
Weiters war er ein bekennender Sympathisant der Schützen und ein heimlicher Liebhaber der „Walschen“. Das Außergewöhnliche: Er wollte stets ein und denselben italienischen Song hören: „Chi non lavora, non fa l’amore“ von Adriano Celentano. „Deutsch bleiben, fratelli!“ Dazu eine Flasche Schampus, ein paar Carabinieri-Witze ... da lachte der Landwirt.
Jeder der Nörder-Angestellten hatte einen freien Tag.
Bei mir war es freitags, bei Oberkellner Rudi mittwochs. Eines schönen Abends gegen 21.43 Uhr, zum Glück waren nur wenige Gäste zugegen, rollte „Schmalzi“, wie wir ihn unter Freunden nennen, mit seinem „Ciao-Piaggio“ über die Eingangstreppe direkt in die Disko und ließ den Motoroller einige Runden lang auf der Tanzfläche schleifen. „Ich geb Gas, ich will Spaß – Choose me, Baby, Don’t lose me Baby“, schrie Rudi lauthals und rauschte mit Vollgas beim Hinterausgang davon. Es war schon verrückt lustig, was wir alles miterlebt haben. Freitags, an meinem freien Tag, swingte DJ Charly, der damals mit seinem Oberlippenschnauzer aussah wie „Magnum“-Schauspieler Tom Selleck, die alten „Schinken“-Platten und verzauberte damit die vorwiegend weiblichen Lolitas. Ich schaute mal kurz im Après Club vorbei, ab und zu im Dancing Exclusiv, im Römerkeller oder auch im Treindlerhof in Latsch.
Man musste ja hören, was die Konkurrenz so auflegte und zu bieten hatte.
 

Auf nach Berlin

 
Die 80er-Jahre stehen für heftige Umbrüche in der Politik und Unterhaltung. Computer, Anrufbeantworter, Videorecorder und Zauberwürfel eroberten Unternehmen und Wohnzimmer. Musik wurde dank Walkman tragbar und zum ersten Mal auf der IFA – der Internationalen Funkausstellung auf Berlin – vorgeführt. Charly Mazagg, der gerade mit Willy Vontavon, Klaus Ramoser und Hannes Tribus „Radio S3“ in Brixen gegründet hatte, fragte mich, ob ich ihn nach Berlin begleiten würde.
Der dritte Mann im Bunde: Disko-Boss und Fotograf Paul Gasser vom Dancing Exclusiv in Lana. Anstatt meinen Urlaub an der Playa d’en Bossa in Ibiza zu verbringen, klapperten wir nun im alten Ford Taunus von Mazagg über die Autobahn, durch die ehemalige DDR, nach Westberlin. Zehn Stunden Fahrt waren eingeplant. Bereits nach einer Stunde, auf der ersten Autobahnraststätte hinter dem Brenner, knurrte der Magen von Charly Mazagg. „Hunger, Hunger!“ Schnell wurde ein Brathendl verdrückt – weiter ging’s. In Hof, an der Bayerischen Grenze zur DDR, wurde unser Wagen von der Deutschen Demokratischen Polizei so gut wie auf den Kopf gestellt. Eine ganze Stunde lang wurde unser Vierräder mit italienischem Kennzeichen nach weiß Gott was durchsucht. Fazit am Ende: nichts gefunden, weiterfahren bitte!
 
 
Nach gefühlten 24 Stunden kamen wir endlich in Berlin an. Michael Borge, damals auch freier Mitarbeiter bei „Radio S3“ und frischvermählt mit einer Südtirolerin aus Kaltern, besorgte uns einen staubigen Unterschlupf nahe des Ku’damms. Mit seiner frechen „Berliner Schnauze“ zeigte er uns seine Stadt und überraschte uns mit VIP-Tickets für eine exklusive Party auf dem Wannsee. Borge war Pressebetreuer der Schallplattenfirma Hansa bzw. der Meiselmusikverlage, bei der alle großen Stars von damals unter Vertrag waren. Auf einmal glänzten wir mittendrin mit meinem Teenie-Schwarm Désirée Nosbusch, Roland Kaiser, Dieter Bohlen, Thomas Gottschalk, Nino de Angelo, Tommy Steiner, Rex Gildo, Peter Orloff, Bernd Clüver, Gitte, Wolfgang Petry, Andreas Martin, The Lords ... und wie sie alle heißen. Ich dachte, alles nur ein Traum oder doch wahr? Licht aus, Spot an!
Da stand ich nun. Ich, das kleine, hinter den Ohren noch grüne „Untermesner-Peterle“ aus Villnöß, mit allen großen Stars aus der Disko mit Ilja Richter oder der ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck. Wooooow!
Mazagg führte ein Interview nach dem anderen, ich durfte fotografieren und nebenbei einige private Schnappschüsse der Stars knipsen. Dieter Bohlen, gerade mit Modern Talking auf Erfolgskurs, ging auf mich zu und fragte: „Für welche Zeitschrift machen Sie die Fotos?“ Was sollte ich sagen? Für mich privat, für die „Jugendwacht“ oder für „Radio S3“ in Brixen, den in Berlin niemand kennt? „Für die Bild- Zeitung“, log ich, ohne rot zu werden. Kurze Stille. „Ein Fotograf der Bild“, hörte ich hinter mir. Plötzlich drängten sich alle um mich und wollten abgeblitzt werden. Von wegen Bild? Ich habe die Fotos heute noch in meinem Archiv.
„Für die Bild- Zeitung“, log ich, ohne rot zu werden.
Am nächsten Tag ging es dann „halli galli“ zu „Dalli Dalli“, der Quizshow mit Hans Rosenthal. Die Sendung lief zur besten Sendezeit im ZDF und begeisterte ein Millionenpublikum. Auch Thomas Gottschalk und Günther Jauch durfte ich während ihren Live-Auftritten über die Schultern schauen.
Genial! Ein Termin jagte den anderen. Charly Mazagg, der rasende Reporter aus den Bergen, wie er von Gunter Gabriel („Hey Boss – ich brauch mehr Geld“) gehänselt wurde, hetzte zu einer weiteren TV-Show in die Berliner Philharmonie.
Von dort aus wurde ab 22.00 Uhr der „Liedercircus“ mit Michael Heltau live im ZDF übertragen. Leise hörte ich Mazagg fluchen: „Scheiße, wir haben unsere Presseausweise vergessen!“
„Wie kommen wir dann rein“, fragte ich meinen Lehrmeister. „Nie verzagen, Charly fragen“, lachte Mazagg. „Nur mir nach.“ Schnellen Schrittes eilten wir zum Hintereingang, der nur für Künstler & Co. zugänglich war. Mazagg, bekannt für seine kitschigen Krawatten aus Mafiafilmen, drängte sich einfach vor – ich hinten nach. „Halt, Stop!“, schrie ein Polizist. „Das ist nur für Künstler!“ Mazagg darauf in italienischem Akzent: „Aintschuldige Sie vielemal, wir gehöre zu enge Team von Milva“, die übrigens als Stargast angesagt war, „und wir habe unsere Kunstlerausweis in Quarderobe liege lasse. Wir mussen sofort rein, sonst verpasse wir Auftritt von Mama Milva.“ Bis der Polizist das alles geschluckt hatte, waren wir „Schmidtchen Schleicher“ schon längst hinter der Showbühne und lachten uns wie Max und Moritz ins Fäustchen.