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Politik | Regierungsbildung

Autonomie?

Warum dieser vorauseilende Gehorsam?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Arno Kompatscher
Foto: Seehauserfoto
  • Die Bildung der neuen Landesregierung scheint unter großem Druck zu stehen, die Fratelli d´Italia mit einzubeziehen, weil diese ja in Rom an der Macht sind. Das ist autonomiepoltisch ein neuer, höchst interessanter Ansatz: Wir bilden nicht jene Regierungskoalition, die uns am besten im Land passt, (z.B. eine mit Kräften, denen Nachhaltigkeit und sozialer Friede ein Anliegen ist), sondern kopieren die jeweils in Rom sich an der Macht befindliche! Das ist für mich die komplette Aufgabe aller Autonomie! 

    Da sind nun Neofaschisten an der Staatsregierung, und der Landeshauptmann hat nichts anderes im Kopf - zumindest scheint es so - als aus Opportunitätsgründen ebendiese Neofaschisten zu sich in die Regierung in Bozen zu holen! Welcher Teufel reitet ihn da?

    Und morgen, wenn die Regierung Meloni stürzt, wird dann in Bozen auch sofort umgemodelt? Um ja konform mit Rom zu sein, weil man ja sonst die Autonomie nicht ausbauen kann? Also totaler politischer Autonomieverzicht, um irgendwelche Artikelchen durchzubringen? 

    Herr Dr. Kompatscher: Was führen Sie uns da vor?

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Thomas Unterwinkler Fr., 01.12.2023 - 19:52

Naja, es ist eigentlich seit Durnwalder Gepflogenheit, dass der italienische Koalitionspartner jene Partei ist, die von der italienischen Sprachgruppe am meisten gewählt wird. Das war eine Zeitlang der PD und zuletzt die Lega. Diesmal ist das der Rechtsblock aus FdI und Lega - auch wenn dieser Block mit drei Abgeordneten nur einen mehr hat als der Mitte-Links-Block.
Dann sind da noch pragmatische Aspekte: die Beziehungen zur Regierung in Rom, die Bildung der Regionalregierung zusammen mit dem Trentino, die Listenverbindung für Dorfmanns Wiederwahl ins Europäische Parlament im nächsten Jahr, ...
Ich hätte auch keine Freude mit den FdI in der Landesregierung, aber man darf halt auch die Realpolitik nicht außer Acht lassen. Anders als früher ist die SVP ist in Rom nicht mehr Zünglein an der Waage. Und die Meloni sitzt fester denn je im Sattel. Sie wird diese Legislatur, die in vier Jahren endet, höchstwahrscheinlich als Ministerpräsidentin zu Ende bringen. Wer sollte sie stürzen? Die eigenen Leute? Die Lega mit Salvini, den niemand mehr ernst nimmt? Die nicht mehr existente Forza Italia?
Einer Landesregierung mit dem PD wird die Zentralregierung in Rom wahrscheinlich nichts wegnehmen, aber es wird halt auch keine Zugeständnisse (Wiederherstellung von Kompetenzen, dynamische Entwicklung der Autonomie) geben.

Fr., 01.12.2023 - 19:52 Permalink
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Sigmund Kripp Fr., 01.12.2023 - 20:07

Antwort auf von Thomas Unterwinkler

@Thomas Unterwinkler: D.h., aus Ihrer Sicht ist die Haltung einer Partei, ihre Weltanschauung, ihre moralischen Werte letztlich nicht ausschlaggebend. Sie, Herr Unterwinkler, würden auch mit einer AfD oder einer ähnlich faschistoiden Partei eine Koalition eingehen, nur, weil sie die "Mehrheit" der Italiener repräsentiert oder gerade in der Hauptstadt an der Macht ist? Es zählen also wirklich gar keine Werte? Immerhin ist auch die NSDAP ganz demokratisch gewählt worden. Was meinen Sie zu so einer Überlegung?

Fr., 01.12.2023 - 20:07 Permalink
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Thomas Unterwinkler Sa., 02.12.2023 - 01:36

Antwort auf von Sigmund Kripp

1.) Ich schätze Höcke, Kickl, Wilders oder Le Pen radikaler als Meloni ein. Das mache ich u.a. daran fest, dass Meloni in der EU konstruktiv mitarbeitet und die Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor unterstützt. Die anderen vier wollen die EU zerstören und mit Putin zusammenarbeiten. Meloni hat sich in ihrer Regierungserklärung dafür ausgesprochen, die Autonomiestandards wiederherzustellen, die durch Urteile des Verfassungsgerichts über die Jahre immer weiter ausgehöhlt wurden. Würde Le Pen in ihrer Regierungserklärung die Minderheiten in Frankreich überhaupt eines Wortes würdigen? Ich glaube nein. Man könnte jetzt auch erwähnen, dass Pier Carlo Padoan, seinerzeit Finanzminister unter Renzi und Gentiloni, letztens im Interview mit der SZ gesagt hat: "Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist eine sehr gute Politikerin. Und der Finanzminister Giancarlo Giorgetti macht einen richtig guten Job. Ich schaue auf die konkreten Maßnahmen der Regierung, und die sind in der Wirtschaftspolitik vielversprechend, vor allem wenn man berücksichtigt, in welchem schwierigen Umfeld wir uns immer noch befinden." Ich bin gespannt, ob ein ehemaliger sozialdemokratischer Finanzminister ähnliches sagen würde, wenn Kickl mal in Österreich regieren sollte. Ich glaube nicht.
2.) Wenn die FdI in die LR kommen, müssten sie sich mE schriftlich verpflichten, für die Autonomie, Minderheitenschutz und die EU einzutreten und jede Form der Diskriminierung abzulehnen.
3.) Der Einfluss der FdI in der Regierungsmehrheit und in der LR wäre gering. Sie hätten zwei von 19 oder 21 Abgeordneten und einen Landesrat. Wenn die Civica Teil der Regierungsmehrheit würde, dann hätte die Rechtsaußen-Ideologie nicht mal in der Vertretung der italienischen Sprachgruppe eine Mehrheit (Bianchi ist ungut, aber kein Rechtsextremer).
4.) Ich schätze Galateo als nicht besonders kompetent ein und glaube, dass er als Landesrat nicht groß auffallen würde bzw. nicht allzu viel bewegen würde und bei den nächsten Wahlen wahrscheinlich die Wiederwahl verpassen würde (vgl. die beiden Landesräte der Lega).
Just my two cents. Ich muss das Gott sei Dank nicht entscheiden!

Sa., 02.12.2023 - 01:36 Permalink
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Thomas Unterwinkler Sa., 02.12.2023 - 13:43

Antwort auf von Sigmund Kripp

Es ist eine schwierige Abwägung und natürlich ist die Frage offen, ob etwaige Erfolge bei Autonomie, Autobahn, usw. das Wagnis wert wären.
Ich bin im Übrigen ziemlich sicher, dass Gennaccaro der bessere Landesrat als Galateo wäre, auch und insbesondere für die Italiener.
Naja, vielleicht erledigt sich das Ganze, wenn sich die SVP gegen eine 11er Landesregierung entscheidet und die italienischen Rechtsparteien das dann nicht akzeptieren.

Sa., 02.12.2023 - 13:43 Permalink
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Daniele Menestrina Sa., 02.12.2023 - 10:48

Antwort auf von Thomas Unterwinkler

Falsch, Herr Unterwinkler! Es war unter Durnwalder NIE Gepflogenheit als italienischen Koalitionspartner die von der italienischen Sprachgruppe am meisten gewählte Partei zu nehmen.
Durnwalder I und II war die stärkste italienische Partei (und zweitstärkste im Landtag) der MSI, Durnwalder III und IV Alleanza Nazionale und Durnwalder V der Popolo delle Libertà (diesmal nur drittstärkste Partei im Landtag hinter den Freiheitlichen). Es ging nie um Gepflogenheit, sondern immer nur um Opportunismus im Interesse der Bonzen in der Sammelpartei.

Sa., 02.12.2023 - 10:48 Permalink
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Hartmuth Staffler Fr., 01.12.2023 - 21:08

Wenn sich die SVP mit den italienischen Rechten einlässt, dann verabschiedet sie sich endgültig vom Anspruch, eine Sammelpartei zu sein, die möglichst alle Südtiroler vertritt, und sie verabschiedet sich von allen Werten, die sie zu vertreten vorgibt.

Fr., 01.12.2023 - 21:08 Permalink
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Sigmund Kripp Sa., 02.12.2023 - 08:33

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Noch dazu, wo Kompatscher parteiintern eigentlich als Sieger aus den Wahlen hervorgegangen ist und sich die rechten hardliner der Partei vertschüst haben, siehe Widmann, oder nicht gewählt worden sind.
Ich hätte gedacht, dass Kompatscher jetzt erst recht seine mitte-links-Linie fahren könnte und auch würde. Ich verstehe ihn tatsächlich persönlich nicht, warum er mit den Neofaschisten ins Bett gehen will, wo er doch eine Alternative in der Tasche hätte!
Die Meloni-Zeit wird die Autonomie wohl noch überleben?

Sa., 02.12.2023 - 08:33 Permalink
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Profil für Benutzer Massimiliano Rausa
Massimiliano Rausa Sa., 02.12.2023 - 12:06

Oltre al ripristino delle competenze e allo sviluppo dinamico delle autonomie (belle cose che possono anche aspettare un altro governo disponibile), non scordiamoci il rinnovo della concessione della A22.
Non è cosa da poco.
Sono 50 anni di concessione.
E si decide ora.

Sa., 02.12.2023 - 12:06 Permalink
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Profil für Benutzer Sigmund Kripp
Sigmund Kripp Sa., 02.12.2023 - 12:10

Antwort auf von Massimiliano Rausa

@Massimiliano Rausa: Und denken Sie, die Regierung Meloni ist dem Konzessionsübertrag an Südtirol wohl gesonnen?
Für Südtirol wäre es interessant, weil dann vielleicht endlich die Mauterhöhung auf österreichisches Niveau angegangen werden kann.
Aber genau das will die Meloniregierung sicher nicht...

Sa., 02.12.2023 - 12:10 Permalink
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Profil für Benutzer G. P.
G. P. Sa., 02.12.2023 - 13:05

“Wenn die FdI in die LR kommen, müssten sie sich mE schriftlich verpflichten, für die Autonomie, Minderheitenschutz und die EU einzutreten und jede Form der Diskriminierung abzulehnen.”
Papier ist geduldig ...

Sa., 02.12.2023 - 13:05 Permalink
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Salto User
evikeifl Mo., 04.12.2023 - 18:47

Das, was Kompatscher jetzt auf Schiene bringt, ist in hohem Maße gefährlich. Wie will er politische Arbeit vorantreiben, mit Landesräten, die eine völlig andere Vorstellung von Gesellschaft haben? Wie will er offene, inklusive Jugendarbeit, wie will er zeitgenössische Kunst fördern? Wie will er die Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften schützen, wie eine menschenrechtskonforme Migrationspolitik betreiben, wie die offenen Fragen von Diskriminierungen aller Art endlich angehen? Und wie will er mit bekennenden Klimaleugnern das brennendste Vorhaben, den Klimaplan umsetzen? Wie verblendet vom Machtanspruch muss Mann sein, dass er verdrängt, mit welchem Zynismus und mit welcher Systematik Faschisten die Menschenrechte verletzen, Inklusion verhindern, Minderheitenrechte beschneiden, Frauen verachten, den Klimawandel leugnen? Der Pakt mit den Postfaschisten gefährdet nicht nur die Entwicklung einer offenen, inklusiven Gesellschaft. Er gefährdet die gesamte Entwicklung unseres Landes zu einer zukunftsfähigen Alpenregion.

Mo., 04.12.2023 - 18:47 Permalink