Kultur | Salto Afternoon

Love, Lust & passione

Die 12. Ausgabe der Zeitschrift "vissidarte" wurde am 28. Januar im Frauenmuseum Meran vorgestellt. Sie präsentiert sich eleganter und schärfer als bisher.
Titelfoto
Foto: Foto: Vissidarte

Autorinnen und Autoren aus fünf Ländern berichten, betrachten und beobachten Love, Lust & passione aus künstlerischer, kultureller und gesellschaftlicher Sicht und stellen - neben Essays und Berichten rund um die Thematik - Kunstschaffende aus sieben Ländern vor. Die Herausgeberinnen Sonja Steger und Katharina Hohenstein haben SALTO einen der vielen Textbeiträge zur Verfügung gestellt. Er bespricht die Skulpturen des Künstler Peter Brauchle, der bei der 5. Marmorwerkstatt in Laas (2014), neben Armin Joos, mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde.

L’AMOUR POUR LA LIBERTÉ

Katharina Hohenstein

Figuren, auf der Suche nach Freiheit. Skulpturen, deren Anmut dramatisierend zugespitzt ist. Plastiken, hungrig nach Zukunft. Der bildhauerische Kosmos von Peter Brauchle thematisiert die Entfaltung des Seins.

Sie drängt sich mit ihrer gespannten Form nach oben, in den weiten Himmel über Land und Meer, nach vorne, gen Horizont, scheint angezogen von einer größeren Kraft und gibt ihr ganzes Sein dem Sich-Öffnen preis. Sommer, so nannte Peter Brauchle diese Figur. Dem Meer zugewandt strebt sie zur Sonne, während sie tief verankert im Rantumer Sand, irgendwo zwischen Wattenmeer und Nordsee, den Gezeiten trotzt. Die Explosion alles Lebendigen ist bei vielen seiner Figuren allgegenwärtig und gibt der Energie des Lebens in all ihren Schattierungen Raum. Ungezügelt und erregt, aufstrebend und voller Hoffnung - gleich einem Basislager als Ausgangsort für die Besteigung eines Achttausenders, gleich einem Samenkorn, dessen Weiterleben vom Durchbruch durch den Boden abhängt - geben seine Figuren dem Positiven des Lebens eine Chance. Selbst dann, wenn dies im Widerstreit mit Urgewalten und dunklen Mächten zu stehen scheint.

Viele seiner Plastiken und Skulpturen aus Stein, Bronze, Holz oder Kunststoff streben mit gewaltiger Energie der eigenen Entfaltung entgegen, voller Schönheit, die sich an Grenzen vortastet, voller Anmut, die aus der Zukunft zu kommen scheint.Gerade die Liberté, dieses weibliche Symbol für ein Leben aller Menschen in Freiheit, kann sowohl auf das Individuum bezogen als auch in einem gesellschaftspolitischen Umfeld gesehen werden. Die Liberté zeigt das Streben nach Unbefangenheit, aber auch nach Vervollkommnung, wie wir sie seit den Anfängen des Menschseins kennen. Wenn jedes gesellschaftliche Umfeld gleichzeitig unumgängliche Basis für das individuelle Entfalten ist und folgende Behauptung zutrifft: „Je mehr omnipotente Paradigmen vorherrschen und je weniger sichtbare und damit anspornende Vielfalt innerhalb der Gesellschaft vom Individuum erfahren werden kann, desto schwieriger scheint eine Entwicklung hin zu einem wahrhaftig eigenständigen Sein.“, dann zeigt Peter Brauchle, dass gleichzeitig der unbedingte Wille und die Notwendigkeit zur eigenen Entfaltung und einer Suche nach der eigenen Freiheit wächst. Und macht Mut, sich dorthin zu begeben.