Film | Ernährung

„Produktivität ist ein Muss“

Der Dokumentarfilm „Food for Profit“ gibt Gedankennahrung, die uns zur Reflexion über unsere Ernährung, Steuergelder und dem Umgang mit Tieren bringt. Wie schmeckt das?
Food for Profit
Foto: Food for Profit
  • Schockfilme die nach 90 Minuten einen Appell zum Vegetarismus/Veganismus lancieren möchten, gibt es viele. Was macht den Film von Pablo D’Ambrosi und Giulia Innocenzi anders als die anderen? Vielleicht der Fakt, dass man sich dem Phänomen Massentierhaltung gänzlich ohne Scheuklappen und mit einem weiten Blickfeld annähert und eine ganze Reihe von Problematiken rund um die Produktion von Fleisch (Im Film: Rind, Schwein, Huhn, Truthahn) anschneidet, die über das bloße Tierwohl hinausgehen. 

    Erzählt wird der Film in Etappen, die jeweils ein weiteres Problem offenlegen und hierfür versteckte Aufnahmen aus europäischen Betrieben aus Italien, Deutschland, Spanien und Polen ins Feld führen. Wenngleich der Film dabei immer wahlweise von einem Problem spricht, bleiben die anderen dennoch sichtbar. Die oft anonymen (Video-)Zeugnisse von Arbeiter:innen aus den Betrieben sind allarmierend.

    Geht es in der ersten Etappe vor allem um Tierwohl und Hygiene (wir besuchen einen Geflügelbetrieb in der Po-Ebene mit rund zwei Millionen Tieren), so werden anschließend Lobbyismus und der übermäßige Gebrauch von Antibiotika thematisiert. Wenngleich die Reaktionen dabei jedes Mal die gleichen sind, suchen die Filmemacher - allen voran die Investigativ-Journalistin Innocenzi - die Betriebe mit dem gesammelten Beweismaterial zu konfrontieren. Die Reaktionen sind dabei immer analog zueinander. Es handle sich um Lügen, man habe dazu nichts zu sagen, man werde die Polizei rufen und auch woanders gebe es Missstände: Etwa in Krankenhäusern oder am Fußballplatz.

  • Food for Profit: Schwächere Vögel werden aussortiert. Im Betrieb in der Po-Ebene gängige Praxis, außerhalb der Mauern weiß niemand von nichts. Foto: Screenshot

    Immer wieder versucht man auch, finanziell an unserem Unrechtsbewusstsein zu rütteln. Die europäischen Fördergelder sind Ausgangs- und Endpunkt des Films, der mit einer Rede Ursula von der Leyen beginnt und mit dem eindeutigen Abstimmungsergebnis für die Landwirtschaftsförderungen bis 2027 endet. Das Signal der 387 Milliarden aus Brüssel, dem der Film vehement widerspricht, ist klar: Nach Möglichkeit weitermachen wie bisher und nicht zu sehr ins System eingreifen.

    Dagegen haben die Lobbyisten, die der Film aufsucht - allen voran die EU-Abgeordneten Paolo de Castro und Clara Aguilera - hier wenige Bedenken. Als Provokation fragt der Film ersteren, ob etwa ein Schwein mit sechs Beinen (50 Prozent mehr Schinken) vermarktet werden könnte. Die Antwort lautet ausgesprochen pragmatisch, dass das darauf ankäme, wie es der Öffentlichkeit verkauft wird. Schockierend ist dabei auch, wie weit diese Welten, die der Agrarlobbyisten und die der Tiere auseinanderliegen, dass dieses und noch absurdere Beispiele überhaupt gemacht werden können. Ans Tierwohl denkt dabei keiner.

    Aber auch vor menschlichem Leid verschließt der Film nicht die Augen und wagt in der Nähe von Berlin auch einen kurzen Vorstoß in Sachen Gastarbeiter und deren Arbeits- und Unterbringungsbedingungen. Viel besser geht es ihnen auch nicht als den Tieren. „Food for Profit“ ist ein durchwegs ambitionierter Film, der anhand von Fallbeispielen herausfinden möchte, woran ein würdiger Umgang mit Nutztieren und Ressourcen in diesen Fällen scheitert. Die ernüchternde Antwort lautet dabei wohl „am kapitalistischen System“ und so lässt einen der Film mit Fragen nach der Lösbarkeit des Problems zurück. Das schmeckt bitter.

  • Food for Profit wird heute Abend, 17.30 Uhr, im Cineforum Bozen (Roenstraße 6) gezeigt. Der Filmclub Bozen zeigt den Film morgen, Mittwoch um 20.30 Uhr, sowie am Donnerstag um 18.30 Uhr.

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Herta Abram Fr., 05.04.2024 - 08:00

FOOD FOR PROFIT ist ein Dokumentarfilm, der den roten Faden zeigt, der Fleischindustrie, Lobbys und politische Macht miteinander verbindet. Im Mittelpunkt stehen die Milliarden Euro, die Europa für die Intensivlandwirtschaft ausgibt, die Tiere misshandelt, die Umwelt belastet und eine Gefahr für künftige Pandemien darstellt.

Fr., 05.04.2024 - 08:00 Permalink