Kultur | Salto Afternoon

Der überflüssige Mensch

Die Vereinigten Bühnen Bozen eröffnen den Theaterherbst mit einem stark verkürzten Tschechow. Ein Stück im Zeichen der Schwermut und Erschöpfung.
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Foto: Foto: Karlheinz Fessl

Das Bozner Stadttheater zeigt derzeit in Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt die Komödie „Iwanow“ unter der Leitung der renommierten Regisseurin Mateja Koležnik. Anton Tschechows Protagonist Iwanow ist ein verschuldeter Kleinadeliger in der russischen Provinz, der auf seinem Gutshof in der Lethargie versinkt.

Er ist einsam, erschöpft, genervt von seiner schwindsüchtigen Frau Anna Petrowna, die seinetwegen von ihrer jüdischen Familie verstoßen wurde. Immer wieder fragt er sich: Warum bin ich alles so leid? Warum liebe ich meine Frau nicht mehr? Wie befreie ich mich aus dieser Ausweglosigkeit? Nur um dann immer aufs Neue müde zu resignieren.

Seine Frau indessen weiß nicht, wie weit fortgeschritten ihre Krankheit bereits ist, und will sich auf Teufel komm raus lebendig fühlen, prallt an Iwanow mit ihren forciert leidenschaftlichen Annäherungen ab, bäumt sich in einer verzweifelten Fröhlichkeit und Ausgelassenheit ein letztes Mal auf – Gerti Drassl liefert als Anna Petrowna eine beeindruckende Darbietung. Iwanow flüchtet vor ihr auf das Gut der Lebedjews, denen er nicht einmal die Zinsen seiner Schulden zurückzahlen kann, doch weder die aufgesetzt fröhlichen Feste mit ihren deplatziert wirkenden italienischen Schlagern noch die junge Gutstochter Sascha mit ihren Avancen vermögen ihn aus seiner Lethargie zu reißen. Gekonnt verstärkt wird diese allgemeine Langeweile von den durchwegs schalen Farben der Kostüme.

Das Publikum betrachtet das Geschehen wie von außen durch großflächige Fenster, beleuchtet sind nur die Räume, wo sich die Schauspieler*innen bewegen, der Rest der Bühne bleibt dunkel.

Das hat den unangenehmen, aber offenbar gewollten Effekt, dass Teile der Handlung nicht einsehbar sind und so mancher Textfetzen hinter den Wänden untergeht. Insgesamt wird in dieser Inszenierung die Distanz zum Publikum so groß, dass dem vielschichtigen Spiel des Ensembles zum Trotz der Funke nicht so recht überspringen will und so die präzise ausgeteilten Tschechowschen Spitzen und Pointen die Zuschauer*innen nicht wirklich erreichen, ebenso wenig wie die Tragik Iwanows als „überflüssigen Menschen“ oder das Schicksal der anderen Figuren. Anspruchsvoll ist ein Stück, das das Publikum fordert. Mühsam ein Stück, das einen im Grunde gleichgültig zurücklässt.