Politik | Justiz

„Populismus pur“

Der Strafverteidiger Nicola Canestrini über die Absurdität der neuen Anti-Rave-Bestimmung, die vertagte Justizreform und die unrühmliche Tradition der Anlassgesetzgebung,
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Foto: upi
Salto.bz: Herr Canestrini, die Regierung hat über Nacht absurde Strafen gegen illegale Raves eingeführt. Wenn ein Staat gegen junge, tanzende Menschen so vorgeht, dann ist es nicht mehr weit bis zum totalitären Regime?
 
Nicola Canestrini: Man soll nicht übertreiben. Was mich aber schon wundert: Die italienische Justiz hat seit vielen Jahren grundlegende und gravierende Schwachstellen und Probleme. Der Rechtsstaat Italien hat offensichtlich ein Problem mit der Wahrung der Grundrechte im Strafverfahren, wie z.B: Dauer der Strafverfahren, Verjährung, Haftbedingung, Übersetzung. Und was tut die neue Regierung? Als ersten Akt verschiebt man die bereits geplante Justizreform, die nach der früheren Justizministerin Marta Cartabia benannt ist und deren Sinn und Zweck es war, die Verfahrensdauer zu verkürzen und endlich Reformen einzuführen, die einer modernen Strafjustiz würdig sind. Es ist sicher nicht alles Gold, was in der Reform steht. Aber es war zumindest ein Ansatzpunkt, um eine organische Reform umzusetzen.
 
Die neue Regierung Meloni scheint aber andere Schwerpunkte setzen zu wollen?
 
Genau das ist das Problem. Die neue Regierung will bewusst ein Signal setzen. Auf der einen Seite verschiebt man zwei Tage vor Ihrem Inkrafttreten die geplante Justizreform und auf der anderen Seite führt man kurzerhand eine neue Straftat ein. Dabei waren die Raves, falls illegal, immer schon strafbar. Die neue Regierung hat Medienberichte zum Anlass genommen, um hier Aktionismus vorzutäuschen.
 
Populismus in Reinkultur?
 
Ja, sicher. Immer wieder wird mit strafrechtlichen Instrumenten in soziale Phänomene eingegriffen. Wobei man sagen muss, dass diese Politik der populistischen Anlass-Gesetzgebung nicht von Meloni & Co erfunden wurde, sondern eine lange Tradition in Italien hat. Eine Vorgangsweise, die leider auch von der Linken mitgetragen wird. Erinnern Sie sich: Es gab das Problem der tödlichen Verkehrsunfälle. Was hat man getan? Man hat mit dem „omicidio stradale“ eine neue Straftat eingeführt. Damit glaubte man das Problem zu lösen. Dasselbe haben wir mit dem akuten Problem des „femminicido“, der Gewalt gegen Frauen. Auch dort hat man die Strafen einfach erhöht. Wir haben ein Problem mit beißenden Hunden. Was tut man: Man verbietet kurzerhand das Halten gewisser Rassen. Das war in den vergangenen 15, 20 Jahren immer wieder die Vorgangsweise. Der Grund dafür ist einfach: Diese Gangart gefällt den Wählern. Und Für Politiker ist es der schnelle Weg zum Konsens ohne auf die Probleme einzugehen. .
Diese Politik der populistischen Anlass-Gesetzgebung wurde nicht von Meloni & Co erfunden, sondern hat eine lange Tradition in Italien. Eine Vorgangsweise, die leider auch von der Linken mitgetragen wird.
Genau diese Gangart wendet man jetzt auch bei den Raves an?
 
Natürlich. Das ist ein einfache Lösung, Wir haben ein Problem mit den Rave-Partys?  Gut, stecken wir die einfach für drei bis zehn Jahre ins Loch. Dann ist ist das Problem „gelöst“, was dahinter steckt wird einfach weggewischt.
 
Dabei gibt es genügend bestehende Gesetze, um gegen illegale Partys vorzugehen.
 
Sicher. Nehmen wir zum Beispiel den Artikel 633 des Strafgesetzbuches* (Invasione di terreni o edifici), dort wird festgelegt, dass man die Immobilie eines Fremden nicht so einfach besetzen und benützen kann. Das ist auch richtig so. Aber hier will man einfach ein politisches Zeichen setzen und deshalb hat man die Strafen drastisch und unverhältnismäßig erhöht und eine neue Bestimmung eingeführt.
 
 
 
Ist diese neue Bestimmung überhaupt juristisch haltbar?
 
Ich muss fast lachen. Wer diese neue Bestimmung geschrieben hat, der oder die müssen völlig inkompetent sein. Das kann nur jemand verfasst haben, der keinerlei Ahnung hat, wie man das umsetzen soll. Das politische Ziel verfehlt man sowieso. Denn die Raves werden weitergehen. Der Mord ist seit Jahrtausenden verboten, aber man mordet immer noch. Es ist doch schwachsinnig zu glauben, dass die reine Kriminalisierung eines Problems, zur Lösung dieses Problems führt.
 
Was sollte die Politik Ihrer Meinung nach, tun?
 
Man soll sich ernsthaft mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Die Politik soll sich fragen, warum junge Menschen auf illegale Raves gehen. Und man soll Alternativen anbieten: Sichere Raves, wo die Jugendlichen mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommen und wo auch der Drogenkonsum eingedämmt werden kann. Doch daran scheint die Politik nicht interessiert zu sein. Denn mit dem Verbot kann der Innenminister und die oder - ich weiß nicht mehr, wie ich sagen muss - der Ministerpräsident Frau Meloni sagen: Wir haben etwas getan.
 
Es ist doch schwachsinnig zu glauben, dass die reine Kriminalisierung eines Problems, zur Lösung dieses Problems führt.
 
Sie sagen: Diese Bestimmung ist nicht umsetzbar?
 
Das Ganze ist rechtlich nicht haltbar. Ich mache Ihnen ein Beispiel: Wir haben in Trient oder Bozen ein Oktoberfest und 51 Leute feiern auf dem Parkplatz weiter. Wird das jetzt mit drei bis zehn Jahren Haft bestraft? Laut dieser Bestimmung, ja. Und umgekehrt: Wenn ich eine Immobilie miete, und dort 500 jungen Menschen hineinlasse, die alles Mögliche anstellen. Ist das verboten? Nein, das ist nicht verboten. Außerdem greift diese Bestimmung nur, wenn es sich um mehr als 50 Personen handelt. Was aber passiert, wenn ich einen Rave mit 49 Menschen mache? Gehe ich dann straffrei aus? Denn mit diesem neuen Spezialgesetz, finden die alten Bestimmungen keine Anwendung mehr.
 
Derzeit wird darüber debattiert, ob diese Bestimmung auch für andere Anlässe, wie Flashmobs oder Demonstrationen Anwendung finden kann.
 
Die Norm gilt in ihrer jetzigen Fassung für alle Personen, die sich in einem öffentlichen oder privaten Gebäude aufhalten. Deshalb auch z.B. für Arbeitnehmer, die aus Protest gegen Entlassungen eine Fabrik besetzen und Streikposten aufstellen, oder für Studenten, die eine Universität besetzten. Kurz gesagt, eine Vorschrift, die unter dem Vorwand von Rave-Partys ein sehr breites und unangemessenes Spektrum von Dissens trifft  und somit die sogenannten civil spaces in besorgniserregender Weise einschränkt. Damit wird auch der Artikel 17 der Verfassung über die Versammlungsfreiheit tangiert. Zum Glück hängt es von der Rechtsprechung ab, wie man diese Norm letztlich interpretiert und ich hoffe schon, dass die Gerichtsbarkeit, die Richter, die Staatsanwaltschaft und die Anwälte im Stande sind, solche Auslegungen im Keim zu ersticken.
Für uns Strafverteidiger ist die Regierung-Meloni auf jeden Fall ein gutes Geschäft. Ob es das auch für die Demokratie ist, bezweifle ich aber stark.
Dazu kommt, dass das Strafmaß drei bis zehn Jahre Haft, doch völlig überzogen ist?
 
Das ist absolut unverhältnismäßig. Denn in der neuen Norm findet auch eine Bestimmung Anwendung, die an sich für Mafia-Delikte erlassen wurde. Der Richter kann Vorbeugemaßnahmen verhängen. Das heißt, den jungen Menschen kann der Führerschein entzogen werden oder man kann ein Dekret erlassen, das es ihnen verbietet, nach 20 Uhr das Haus zu verlassen. Das ist doch verrückt.
 
Ihr Resümee?
 
Das ist einfach. Wir haben jetzt eben eine Rechtsregierung. Ich sage jedem, der Meloni gewählt hat: „Volevi la bicicletta adesso pedala“. Das ist kein Spiel. Für uns Strafverteidiger ist die Regierung-Meloni auf jeden Fall ein gutes Geschäft. Ob es das auch für die Demokratie ist, bezweifle ich aber stark.
 
 
 
 
 
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Manfred Klotz Mi., 02.11.2022 - 13:27

Die Verrückten, die Politiker wie Meloni gewählt haben, werden erst dann verstehen, dass sie einer schleichenden Form von Diktatur den Weg geebnet haben, wenn sie selbst in deren Fänge geraten. Dann wird der Aufschrei groß sein, aber zu spät kommen.

Mi., 02.11.2022 - 13:27 Permalink
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Karl Gudauner Mi., 02.11.2022 - 15:05

Diese neue strafrechtliche Bestimmung ist ganz nach dem Geschmack der Retro-Verklärer. Dieser politische Aktionismus darf von der Wirkung her nicht unterschätzt werden. Er ändert die Rahmenbedingungen für die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit. Auf der einen Seite wird Raum für subjektive Ermessensentscheidungen der Behörden im Bereich der Kontrolle der öffentlichen Sicherheit geschaffen, auf der anderen Seite erzeugt diese Norm ein Klima der Unsicherheit in der Nutzung der bürgerlichen Freiheiten. Die sehr allgemeine Formulierung kann, wie das Interview bestätigt, auf alle möglichen "Zusammenkünfte" angewendet werden. Es ist durchaus möglich, dass die Grenze zwischen der Sicherstellung der öffentlichen Ordnung und Repressalien gegen Antikonformismus von übereifrigen Ordnungshütern überschritten wird. Polen und Ungarn zeigen, dass der Weg in den Überwachungsstaat über viele kleine Schritte der Demokratieaushöhlung führt. Dies zur Sprache zu bringen und einer solchen Entwicklung entgegenzusteuern ist eine zentrale Aufgabe des neuen Parlaments.

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Hartmuth Staffler Mi., 02.11.2022 - 15:43

An der faschistischen Gedenkfeier für den Marsch auf Rom am Mussolini-Mausoleum in Predappio haben 2000 Menschen mit Duce-Fahnen und Duce Rufen, faschistischen Gesängen und römischen Grüßen teilgenommen. Für den Innenminister ist das kein Problem, wohl aber die Jugendlichen, die nur tanzen wollten und danach sogar fein säuberlich ihren Müll entsorgt haben. Man weiß jetzt, in welche Richtung es geht, und das wissen auch die Ordnungshüter, die sich freuen, wieder hart zugreifen zu können. Wir Südtiroler kennen das ja.

Mi., 02.11.2022 - 15:43 Permalink
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Robert Hölzl Mi., 02.11.2022 - 15:43

Das mit der Anlassgesetzgebung ist nicht neu. Auch bisher wurde so vorgegangen. Ein Unfall mit mehrfacher Todesfolge in der Samstagnacht; am nächsten Tag wird das Strafmaß erhöht oder ein neuer Tatbestand (Mord im Straßenverkehr) eingeführt. Statt ausreichend Kontrollen wird einfach die Strafe erhöht, in der sinnlosen Hoffnung, damit jemanden von überhöhter Geschwindigkeit oder Fahren unter Alkohol oder Drogen abzuhalten. Also im Prinzip nichts Neues. Auch die angedachte Lösung genehmigte Raveparties abzuhalten, ist nicht wirklich durchdacht. Bei den derzeitigen Vorschriften für Veranstaltungen wird dies niemand tun. Darüberhinaus, warum sollte ein Besetzer eines Betriebes oder einer Universität in einem straffreien Raum agieren können. Die Justiz kann nie die gesellschaftlichen Probleme lösen, aber sie kann auch nicht strafrechtliche Tatbestände ignorieren, nur weil die Gesellschaft nicht ihre Aufgaben erledigt hat. Abschreckung ist keine Lösung, aber ohne Konsequenz, die weht tut, kann es auch nicht gehen.

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Hartmuth Staffler Mi., 02.11.2022 - 16:21

Antwort auf von Robert Hölzl

Grundsätzlich haben sie Recht. Allerdings wurde nicht der Tatbestand "Mord im Straßenverkehr" eingeführt, sondern der Strafbestand "Totschlag im Straßenverkehr". Davon, dass die Südtiroler Medien das grundsätzlich verwechseln und falsch schreiben, sollte man sich nicht verwirren lassen. Die schreiben auch sonst sehr vieles falsch. Im Italienischen gibt es aber "omicidio colposo" (schuldhafte bzw. im Deutschen fahrlässige Tötung) und "omicidio doloso" (böswillige bzw. in Deutschen absichtliche Tötung, also Mord). Dazu wurde nun auch noch "omicidio stradale" eingeführt, der irgendwo dazwischen anzusiedeln ist. Ein hundertprozentiger Vergleich ist nicht möglich, weil die italienische und die deutsche Terminologie in diesem Bereich zu unterschiedlich sind.

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Manfred Klotz Mi., 02.11.2022 - 16:59

Antwort auf von Robert Hölzl

Bei dieser Aktion der Regierung geht es gar nicht darum Konsequenzen für ein bestimmtes Vergehen einzuführen (denn gegen Hausfriedensbruch, wie im Fall des Raves in Modena, hätte man auch so vorgehen können und hat es letztlich ja getan), sondern sich einen möglichst großen Spielraum zu verschaffen, Aktionen bzw. Kundgebungen, die dem Gedankengut der Regierung nicht entsprechen zu unterbinden, bzw Gruppierungen und Personen, die sich gegen die Regierung stellen auszuschalten. Demokratie Adieu!

Mi., 02.11.2022 - 16:59 Permalink
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Robert Hölzl Mi., 02.11.2022 - 17:49

Antwort auf von Manfred Klotz

Ich habe geschrieben: "Ein Unfall mit mehrfacher Todesfolge in der Samstagnacht; am nächsten Tag wird das Strafmaß erhöht oder ein neuer Tatbestand (Mord im Straßenverkehr) eingeführt." Also Erhöhung des Strafmaßes (der zweite Nebensatz ist durch "oder" getrennt.), so wie es auch diese Regierung getan hat. Ob die Absicht der Regierung diejenige ist, die Sie unterstellen, kann erst die Zukunft weisen. Weil einem die Couleur einer Regierung nicht genehm ist, sollte man sie doch nach den effektiven Taten und nicht den eigenen Ideen bewerten.

Mi., 02.11.2022 - 17:49 Permalink
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Stefan S Mi., 02.11.2022 - 18:52

Antwort auf von Robert Hölzl

"Weil einem die Couleur einer Regierung nicht genehm ist, sollte man sie doch nach den effektiven Taten und nicht den eigenen Ideen bewerten."
Schwingt da immer noch die Hoffnung mit das sich Meloni in eine Prinzessin der Herzen verwandelt oder ist der Wunsch Vater des Gedankens?

Mi., 02.11.2022 - 18:52 Permalink
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Robert Hölzl Mi., 02.11.2022 - 19:01

Antwort auf von Stefan S

Nein und nein. Ich kann eine gewählte Regierung nicht ändern, nur weil mir ihre Ausrichtung nicht passt. Aber auch Regierungen, die mir besser gepasst haben, haben ebenfalls Handlungen gesetzt, mit denen ich nicht einverstanden war. Ich akzeptiere das Ergebnis der Wahl und bewerte für mich die Handlungen dieser Regierung.

Mi., 02.11.2022 - 19:01 Permalink
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Stefan S Mi., 02.11.2022 - 21:31

Antwort auf von Robert Hölzl

"Ich kann eine gewählte Regierung nicht ändern," Sehe ich nicht so, es ist das Wesen der Demokratie das ich/jeder dieses ändern/beeinflussen kann. Als Wähler, im Austausch mit Bekannten/Verwandten, Kollegen, Verein etc. und über allem steht die Aufklärung. historisch, soziologisch...

Mi., 02.11.2022 - 21:31 Permalink
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Nicola Canestrini Mi., 02.11.2022 - 18:26

Buonasera, leggo volentieri i commenti, spratutto se critici ;) Non volendo però mischiare la mia attività professionale in senso stretto (nelle aule) con quella in senso lato (nella società civile) NON accetto mandati sollecitati dai miei interventi pubblici. E in ogni caso sono un penalista, non un giuslavorista ;) Grazie comunque per la fiducia e la stima, Nicola Canestrini

Mi., 02.11.2022 - 18:26 Permalink
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Philipp Kieser Fr., 04.11.2022 - 11:53

Antwort auf von Nicola Canestrini

Lieber Herr Avvocato Canestrini,
in erster Linie herzlichen Dank für Ihre stringente Argumentation, die mir in puncto Gesetzeslage mehr Klarheit verschafft. Zweitens freue ich mich hier einige Dinge lesen zu dürfen, die Sie absolut richtig erkannt haben und ich bin froh, diese Beobachtungen von jemanden lesen zu dürfen, der sich (bitte korrigieren Sie sich mich wenn ich mich irre) außerhalb meiner eigenen Blase rund um Kultur bzw. Gegen-Kultur oder Subkultur bewegt. Sie bemerken richtigerweise, dass die Mehrheitsgesellschaft inklusive Regierung auf eine tiefgreifende Ursachenforschung (Zeitgeist?) verzichtet, sondern eine populistische "politica della piazza pulita" bevorzugt. Insofern auch treffend ihre Aussage zum Phänomen des schleichend stattfindenen aber sukzessive vorangetriebenen Rückbaus von civil spaces i.e. öffentlichen Raumes und somit das Recht auf Versammlung. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt auch Meinungsfreiheit? Sie haben Recht, wir sollten nicht übertreiben, doch es gilt weiterhin wachsam zu bleiben!

Ergänzen möchte ich ihre Auffassung von der Organisation von "sicheren Raves": Es spricht natürlich nichts dagegen, wenn Veranstaltungen für (junge) Menschen mit einem besonderen Augenmerk auf Veranstaltungssicherheit konzipiert werden oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Jedoch stehen derartige Veranstaltungen diametral der Wertehaltung von "Free Party Culture" bzw. Gegenkultur gegenüber. Um einen Bekannten zu zitieren: "Es widerspricht natürlich der Natur des Rave, Regelwerk und Maßnahmen von außen zu akzeptieren!". Der Rave ist prinzipiell eine Form von Raum für Selbstorganistation, eine Art temporäre autonome Zone, wo vielfach genau deshalb auch Experiment und Entwicklung für Gesellschaft stattfinden kann. Natürlich muss sich die betroffene Szene heute auch hinterfragen, wie weit sich gewisse Veranstalter von Raves von den eigenen Grundwerten entfernt haben oder welche Weiterentwicklungen auch beim "Fee Party People Movement" notwendigerweise anzugehen sind. Gewisse Kreise rund um die Szenenpioniere aus den 90er Jahren, namentlich Spiral Tribe, haben damit bereits begonnen. Diese allgemein erfrischende Reflexionstätigkeit kann man natürlich gut und gerne auf die Gesamtgesellschaft betreffende Bereiche übertragen und erreicht im besten Falle eine Kulturvision, eine kulturelle Wertehaltung, die in Zukunft genau solche abstruse Gesetzgebung verhindert.

Schöne Grüße aus Mazon,
PK

Fr., 04.11.2022 - 11:53 Permalink