Gesellschaft | Meran

Der Tod des Gesundheitspapstes

Henri Chenot ist letzte Nacht gestorben. Der Mann, der das Palace groß gemacht hat, wurde 77 Jahre alt. Ein Blick auf das Leben und das Geschäftsmodell eines Stars.
Henri Chenot
Foto: Facebook/Palace Merano Espace Henri Chenot
Die Nachricht verbreitete sich am Mittwochvormittag wie ein Lauffeuer. Der Meraner Gesund- und Schönheitspapst Henri Chenot ist tot. Der gebürtige Katalane und französische Staatsbürger wurde 77 Jahre alt.
Chenot übersiedelte vor genau 40 Jahren aus Cannes nach Südtirol. Zuerst in Sulden tätig, übernahm er Mitte der 1980er Jahre das Meraner Nobelhotel "Hotel Palace Meran".
Chenot führte das Palace zu internationaler Größe. Durch seine „Methode Chenot“ und einer hochmodernen medizinischen Gesundheitsabteilung wurden Meran und das Palace sehr schnell zum Fixpunkt der Hautevolee.
Die Liste der Stars und VIP´s, die in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten im Palace abstiegen, ist so lang, dass man sie kaum wiedergeben kann. Auch weil nur ein Bruchteil der Namen jener bekannt ist, die wirklich bei Chenot zur Kur weilten. Ein Großteil der Persönlichkeiten weilte inkognito in Meran.
Henri Chenot machte das Palace für den Besitzer Pietro Tosolini zur Goldgrube. Gleichzeitig wurde Chenot aber auch zum Millionär. Der studierte Meeresbiologe und Fachmann für Chinesische Medizin, Phytokosmetik und Phytotherapie entwickelte ein Geschäftsmodell, das er schon bald in die halbe Welt exportierte. Allein im Palace verdienen er und seine Unternehmen jährlich rund 3 Millionen Euro.
 

Chenots Methode

 
Henri Chenot hat sich vor vielen Jahren seine Diäten und seine Behandlungsmethoden unter dem Markenzeichen „Methode Chenot“ schützen lassen. Ebenso geschützt sind die Bezeichnung „Espace Henri Chenot“ und „Soggiorno Benessere Dominique Chenot“. Alle Rechte für diese Marken gehören anfänglich der niederländischen Gesellschaft „Henicado BV“. Das Unternehmen mit Sitz in Amersfoort in der Provinz Utrecht gehört der Familie Chenot. Der Firmennamen ist eine Abkürzung der Vornamen von Henri, seinen Kindern Nicolas, Caroline und von Ehefrau Dominique Grenier (Henicado). Geschäftsführer des Unternehmens ist Fabio Mazzoni, ein italienischstämmiger Wirtschaftstreuhänder mit Wohnsitz in Belgien. Dass Chenot für seine Firma die Niederlande als Niederlassung wählt, dürfte auch mit der äußerst geringen Steuerbelastung in diesem EU-Land zusammenhängen.
Am 16. Januar 2004 wird vor einem Luxemburger Notar die „HC International S.A.“ gegründet. HC steht für Henri Chenot. Die Societé Anonym gehört je zu 45 Prozent Henri Chenot und Dominique Grenier und zu je 5 Prozent ihren beiden Kindern Caroline und Nicolas Chenot. Geschäftsführer wird auch in diesem Unternehmen Fabio Mazzoni.
 
 
 
Mit der Übernahme des Palace durch Pietro Tosolini 2006 übernimmt der neue Eigentümer auch den Vertrag mit der Chenot-Firma. Die HC International S.A hat inzwischen die holländische Henicado BV ersetzt. Zudem handelt Tosolini eine Vertragsänderung aus. Die HC International bekommt nur mehr 7 Prozent an Royalties. Dafür bekommt Henri Chenot einen zusätzlichen jährlichen Fixbetrag als Verwalter und Dominique Chenot wird Festangestellte im Palace.
Inzwischen bietet die HC International Chenots Methode und seine Anwendungen nicht nur im Meraner Palace an, sondern man schließt auch Verträge mit drei weiteren italienischen Nobelhotels in Brescia, Mailand und Verona ab. Ebenso werden Chenots Anwendungen in Hotels und Nobelressorts in Griechenland, Marokko, Russland, in der Schweiz oder in Malaysia angeboten.
 

Die Steuerprobleme

 
Der Meraner SVP-Politiker Karl Zeller ist seit Jahren nicht nur der Anwalt der Familie Chenot, er ist seit langem auch mit Henri Chenot persönlich gut befreundet. „Henri hatte kein Verhältnis zum Geld und zum Finanziellen, das war nicht seine Welt“, beschreibt Zeller Chenot.
So gerieten Henri und auf das Geschäftsmodell des Gesundheitspapstes 2007 in das Visier der Finanzwache und der Agentur der Einnahmen.  Dabei wird klar, dass einiges nicht stimmt. Die Beanstandung: rechtswidrige Verlagerung von Gewinnen ins Ausland (Esterovestizione). Denn die Ermittler können nachweisen, dass das Ehepaar Chenot nicht an seinem offiziellen Wohnsitz in Lugano ansässig ist, sondern in Wirklichkeit seinen Lebensmittelpunkt in Meran hat. Zwei Zimmer des Nobelhotels werden seit Jahren nicht vermietet, sondern stehen exklusiv Henri und Dominique Chenot zur Verfügung. Vor allem aber lässt sich nachweisen, dass sich die beiden weit mehr als 180 Tage im Jahr in Meran aufhalten. Und damit in Italien voll steuerpflichtig sind.
Weil Henri Chenot sich kooperativ zeigt und zugibt, die Firmenkonstruktion aus steuerlichen Gründen gemacht zu haben, kommt es zu keinem Strafverfahren. Der Gesundheitspapst zahlt nicht nur Steuern zurück, sondern auch eine Strafe von einer halben Million Euro an die Agentur für Einnahmen.
 
 
 
Zudem gründet Henri Chenot in Absprache mit seinen Anwälten, Steuerberatern und der Steuerbehörde eine Firma in Italien. Damit sollen auch die Steuern in Italien bleiben. Am 30. Dezember 2008 wird in Meran die „HC Biontis Srl“ gegründet. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Palace in Meran, Henry Chenot ist Verwaltungsratspräsident und seine Frau Dominique Grenier seine Stellvertreterin. Die HC Biontis Srl tritt im Frühjahr 2009 anstelle der Luxemburger HC International S.A. in alle laufenden Verträge ein. Damit hat Henri Chenot die Auflagen der italienischen Steuerbehörde erfüllt. Wenigstens auf dem Papier.
Denn gleichzeitig wird ein Lizenzvertrag zwischen der HC International S.A. und der HC Biontis Srl abgeschlossen. Die Luxemburger Firma tritt dem Meraner Unternehmen die Rechte und Lizenzen der Methode Chenot für Italien ab. Und erhält im Gegenzug 5 Prozent aller Einnahmen.
Konkret heißt das: Während vorher sieben Prozent des Palace Umsatzes direkt nach Luxemburg gingen, sind es ab 2009 nur mehr 5 Prozent. 2 Prozent bleiben bei der Meraner HC Biontis Srl und fallen damit unter die italienischen Steuerbestimmungen. Zudem gründet Chenot am 13. Juni 2011 eine weitere Luxemburger Firma. Immer nach demselben Muster. Die „HC Trademark S.A.“ ist eine 100prozentige Tochter der HC International S.A. Auch hier ist Fabio Mazzoni Geschäftsführer. Die HC Trademark übernimmt die Marke „Espace Henri Chenot“. Das Hotel Palace hat seit Jahren einen Vertrag mit der HC Trademark und zahlt die sieben Prozent an Royalties wiederum direkt nach Luxemburg.
 

Der Abgang

 
2013 kommt es zu einem Konflikt, der schließlich in einem Strafprozess vor Gericht endet. Auf der einen Seite die Schönheitschirurgin Carmen Salvatore und der langjährige Palace-Direktor Massimiliano Sturaro. Auf der anderen Seite Henri Chenot und Hotel-Eigner Pietro Tosolini. Es geht um Unterschlagungen, Schwarzgelder und Betrug. Salvatore und Sturaro werden in zwei Instanzen teilweise verurteilt. Das Verfahren behängt aber noch.
In den Jahren danach wird aber auch das Klima zwischen Henri Chenot und dem Palace-Eigner Pietro Tosolini rauer. Der Vertrag zwischen Chenot und Tosolini sieht vor, dass der Gesundheitspapst im "Palace" in Meran anwesend sein muss und in Italien kein anderes Hotel eröffnen darf. Außerhalb Italiens hingegen ist die Marke frei.
 
 
 
Jetzt aber plant Chenot mit dem „Chenot Palace Weggis“ ein Hotel am Vierwaldstättersee in der Schweiz, das keine 400 Kilometer von Meran entfernt ist und damit in direkter Konkurrenz zum „Palace“ steht.
Weil Chenots Ehefrau Dominique Grenier zudem offen in Meran Werbung für das neue Hotel in Weggis macht, kommt es vor Weihnachten 2019 zu Bruch. Die Folge: Tosolini kündigte die Zusammenarbeit mit Genier auf. 
Henri Chenot ist zu diesem Zeitpunkt längst von seiner Krankheit gezeichnet. Er kann ohne die Hilfe seiner Frau nicht mehr arbeiten. So verlässt der Star Ende 2019 zusammen mit seiner Frau das Palace und übersiedelt nach Weggis.
Den Geschäftssitz hat das Chenot-Imperium bereits lange vorher nach Lugano verlegt. Dort leben auch Chenots Kinder, die das Geschäftsmodell inzwischen mit Dominique Grenier leiten.
Dienstagnacht ist Henri Chenot in einer Klinik in Lugano gestorben.
Man wird es jetzt merken, was Henri Chenot für Meran getan hat“, sagt Karl Zeller nachdenklich, „einer Stadt, die er als seine Heimat betrachtet hat.