Umwelt | Fischereigesetz

100 Vögel geschossen

Mit dem neuen „Fischerei-Gesetz“ vollzieht sich ein Paradigmen-Wechsel: von der Nutzung hin zum Schutz. Auch die Abschüsse von Kormoranen stehen in diesem Kontext.
kormoran.jpg
Foto: Pixabay
Das derzeitige Fischereigesetz ist mittlerweile 44 Jahre alt. Mit dem neuen Gesetz, das den bezeichnenden Titel „Schutz der aquatischen Lebensräume und nachhaltige Fischerei“ trägt, soll den rechtlichen, aber auch wirtschaftlichen Veränderungen Rechnung getragen werden. Anfang Dezember wurde der Entwurf von der Landesregierung genehmigt, demnächst wird er im Landtag behandelt. Im Gespräch mit Salto.bz gibt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler Auskunft über die Zielsetzungen des Gesetzesentwurfes.
 
Salto.bz: Herr Landesrat Schuler, Sie haben ein neues Fischereigesetz auf den Weg gebracht. Eines der Ziele lautet, die Gewässer weitreichender als bisher unter Schutz zu stellen.
 
Arnold Schuler: Wir haben aus zwei Gründen beschlossen, das aktuelle Fischereigesetz auf den neuesten Stand zu bringen. Zum einen stammt das bestehende Gesetz aus dem Jahre 1978, seitdem hat sich viel verändert und es müssen beispielsweise auch einige technische Anpassungen an die heutige Situation vorgenommen werden. Vor allem hat aber ein Paradigmen-Wechsel stattgefunden, der im neuen Gesetz seinen Niederschlag finden soll. Während in der Vergangenheit vor allem die Nutzung der Gewässer im Vordergrund stand, wird nun der Fokus auf deren Schutz gelegt. Bezeichnend dafür ist auch die Änderung des Namens von Fischereigesetz auf Gesetz zum Schutz der aquatischen Lebensräume und der nachhaltigen Fischerei.
 
Während in der Vergangenheit vor allem die Nutzung der Gewässer im Vordergrund stand, wird nun der Fokus auf deren Schutz gelegt.
 
Es ist Ausdruck der neuen Philosophie, wonach Fische nicht mehr gezüchtet werden, um sie später wieder aus dem Bach zu holen, sondern Fische werden in Bächen, Flüssen und Seen ausgesetzt, um die aquatischen Lebensräume zu erhalten. Dass es sich bei der neuen Gesetzesvorlage um eine der fortschrittlichsten in ganz Mitteleuropa handelt, hat übrigens auch der Präsident des Landesfischereiverbandes erklärt. Um den natürlichen Fischbestand zu erhalten, muss dieser geschützt werden. Entnommen werden sollte grundsätzlich nur das, was an natürlichem Zuwachs zu verzeichnen ist. Auch ein Fischbesatz, also das Einsetzen von Fischen in Gewässer, sollte nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden, sprich, wenn der natürliche Bestand beispielsweise aufgrund einer Staudammspülung Schaden genommen hat. Der Besatz soll sich jedoch vorwiegend auf den Aufbau eines natürlichen Besatzes beschränken.
 
 
 
In der Vergangenheit gab es nicht nur eine Diskussion über den Besatz an sich, sondern auch was die Arten betrifft sprich autochthone versus „ertragreiche“.
 
Sagen wir mal so: In der Vergangenheit wurde der Besatz etwas großzügiger gehandhabt. Daraus resultierte aber ein weiteres Problem, welches nicht unmittelbar mit dem Fischereigesetz in Zusammenhang steht. Aufgrund einer staatlichen Bestimmung wird eine autochthone Art nur mehr als solche anerkannt, wenn sie nachweislich seit 1492 in dem betreffenden Gebiet vorgekommen ist. Bei der Bachforelle ist dies beispielsweise nicht der Fall. Obwohl diese Fischart bereits seit 200 Jahren hier heimisch ist, wird sie nach den derzeitigen staatlichen Bestimmungen allerdings nicht als autochthone Art eingestuft, weshalb es im vergangenen Jahr nicht möglich war, unsere Gewässer mit Bachforellen zu besetzen. Dies ist allerdings ein Problem, das wir mit unserem Gesetz nicht lösen können, da wie gesagt, die entsprechende Bestimmung auf staatlicher Ebene erlassen wurde.
 
Gilt das Gleiche auch für die marmorierte Forelle?
 
Diese gilt als autochthone Art und in den vergangenen Jahren wurde versucht, sie trotz verschiedener Probleme schwerpunktmäßig einzusetzen. Probleme sind dadurch entstanden, da aufgrund der Aufzuchtmethode die genetische Reinheit der Forellen nicht mehr gewährt war. Deshalb beschränkt man sich jetzt bei der Aufzucht nur mehr auf Naturfänge, die vorab genetisch untersucht werden.
 
Obwohl die Bachforelle bereits seit 200 Jahren in Südtirol heimisch ist, wird sie nach den derzeitigen staatlichen Bestimmungen allerdings nicht als autochthone Art eingestuft.
 
Leider geht in der Berichterstattung ein wenig unter, wie vorbildhaft sich das Aquatische Artenschutzzentrum des Landes um den Fischnachwuchs kümmert. In der Vergangenheit wurden die Fische, welche für die Zucht bestimmt waren, sowie der Nachwuchs in künstlichen Becken gehalten bzw. aufgezogen. Damit hat man riskiert, dass sich die Tiere an diese Lebensbedingungen gewöhnen. Wurden sie ausgesetzt, waren entsprechende Verluste zu verzeichnen.
 
Wie verfährt man heute?
 
Die in der Natur, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Fischereivereinen, gefangenen Fische werden, wie beschrieben, genetisch untersucht und anschließend in der Aufzuchtstation, die mittlerweile dahingehen umgestaltet wurde, dass die Umweltbedingungen so natürlich wie möglich sind, vermehrt. Die an diese Bedingungen angepassten Brütlinge oder Sömmerlinge, also junge Fische, werden in den Gewässern ausgesetzt, wo sie sich relativ schnell an die neuen Umweltbedingungen gewöhnen und somit weitaus höhere Überlebensraten zu verzeichnen sind. Dieser neue Ansatz ist einer der Schwerpunkte im neuen Fischereigesetz wie auch das Bestreben, sämtliche Fischgenerationen abzudecken – von den Eiern bis hin zu mehrjährigen Tieren – wie von der Natur eben vorgesehen.
 
 
 
Eine Fokussierung auf den Schutz der Lebensräume setzt voraus, dass diese auch vorhanden sind bzw. dass die Voraussetzung in Form von Renaturierungen verbauter Flussläufe geschaffen werden.
 
Der Funktionsbereich Wildbachverbauung hat bereits einige tolle Projekte umgesetzt, um diese Natürlichkeit wieder so gut wie möglich herzustellen. Nicht nur weil es für das Ökosystem und den natürlichen Fischbesatz wichtig ist, sondern Flussaufweitungen dienen auch dazu, einen wirksamen Schutz vor Hochwassergefahren zu schaffen. Bei einer Aufweitung des Bachbettes hat der Fluss mehr Fläche zur Verfügung, auf welcher er sich ausbreiten kann.
 
Während noch vor wenigen Jahrzehnten Flussbegradigungen gang und gäbe waren und ökologische Aspekte eine untergeordnete Rolle spielten, scheint nun das komplette Gegenteil der Fall zu sein.
 
Neue Erkenntnisse haben dazu geführt, dass nun andere Methoden verwendet werden und möglichst auf Beton verzichtet wird. Allerdings ist das nicht immer möglich, denn zum Schutz der Bevölkerung sind bestimmte Arten von Schutzbauten immer noch notwendig. Diese werden jedoch mit den entsprechenden Maßnahmen, wie Fischtreppen, zur bestmöglichen Aufrechterhaltung der Natürlichkeit des Flusses versehen. Durch die in Vergangenheit vorgenommenen Begradigungen wurde die Fließgeschwindigkeit erhöht und die Wassermassen sammeln sich so sehr schnell in den Hauptflüssen. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, welche negativen Auswirkungen die versiegelten Flächen haben. Wir haben in Südtirol beispielsweise 7.000 Hektar Straßenflächen, aber nur 5.400 Hektar Weinbauflächen.
 
In Klausen und im Unterland sind wir bereits einige Male haarscharf an einer Katastrophe vorbei geschlittert.
 
Auf den Straßen fließt das Wasser natürlich sehr schnell ab und auf solchen immensen Flächen macht das natürlich extrem viel aus. Zwar war die Strategie der Begradigungen nach dem damaligen Erkenntnisstand die richtige, heute liegt das Ziel jedoch darin, das Wasser nicht zu schnell abfließen zu lassen. Je weiter südlicher die Ortschaften und Städte liegen, umso gravierender wird nämlich das Problem. In Klausen und im Unterland sind wir bereits einige Male haarscharf an einer Katastrophe vorbei geschlittert. Wo immer möglich, müssen wir zukünftig auf Boden-Versiegelungen verzichten, um zu vermeiden, dass das Wasser sich in den Hauptflüssen staut und droht, bewohnte Gebiete zu überfluten.
 
Als die beiden größten Gefahren für den Fischbestand hat unter anderem der Fischereiverband einerseits den Kormoran und andererseits die Staudamm-Spülungen genannt. Wie löst man diese Probleme?
 
Ähnlich wie beim Wolf waren auch im Falle des Kormorans Abschüsse so lange Tabu, bis wir den Nachweis erbringen konnten, dass der Schaden durch den Kormoran weitaus höher ist als der Nutzen. In enger und guter Zusammenarbeit mit dem Amt für Jagd und Fischerei wie auch mit dem Fischereiverband konnte erreicht werden, dass die notwendigen wissenschaftlichen Unterlagen bereitgestellt werden konnten, damit die ISPRA (Höheres Institut für Umweltschutz und Forschung) ein positives Gutachten erteilt. Wir konnten die Situation darlegen und aufzeigen, dass der Kormoran, der selbst zu den geschützten Arten zählt, in der Lage ist, andere seltene und geschützte Fischarten in manchen Flüssen innerhalb kurzer Zeit auszurotten. Nachdem die Interessen abgewogen wurden, konnten wir erreichen, dass Kormorane entnommen werden dürfen. Gab es vor rund zwei Jahren noch 130 gezählte Kormorane in Südtirol, wurden mittlerweile rund 100 Tiere geschossen. Ein sehr hoher Prozentsatz, wie ich meine. Diese Praxis ist mittlerweile akzeptiert und hat dazu beigetragen, das Problem im Rahmen zu halten. Obwohl wir vor zwei unterschiedlichen Ausgangssituationen stehen, kann das Beispiel Kormoran als Vorlage dafür dienen, wie eine Lösung beim Wolfsproblem aussehen könnte.
 
Obwohl wir vor zwei unterschiedlichen Ausgangssituationen stehen, kann das Beispiel Kormoran als Vorlage dafür dienen, wie eine Lösung beim Wolfsproblem aussehen könnte.
 
In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Kormoran-Problem weitestgehend untergegangen.
 
Was eigentlich sehr schade ist. Obwohl die Fische in der öffentlichen Wahrnehmung im Vergleich zum Wolf wenig Bedeutung haben, war dieses Vorgehen möglich, weil wir in der Lage waren nachzuweisen, dass auch einige Fischarten in Südtirol zu den seltenen und bedrohten Arten zählen. Es geht hier darum, einen ausgewogenen Bestand der verschiedenen Tierarten und das ökologische Gleichgewicht zu erhalten. Wolf wie Kormoran sind beides streng geschützte Tierarten, trotzdem müssen wir einen Ausgleich finden, um die Schäden zu minimieren. Im Falle des Kormorans waren unsere Bestrebungen erfolgreich, in der Öffentlichkeit sind sie jedoch untergegangen.
 
Problem Staudammspülungen: In Franzensfeste wurde mit einem experimentellen Saugbagger versucht, die Sedimente aus dem Stausee zu entfernen. Kann in Zukunft gänzlich auf die verheerenden Spülungen verzichtet werden?
 
Im Landtag wurde ein Antrag angenommen, der die Ausweitung der Versuche mittels Saugbagger vorsieht. Die Experimente sind allerdings noch nicht abgeschlossen und laufen noch. Die Spülungen sind sehr problematisch, auf der anderen Seite zurzeit aber auch notwendig, um ein Versanden der Stauseen zu verhindern. Für das gesamte Ökosystem wie auch für die Fischbestände sind solche Spülungen allerdings verheerend.
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Mi., 04.01.2023 - 20:56

Jetzt ist mir dieser Artikel als Salto-Leser (ich lese nun mal hier) untergekommen... und ...
... ohne jetzt als Kenner der Materie etwas zum Gesetz zu sagen, möchte ich zu einem Zitat, das ich für irrtümlich halte, einen kurzen Kommentar beibringen:

„Probleme sind dadurch entstanden, da aufgrund der Aufzuchtmethode die genetische Reinheit der Forellen nicht mehr gewährt war“: der Satz ist inhaltlich nicht korrekt, bzw. unrichtig.
Die Reinheit der Marmorierten Forelle war schon vorher „nicht mehr gewährt“, und zwar ab dem Zeitpunkt, als die Bachforelle in das Gewässersystem der Etsch eingebracht worden war.
Da die einzige und größte Gefährdung der Marmorierten Forelle durch das Zusammenleben mit der Bachforelle entstand und besteht (2 Ökotypen derselben spezies salmo trutta), ist es umso unverständlicher, dass das Gesetz weiterhin das Einbringen (den Besatz) der allochthonen Bachforelle garantieren soll... das erscheint mir persönlich weder (ausreichender) Artenschutz noch wirklich Fortschritt.
In der Materie kenne ich mich aus. Die Marmorierte Forelle sollte im Schutz Vorrang vor jeder anderen fischereilichen Maßnahme haben - DAS könnte das Fischereigesetz garantieren, tut es aber nicht.

Mi., 04.01.2023 - 20:56 Permalink