Gesellschaft | Veranstaltung

Gewalt in Institutionen

Wie Gewalt in Betreuungsorten vermieden werden kann erklärt die Professorin für Sozialpädagogik Ulrike Loch in ihrem Vortrag.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Einsames Kind
Foto: Pixabay

Am Dienstag, 4. Februar um 17 Uhr geht es in der Veranstaltungsreihe Innovation durch Forschung im Sozialwesen an der Uni Brixen um ein Phänomen, das immer wieder auch in den Medien aufgerollt wird: Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens. Die Referentin Prof. Dr. Ulrike Loch spricht mit Salto.bz im Voraus über dieses Phänomen und mögliche Lösungen, um dagegen vorzugehen.
 
Salto.bz: Ihr Vortrag trägt den Titel „Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens“. An welche Institutionen denken Sie hier bzw. wo kommt dieses Gewaltphänomen besonders oft vor?
Ulrike Loch: Der Vortrag referiert Ergebnisse des Forschungsprojekts „Gewalt an Kärntner Kindern und Jugendlichen in Institutionen“. Im Fokus der Studie stehen das Landesjugendheim Rosental und die Heilpädagogische Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt. Beide stehen stellvertretend für viele andere autoritär geführte Kinder- und Jugendheime und heilpädagogischen Institutionen im vergangenen Jahrhundert. Dazu gehört beispielsweise auch die heilpädagogische Beobachtungsstation in Innsbruck.

 

Diese Institutionen sollten eigentlich Orte des Schutzes und der Fürsorge sein. Warum sind Kinder und Jugendliche genau in diesen Institutionen besonders verletzlich?
Teil der heilpädagogischen Theoriebildung war, Kinder von ihren Eltern, insbesondere von ihren Müttern zu isolieren, um dann vorgeblich mit der eigentlichen kinderpsychiatrischen Behandlung zu beginnen. Von ihren Familien isolierte Kinder jedoch vereinsamen, auch wenn sie mit vielen anderen Kindern und Jugendlichen einen gemeinsamen Tagesablauf teilen. Diese Vereinsamung verstärkten die Autoritäten der Institutionen zusätzlich, indem sie das Bilden von Freundschaften erschwerten. In dieser Einsamkeit sind Kinder besonders verletzlich, da niemand für sie eintreten kann und sie schützt.

Sie sprechen von „verschiedenen Formen“ der Gewalt. Zählen dazu auch „nicht-körperliche Formen“ oder woran denken Sie?
Es geht neben körperlicher Gewalt auch um emotionale, sexualisierte und epistemische Gewalt [beruhend auf ungleichen Wissensständen Anm. d. Red.] sowie um missbräuchliche Medikamentenvergabe.

Wie kann man solche Verletzungen vonseiten der Betreuungspersonen frühzeitig erkennen?
Einen hohen Schutz für fremduntergebrachte Kinder und Jugendliche bieten neben partizipativen Ansätzen, die Kinder und Jugendliche zur demokratischen Teilhabe in der Fremdunterbringung befähigen, auch Transparenz in den Handlungsabläufen, regionale und lebensweltnahe Unterbringung der Kinder und Jugendlichen, Einbeziehung der Eltern bzw. der Familie durch qualifizierte Eltern- bzw. Familienarbeit sowie traumapädagogische Ausrichtung bei der Qualifizierung der Fachkräfte und bei der Organisation der Institutionen. All diese Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Grenzüberschreitungen, Demütigungen und Gewalt frühzeitig erkannt werden, und bereiten einen Boden zu deren Beendigung.

Wie kann man die Grenze zwischen pflichtbewusster Betreuung und verbaler bzw. sexueller Gewalt ziehen? Gibt es Fälle, die im Graubereich liegen oder in denen eine Person zu Unrecht der Gewalt beschuldigt wurde?
Es gibt fachliche Standards, die die Arbeit bei Hinweisen auf Gewalt erleichtern. Der Graubereich, wie Sie dies nennen, also die Verdachtsabklärung bei Hinweisen auf Gewalt, ist ein sehr herausfordernder Teil dieser Arbeit. Qualifiziert kann er nur im Mehr-Augen-Prinzip geschehen. Um unberechtigte Gewaltvorwürfe zu vermeiden, ist es wichtig, Hinweisen auf Gewalt durch eine Fachkraft qualifiziert nachzugehen. Da es für ein wirksames Untersuchen solcher Vorwürfe notwendig ist, die Arbeit einer betroffenen Fachkraft kritisch zu beleuchten, muss zugleich das Hinterfragen eigener Handlungen zum professionellen Selbstverständnis von Fachkräften gehören, denn anderenfalls wäre das Aufdecken von Gewalthandlungen nicht möglich.

Was tut man gegen diese Gewalt in Institutionen, die für Kinder- und Jugendbetreuung zuständig sind?
Qualitativ gut ausgebildetes Personal und Personalschlüssel, die vertrauensbildende Beziehungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen ermöglichen, und das Einbeziehen der Familien in die Kinderbetreuung (soweit dies nicht aufgrund von Gewalttätigkeit ausgeschlossen werden muss) sowie die Beachtung der Kinderrechte sind einige der Aspekte, die präventiv von Bedeutung sind. Im Nachhinein helfen Traumatherapien sowie die soziale Begleitung der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien durch Pädagog*innen und Sozialarbeiter*innen.

Was muss Ihrer Meinung nach noch getan werden, um den Schutz der Kinder- und Jugendlichen an Betreuungsinstitutionen zu verbessern?
Ein Aspekt ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Aus diesem Grund haben wir uns in unserem Forschungsprojekt mit Gewalt an Kindern und Jugendlichen zwischen 1950 und 2000 beschäftigt.
Aus Fällen der Vergangenheit hat man bereits gelernt. Es wurden unterschiedliche Maßnahmen getroffen, u.a. Weiterbildung der Fachkräfte und die Formulierung von traumapädagogischen Standards, die ständig weiterentwickelt werden.